Ein echter Bayer im Borussen-Trikot hat Abschied genommen

Torjäger Ferdi Keller ist 77jährig verstorben / Seine Zeit im Ellenfeld war kurz, aber intensiv / Turbulente Spiele gegen die Stuttgarter Kickers und den 1. FC Saarbrücken

Seine bayrische Heimat konnte er nie verleugnen. In urbajuwarischem Dialekt plauderte er noch 2021 anlässlich seines 75jährigen Geburtstages in einem Löwen-Podcast sehr fidel über seine Karriere. Seine Station im Ellenfeld kam dabei nicht zur Sprache. Schließich war es nur eine Randepisode zum Ausklang einer sehr erfolgreichen Karriere. Dennoch hat er auch in der kurzen Zeit im legendären Borussen-Trikot mit dem Schlossbräu-Logo auf der Brust Spuren hinterlassen. Am vergangenen Montag hat er nun im Alter von 77 Jahren die Bühne dieser Welt verlassen: Ferdinand Keller, genannt „Ferdi“ oder „Ferdl“. Borussia trauert mit der Familie und seinen Vereinen um einen treffsicheren Stürmer und einen guten Sportkameraden.

Den 75. hatte Ferdi Keller noch feuchtfröhlich und mit einer geschmackvollen Haxn im Kreis der Familie und guter Freunde im Kloster Andechs gefeiert. „Ferdl hatte sich in der Corona-Zeit impfen lassen – und dann hat er Corona bekommen. Die Ärzte haben immer etwas anderes vermutet. Im letzten Vierteljahr hat der Ferdl nichts mehr gegessen und 35 Kilo abgenommen. Am Montagabend gegen 21 Uhr ist er dann mit Organversagen bei uns daheim am Wörthersee eingeschlafen“, berichtet Keller-Witwe Hilde tieftraurig gegenüber dem 60er-Online-Magazin „Dieblaue24.com“. 57 Jahre waren die beiden verheiratet, er war 18, sie 15, als sie sich ineinander verliebten – es war die ganz große Liebe. Hilde Keller begleitete ihren Ferdl auf all seinen Wegen durch die Fußballrepublik, hielt ihrem Ehemann den Rücken frei. „Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau“ – Hilde Keller ist das beste Beispiel!

Ferdi Kellers Weg begann in seinem Heimatverein TSG Pasing. Der gelernte Bäcker ging unter der Woche seinem Beruf in der elterlichen Bäckerei nach und fabrizierte sonntags Tore am Fließband für die TSG. Natürlich hätte der Vater den Sohn am liebsten in seine Fußstapfen treten sehen, war von der Karriere als Fußballer nicht gerade angetan. „Die Begeisterung kam erst mit mir“, erzählte Ferdi Keller einmal, der seinen alten Herrn nach seinem Wechsel zu 1860 München mit einer stattlichen Geldsumme davon überzeugen konnte, dass er auch außerhalb des gelernten Handwerks seine Brötchen verdienen konnte. Gleich dreimal wechselte der Stürmer mit Torinstinkt zu den Löwen, seiner großen Fußball-Liebe. Das erste Mal war nicht von Erfolg gekrönt: Die interne Konkurrenz war für den nur 1,67 m großen und 65 Kilogramm schweren Angreifer zu groß. Den Schritt zurück ins heimische Pasing bezeichnete Keller einmal als „neuen Anlauf für die Rückkehr zu den 60ern.“  Denn als er in der Landesliga mit beachtlichen 50 Treffern für Aufsehen sorgten, meldeten sich die Löwen wieder. Doch auch Keller konnte in der Saison 1969/1970 das Sinken des blauen Sterns nicht aufhalten: Der ehemalige deutsche Meister von 1966 musste in die Regionalliga Süd absteigen.

Für Keller hieß es erneut: Abschied nehmen. Bei Hannover 96 schaffte er den Durchbruch, erzielte 39 Bundesligatore binnen zwei Jahren und fand sich im erweiterten Kader der Nationalmannschaft wieder. „Ich bin immer vorne reingegangen, wo es brennt“, hat er seinen Typ als Stürmer selbst einmal beschrieben. Doch wieder lockte die geliebte Heimat: 1972 zog es ihn erneut gen Süden – mit 26, im besten Fußball-Alter. „Ich hab´ mir damals manches verbaut, auch die Nationalmannschaft“, sagte er rückblickend. Doch dank der herausragenden Torquote (93 Treffer in 122 Spielen) durfte er als erster 2.Liga-Spieler dann doch noch auf internationalem Parkett ran: Nur einen Tag nach dem B-Länderspiel 1975 gegen Österreich in Augsburg, bei dem er zweimal einnetzte, fuhr er mit Jupp Derwall zur A-Mannschaft nach Wien und kam beim deutschen 2:0-Sieg zu einem 20minütigen Einsatz im DFB-Dress. Sein größter Erfolg sollte aber noch auf ihn warten: Zwei Jahre später gewann Ferdi Keller, jetzt im Trikot des Hamburger SV, an der Seite von Stars wie Manfred Kaltz, Felix Magath und Georg Volkert mit einem 2:0 gegen den RSC Anderlecht den Europapokal der Pokalsieger, war zudem mit 14 Toren bester Torschütze seines Teams. Ein angedachter Wechsel nach Anderlecht, wo Coach Ernst Happel ihn unbedingt haben wollte, scheiterte am Veto des damaligen HSV-Managers Günter Netzer.

Keller-Tore gegen Saarbrücken: Borussias Goalgetter sorgte mit zwei Treffern (oben und unten) für den wertlosen 2:1-Sieg im ersten Spiel. Die Borussen gewannen zwar auch das Wiederholungsspiel, rutschten aber trotz Keller in den Keller. (Fotos: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen)

Stattdessen erlebte der „Gerd Müller der 60er“ das Karriereende im Saarland. Die Borussia, im Sommer 1978 in die 2. Liga Süd aufgestiegen, war nach geglücktem Saisonstart (1:1 gegen Waldhof, 2:3 beim FC Augsburg, 1:0 über den KSV Bauntal) langsam in den Keller gerutscht, und so verpflichtete man den Ex-Nationalspieler des HSV, um aus dem selbigen wieder herauszukommen. Kellers Premiere verlief spektakulär: Am 21. Oktober hatte er bei seinem Einstand gegen die Stuttgarter Kickers schon getroffen, doch ein Phantomtor ließ die Partie aus den Fugen geraten. „Dixie“ Kobels Schuss aus 16 Metern landete an der Haltestange des Tornetzes, der Schiedsrichter erkannte auf Tor, doch das DFB-Schiedsgericht annullierte später nach Protest der Gäste die Tatsachenentscheidung des Unparteiischen und setzte die Partie neu an – Borussia verlor 0:1.

Nur eine Woche nach der Urteilsverkündung der nächste Hammer: Im Lokalderby gegen den alten Rivalen 1. FC Saarbrücken kochen unter den 15.000 Fans die Emotionen hoch, schon vor dem Spiel gibt es Turbulenzen. Drei Ordner der Borussia sehen sich unmittelbar vor dem Block des harten FCS-Fan-Kerns veranlasst, aus Gründen der Abschreckung ihren Hunden den Maulkorb abzunehmen. Einer von ihnen entwickelt den sprichwörtlich gewordenen „Hunger auf Unger“ – Saarbrückens Stürmer muss nach einem Biss ausscheiden, für den Bundesliga-Absteiger aus der Landeshauptstadt Grund genug, das Ergebnis anzufechten. Denn sportlich haben die Borussen das Spiel im Griff, führen dank zweier Tore ihres Torjägers Ferdi Keller mit 2:1. „Borussia hatte das Plus, mit Ferdi Keller einen Mann in ihren Reihen zu haben, der jede sich bietende Gelegenheit zum Erfolg zu nutzen versteht“, benannte die „Saarbrücker Zeitung“ in ihrer Spielnachlese den Hauptverantwortlichen für den guten Borussen-Vortrag an diesem Tag. Wieder wird der Protest beim DFB angenommen. Präsident Kurt Gluding macht in Sarkasmus: „Wir müssen uns wohl allmählich daran gewöhnen, alle Heimspiele zweimal auszutragen.“ Auch wenn Borussia das Wiederholungsspiel mit 1:0 gewinnt, zehrt das alles an den Nerven. Es läuft nicht mehr rund. Trainer Dietmar Schwager nimmt seinen Hut, Herbert Binkert übernimmt das sinkende Borussen-Schiff, aber weder er noch Torjäger Ferdinand Keller (6 Saisontore) können das Blatt wenden. Ehrgeiz und Biss sind verloren gegangen. Borussia kehrt vor allem wegen der schlechten Bilanz auf fremden Plätzen (1 Sieg und 1 Unentschieden in 19 Auswärtsspielen!) als Tabellenletzter ins Amateurlager und Ferdi Keller in die bayrische Heimat zurück.

Beim 2:2 gegen Trier muss sich Ferdi Keller in dieser Szene nicht nur mit Torhüter Werner Vollack (Nr. 1), sondern auch mit zwei Ex-Borussen auseinandersetzen: Reiner Brinsa (li.) und Heinz Histing (re.). (Foto: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen)

Dort wird er ein erfolgreicher Geschäftsmann. Erst verkauft der Ex-Stürmer schwedische Fertighäuser, in Kroatien macht er mit Gesundheitsmatrazen gute Geschäfte. So kann er sich auch in Kapstadt, das zur zweiten Heimat wird, ein Haus leisten, wohin er mit Ehefrau Hilde dem kalten Winter entflieht und so manch prominente Gäste und Gegner aus vergangenen Tagen (u.a. Gladbachs Rainer Bonhof und Herbert Laumen, Düsseldorfs Klaus Allofs, Hamburgs Willi Reimann) empfängt. Auch Dietmar Conrad, Mitspieler im Borussen-Trikot, ist dort herzlich willkommen und leistet Ferdi Keller Gesellschaft bei seiner zweiten sportlichen Passion, dem Golf-Spiel.

Nun ist Ferdi Kellers Zeit auf dieser Welt abgelaufen. Seine Zeit im Ellenfeld war zwar nur kurz, aber intensiv – symbolisiert durch die aufregenden Spiele (inkl. Wiederholungen) gegen die Stuttgarter Kickers und den 1. FC Saarbrücken. Nicht nur als Nationalspieler, sondern auch als ein „klassischer Mittelstürmer, und Strafraumspieler, der genau wusste, wie er laufen musste, um mit schneller Drehung und perfekter Kopfballtechnik zu treffen“ (Spielerlexikon / Enzyklopädie des deutschen Ligafussballs) wird er einen festen Platz in der Borussen-Historie haben. Und nicht zuletzt auch als guter Kamerad! Hab eine gute letzte Reise und ruhe in Frieden, Ferdi Keller! (-jf-)

Weitere Bilder lassen Ferdi Kellers Zeit im Ellenfeld noch einmal aufleben. (Fotos: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen)

2 Kommentare

  1. Ja ein guter Fußballer und Mensch ist von uns gegangen Ich erinnere mich sehr gut als Junger Borussen Fan habe auch alle diese genannten Wiederholungs Spiele gesehen Ich war sehr traurig das es mit Ferdi Keller uns nicht gelungen ist die Klasse zuhalten.Ich habe immer noch seine Autogramm Karte mit dem Schloss Bräu Aufdruck.Lebe Wohl Ferdi.
    Carmelo Profeta ehemaliger Borussen Jugend Trainer

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