Erinnerungen an Horst Buhtz

Unser Bild: „Bundesliga, wir kommen!“ Großer Jubel auf der Borussen-Bank mit Trainer Horst Buhtz (Mitte, ganz in Schwarz) beim Abpfiff des entscheidenden Aufstiegsspiels gegen Tasmania Berlin (1:0) im Saarbrücker Ludwigspark. (Foto: Hoch lebe Eisen! Festschrift zum 75jährigen Bestehen der Borussia)

Als Trainer nannte man ihn den „Aufstiegskönig“. Denn mit unserer Borussia (1964), dem Wuppertaler SV (1972), dem 1. FC Nürnberg (1978) und Bayer Uerdingen (1979) führte er nicht weniger als vier Mannschaften aus der Zweitklassigkeit in die Bundesliga – bis heute eine rekordverdächtige Leistung. Aber auch als Spieler gehörte er zu den Besten, wagte als zweiter Deutscher überhaupt 1952 den Schritt über die Alpen nach „bella Italia“, wo er beim AC Turin zum absoluten Starspieler avancierte. 20 Tore erzielte er im Schnitt pro Saison in der Serie A, gehörte zu den Korsettstangen eines neuen Teams, das in Turin aufgebaut wurde, nachdem ein Großteil der AC-Profis bei einem tragischen Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. „Il Tedesco“ wurde er ehrfurchtsvoll genannt, von den Journalisten als „Zauberer auf der linken Seite“ gerühmt und zum besten ausländischen Spieler gewählt. Heute vor sechs Jahren ist Horst Buhtz, Borussias erster Bundesligatrainer, 91jährig im heimischen Langenfeld gestorben. Wir erinnern an ihn.

Bilder sagen oft mehr als Worte. Das gilt auch für Horst Buhtz. Am 8. Mai 1965 war er mit der Borussia bei Hertha BSC zu Gast. Während des Spiels öffneten sich auf einmal alle Himmelsschleusen über dem Olympiastadion, ein heftiger Wolkenbruch prasselte auf die Akteure und 30.000 Zuschauer nieder. Einzig und allein Horst Buhtz harrte einsam und verlassen auf seiner Trainerbank aus. „Auch hier bewährte sich die Beharrlichkeit des guten Taktikers, der an Borussias Verbleib in der obersten Fußballklasse wesentlichen Anteil hat“, hatte das vom legendären Ferdi Hartung geschossene Foto für die „Saarbrücker Zeitung“ Symbolcharakter. Seine Jungs ließen den Borussen-Coach nicht im Stich: Nach der frühen Führung durch Heinz Simmet (8.) und Kurt Schulz´ spätem Berliner Ausgleich (89.) holten die Borussen hochverdient einen Punkt, der Klassenerhalt war gesichert.

Bilder mit Symbolcharakter: Beharrlichkeit und Ruhe – das zeichnete Horst Buhtz sowohl in stürmischen (Bild oben im Berliner Olympia-Stadion) als auch in sonnigen Zeiten (Bild unten beim ersten Bundesliga-Sieg der Borussen, 3:1 gegen den HSV) aus. (Fotos: 90 Minuten – mit Ferdi Hartung in die Bundesliga)

Gelassenheit demonstrierte Horst Buhtz schon zu Saisonbeginn, als er mit Borussia nach drei Niederlagen zum Start das Tabellenende zierte. Als der bis dahin noch ungeschlagene HSV mit Uwe Seeler im September 1964 ins Ellenfeld kam, waren die Aussichten auf den ersten Punktgewinn mehr als gering. Doch der Trainer war die Ruhe selbst. Von seiner taktisch geschickt eingestellten Mannschaft überzeugt, betrachtete er, auf einem Ball sitzend, unter 25.000 Fans das Geschehen auf dem grünen Rasen, auf dem die Borussen am Ende tatsächlich nach Toren von Paul Pidancet, Elmar May und Achim Melcher den großen HSV mit 3:1 regelrecht entzauberten.

1963 ist Horst Buhtz von den Sportfreunden Saarbrücken, seiner ersten Trainerstation, ins Ellenfeld gekommen. Die Borussia, gerade erst bei der Bundesliga-Einführung von den DFB-Gewaltigen zur Zweitklassigkeit verurteilt, will der damals 40jährige auf sportlichem Weg in die „bel etage“ des deutschen Fußballs führen. Mit 108 Toren und 60 Punkten, ohne eine einzige Heimniederlage und nach einer Serie von 24 ungeschlagenen Spielen gelingt der Gewinn der Südwestmeisterschaft eindrucksvoll. Doch nach dem 1:5 bei Tasmania Berlin zum Auftakt der Aufstiegsrunde ist Horst Buhtz vor allem als Psychologe gefordert: Er richtet die niedergeschlagene Mannschaft wieder auf, mach Mut, motiviert. Und installiert einen Libero. Nach einem 4:1 gegen den FC St. Pauli verliert die Borussia zwar gegen den favorisierten FC Bayern mit 0:1, gibt sich aber nicht geschlagen. „Wir stürmen, und wenn wir mit fliegenden Fahnen untergehen“, so Horst Buhtz´ Parole für das Rückspiel an der Grünwalder Straße, auch wenn nur Optimisten daran glauben. Doch Wunder gibt es immer wieder. Die Borussia, von Trainerfuchs Buhtz bestens eingestellt und mit einem „Tausendsassa“ Willi Ertz zwischen den Pfosten, gewinnt 2:0 und stößt das Tor zur Bundesliga weit auf. Durchschritten wird es am letzten Spieltag mit dem 1:0 gegen Tasmania Berlin. Jubelnd reißt Horst Buhtz beim Abpfiff die Arme hoch: „Bundesliga, Borussia kommt!“

Frohe Gesichter bei Vorstand und Mannschaft: Horst Buhtz (2. v.r. neben Kurt Gluding) verlängert im November 1964 seinen Vertrag bei der Borussia vorzeitig. (Foto: Mythos Ellenfeld – 100 Jahre Borussia Neunkirchen)

Ohne Neuerwerbung und nach kraftraubender Aufstiegsrunde geht Horst Buhtz mit seinen Borussen das Abenteuer Bundesliga an. Und besteht es mit Bravour! Rang zehn im Endtableau bedeutet bis heute die beste Platzierung eines saarländischen Clubs in der Bundesliga. Kein Wunder, dass bei der vorzeitigen Vertragsverlängerung des Erfolgstrainers schon im Advent 1964 Verantwortliche und Spieler der Borussia um die Wette strahlen. „Wir sind für die neue Saison gerüstet und glauben, einige Plätze hinaufrücken zu können. Unsere Neuzugänge Werner Görts, Jürgen Wingert und Gerd Peehs haben gut eingeschlagen“ prognostiziert der Trainer für die Spielzeit 1965/66. Doch diesmal sollte er sich täuschen. Die Borussia muss im Sommer 1966 den Rückweg in die Regionalliga antreten. Horst Buhtz verlässt das Ellenfeld Richtung Hannover 96, kehrt in der Aufstiegsrunde 1972 mit dem Wuppertaler SV noch einmal nach Neunkirchen zurück und triumphiert an alter Wirkungsstätte mit 2:0.

Trotz des Abstiegs im dritten Trainerjahr kann sich die Buhtz-Bilanz im Ellenfeld sehen lassen. In 108 Spielen holte er 47 Siege. Neben 23 Unentschieden stehen 36 Niederlagen zu Buche. Macht summa summarum 164 Punkte, im Schnitt 1,52 pro Partie. Doch wichtiger als die Zahlen: „Wir hatten damals ehemals gute Fußballer als Trainer, zum Beispiel Horst Buhtz. Der konnte uns auch was vormachen“, sagte Borussias frühere Oberliga-Legende Karl Ringel einmal. Bestätigen kann das kein Geringerer als Jupp Heynckes, der Horst Buhtz in Hannover als Trainer erlebte und aus seiner Begeisterung keinen Hehl macht: „Horst Buhtz war zwischenmenschlich großartig und ein hervorragender Trainer. Früher selbst ein toller Techniker, hat er versucht, das auf seine Spieler zu übertragen“, sagte der frühere Bundesliga-Torjäger und Meistertrainer in einem Beitrag im „Remscheider Generalanzeiger“. Herausragende Spielerkader hatte Horst Buhtz nie. Was ihn auszeichnete: Flexibles Denken in der taktischen Ausrichtung. Das hatte er sich schon als Spieler in Italien angeeignet.

Gefragter Gesprächspartner: Horst Buhtz beim Interview mit SR-Legende Werner Zimmer. (Foto: Mythos Ellenfeld – 100 Jahre Borussia Neunkirchen)

Seine technischen Fähigkeiten hat der gebürtige Magdeburger auf der Straße erworben. „Dort haben wir täglich gespielt. Und da wir keine Tore hatten, wurde auf Kellerfenster geschossen. Damit der Ball auch reinging, mussten wir ich anheben und abschneiden, damit er nicht am Fensterrahmen abprallte. So haben wir von Kindesbeinen an die Ballbehandlung gelernt“, erklärte Horst Buhtz, dass er selbst einer der größten Techniker des deutschen Fußballs wurde. Schon mit 16 Jahren durfte er dank einer Sondergenehmigung bei den Senioren von Fortuna Magdeburg ran. Nach der Flucht in den Westen kickte Buhtz für die Offenbacher Kickers und den VfB Mühlburg und lehnte ein Angebot des FC Barcelona ab, weil er in Deutschland bleiben wollte, um Nationalspieler zu werden. Doch eine Länderspielkarriere blieb ihm letztlich versagt. Sein Name stand zwar im legendären Notizbuch von Bundestrainer Sepp Herberger, doch der Schatten Fritz Walters war zu groß. „Der hatte die gleiche Spielanlage wie ich. Herberger hat mich vertröstet und gesagt: `Horst, Sie haben doch noch Zeit, der Fritz ist doch älter als Sie.´ Doch ich wäre alt und grau geworden“, erinnerte sich Horst Buhtz später. Nur ein B-Länderspiel steht in seiner Bilanz, ehe er den Wechsel nach Italien vollzieht.

Als Trainer feiert er neben vier Bundesliga-Aufstiegen mit Besiktas Istanbul den Gewinn des türkischen Pokals. Zu den Highlights seiner Karriere gehört auch die Begegnung mit Jürgen Klinsmann und Guido Buchwald, die er bei seiner letzten Station bei den Stuttgarter Kickers unter seinen Fittichen hat. „Gleich am Anfang stand ein junger Bursche weinend vor mir und wollte wissen, warum er nicht aufgestellt worden sei. Es war Jürgen Klinsmann“, erzählte Horst Buhtz im Fußballmagazin „11FREUNDE“. Und weiter: „Jürgen meldete sich daraufhin bei der Leichtathletik-Abteilung an, um seine Schnelligkeit zu trainieren. Zum Trainingsauftakt der neuen Saison hat er seine 100-Meter-Zeit von 11,7 auf 11,0 Sekunden verbessert“, war Horst Buhtz vom Ehrgeiz des späteren Weltklasse-Stürmers beeindruckt.

Seinen Lebenstraum hat sich Horst Buhtz auf jeden Fall erfüllt: „Schon als Kind wollte ich immer nur einen Ball haben: Zu Ostern, zu Weihnachten, zum Geburtstag. Mehr gab es für mich nicht. Wenn dann wieder so ein Ball auf einem rostigen Nagel seinen Geist aufgab, war es immer ein Elend von ein paar Tagen, bis sich mein Vater erbarmte und mir einen neuen kaufte.“ Horst Buhtz – sein 91jähriges Leben für den Fußball ging heute vor sechs Jahren zu Ende, in der traditionsreichen Historie der Borussia aber hat er seinen festen Platz. Dort lebt er weiter! (-jf-)

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