Borussia trauert um Hennes Schreier †

Er war beileibe kein Lautsprecher. Im Gegenteil. Bescheiden, ruhig, still – so wie er im Leben war, ist Hennes Schreier nach längerer Krankheit nur wenige Tage vor seinem 84. Geburtstag hinüber gegangen in die andere Welt. „Borussen-Idol, eine treue Seele seines Clubs, ein Fußball-Gentleman aus Neunkirchens großer Zeit, solider Qualitätsarbeiter in der linken Verteidiger-Position“ – heißt es über Hennes Schreier in „Mythos Ellenfeld“, dem Jubiläumsbuch zu Borussias 100jährigem Bestehen. Besser kann man das, was Hennes Schreier ausmachte, nicht auf den Punkt bringen. Über 400 Spiele hat er im schwarz-weißen Dress absolviert, davon 39 in der Bundesliga, wurde mit Borussia 1962 und 1963 Südwestmeister und gleich mehrfach Vizemeister. Endrunden-Teilnahmen um die Deutsche Meisterschaft sowie die Bundesliga-Aufstiegsrunde 1964 und das DFB-Pokalfinale 1959 gegen ETB Schwarz-Weiß Essen gehören ebenfalls zu den Highlights seiner Karriere. Dass Hennes Schreier 2013 anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Bundesliga aus allen Saarländern, die jemals in der Eliteliga gespielt haben, in die „Saarland-Jubiläums-Elf“ gewählt wurde, war da ebenso folgerichtig wie zuvor im Mai 2009 die Auszeichnung mit der Sportplakette durch den damaligen Innenminister Klaus Meister.

Den Sportler und Menschen, seine Mentalität, mit der Hennes Schreier die Borussia lebte, vermag eine Begebenheit in besonderer Weise zu verdeutlichen. Der 27. September 1959 stand im Ellenfeld das Viertelfinal-Spiel im DFB-Pokal gegen den 1. FC Saarbrücken an. Alle Borussen inklusive Hennes Schreier fieberten schon Tage vorher der Partie gegen den großen Lokalrivalen entgegen. Doch der Verteidiger hatte ein Problem: Er musste arbeiten – Frühschicht in der Königsgrube! Mit dem Anschläger, dem Maschinist des Förderkorbes, vereinbarte Hennes Schreier, dass der ihn nach der halben Schicht rausholte. Gesagt, getan. Kaum wieder am Tageslicht angekommen, eilte Hennes Schreier zu Fuß (!) schnellstens ins heimatliche Wellesweiler und von dort ins Ellenfeld. Für die 90 Minuten gegen den FCS warmlaufen musste er sich jetzt nicht mehr – gemeinsam mit seinen Kameraden besiegte er die Gäste aus der Landeshauptstadt mit 1:0 und zog ins Halbfinale ein. Mit einem 2:1 gegen den VfR Mannheim sicherten sich die Borussen die Endspielteilnahme. Das 2:5 in Kassel gegen Schwarz-Weiß Essen hat Hennes Schreier zwar arg geschmerzt, doch sie hat den aufrechten Mann nicht aus der Bahn geworfen.

Pokalfinalist: Hennes Schreier (vierter von links) vor dem Endspiel gegen Schwarz-Weiß Essen im Kasseler Auestadion. (Foto: Mythos Ellenfeld 100 Jahre Borussia)

Was ihn immer wieder beflügelt hat: Der Zusammenhalt, bei dem vor allem das Borussia-Heim eine große Rolle spielte. Hier wurden zwischenmenschliche Beziehungen gepflegt, Konflikte aus Training und Spiel bereinigt. Die sogenannten dritten Halbzeiten waren oft die wichtigsten Stunden für Trainer und Spieler. „Unabhängig davon, dass wir für jeden Trainer eine recht pflegeleichte Truppe waren, herrschte bei uns eine prima Kameradschaft. Die Borussia war in dieser Zeit eine echte Familie, das hat uns stark gemacht“, hat Hennes Schreier einmal gesagt. Dazu hat auch er entscheidend beigetragen. Das können seine Mitspieler Paul Pidancet und Günter Schröder nur bestätigen: „Ein toller Kumpel, mit dem wir uns sowohl auf dem Spielfeld als auch privat sehr gut verstanden haben“, sind sich die beiden einig. Günter Schröder, der im Trainingslager in Kirkel und bei Auswärtsspielen im Hotel mit Hennes Schreier das Zimmer teilte und auf dem Platz auf der rechten Seite sein Verteidiger-Pendant war, hat noch in bester Erinnerung, „wie wir nach den Heimspielen im Borussia-Heim zusammen gegessen und anschließend gemeinsam mit den Frauen nach Haus Furpach zum Tanz gefahren sind. Das war einmalig und hat uns als Mannschaft zusammengeschweißt.“

Sein schönstes Spiel: Hennes Schreier (ganz links) feierte mit seinen Kameraden 1960 in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft einen sensationellen 4:2-Sieg im Wildparkstadion beim favorisierten Südmeister Karlsruher SC. (Foto: Hoch lebe Eisen – 75 Jahre Borussia)

Als Stürmer war Hennes Schreier von seinem Heimatclub SSV Wellesweiler ins Ellenfeld gekommen – ein Weg, den sein wenig älterer Bruder Horst Schreier (131 Oberligaspiele für Borussia) schon vor ihm gegangen war. Trainer Bernd Oles hatte für Hennes Schreier allerdings Defensivaufgaben vorgesehen – und er fügte sich: „Ich musste das spielen, was der Trainer wollte!“ Nicht zu seinem Schaden, wie sich herausstellte. Denn souverän versperrte er seinen Gegnern in den Weg, auch wenn sie Uwe Seeler hießen und Nationalspieler waren. Das 4:2 beim ungeschlagenen Südmeister Karlsruher SC in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft hat Hennes Schreier einmal als sein schönstes Spiel im Borussen-Trikot bezeichnet, da hat der junge Verteidiger eine Sternstunde erlebt und war besonders motiviert: „Die Karlsruher Zuschauer wollten uns schon vor dem Anpfiff lächerlich machen, aber denen haben wir es dann gezeigt.“ Sein stärkster Gegenspieler: Frankfurts Nationalspieler Richard Kreß, der beim Hakenschlagen „de Schreier Hennes“ schon mal hinter sich ließ. „Mit allen anderen Gegnern bin ich ziemlich klar gekommen.“

Auch nach seiner aktiven Karriere war die Borussia für Hennes Schreier Herzenssache. Auf verschiedenen Ebenen war der städtische Angestellte lange im Ellenfeld tätig – ob als sachkundiges Mitglied im Spielausschuss oder als Trainer der A-Jugend, wo er auch mit unkonventionellen Methoden versuchte, den schwachen rechten Fuß zu schulen: „Den Ball so weit den Berg hochschießen, bis er wieder ganz zu dir zurückrollt“, das hat Schreier-Schützling Stefan Kuntz bis heute nicht vergessen. Als Trainer engagierte sich Hennes Schreier zudem bei seinem Heimatverein SSV Wellesweiler.

Borussia verneigt sich vor der Lebensleistung von Hennes Schreier und ist in Trauer um einen großartigen und fairen Menschen und Sportler mit seiner Frau und seinem Sohn Patrick verbunden. Im Ellenfeld wird dem engagierten Borussen mit der Nummer 3 auf dem Rücken stets ein ehrendes Andenken bewahrt bleiben. (-jf-)

Erinnerungen an Hennes Schreier (Fotos: Mythos Ellenfeld – 100 Jahre Borussia / Hoch lebe Eisen – 75 Jahre Borussia / 90 Minuten: Mit Ferdi Hartung in die Bundesliga)

Neu im Ellenfeld: Als junger Spieler schlüpfte Hennes Schreier 1958 ins Trikot der Borussia

… und bewährte sich gleich als linker Verteidiger in den Endrundenspielen um die Deutsche Meisterschaft gegen den Hamburger SV (oben) und Uwe Seeler (unten).

Beim „Scherenschlag“ 1963 gegen Borussia Dortmund (oben, Nr. 3) als auch 1964 im Schneegestöber gegen Hertha BSC (im dunklen Triot unten links mit Teamkamerad Erich Leist) machte Hennes Schreier seinen Gegnern das Leben schwer.

Schau mir in die Augen, Freund: Hennes Schreier (links) und Gerd Peehs kamen sich im Kopfballduell gegen den Hamburger SV (im August 1965) ganz nahe.

Erfolgreicher Jugendtrainer: Sowohl mit der B1- (oben) als auch mit der A1-Jugend (unten) wurde Hennes Schreier (jeweils rechts) 1974 Saarlandmeister.

3 Kommentare

  1. Mein Lebensgefährte hat ihn gekannt und geschätzt als liebenswerten
    Mensch und guten Fußballer!
    Ruhe in Frieden
    IA von Wolfgang Seyler
    Karin Weidner

  2. Guten Morgen,
    ich habe in meiner Zeit bei der Borussia viele jahre den Hennes als super guten Kumpel und Menschen kennenlernen dürfen. Er war ein einzigartiger bescheidener Mensch.
    Hennes… ruhe in Frieden
    Dein Kumpel
    Dirk

  3. Hallo,
    Soeben habe ich die schmerzliche Nachricht erhalten.
    Sie macht mich sehr traurig.
    Hannes holte mich als A Jugendspieler vom SV Altstadt zur Borussia. Er war nicht nur Trainer, er war Freund, ja sogar eine Vaterfigur für mich. Er stand immer mit Rat und Tat zur Seite.
    Dass ich persönlich ihm sehr viel zu verdanken habe, werde ich nie vergessen.
    Er war in allen Belangen ein großes Vorbild.
    Mach‘s gut Trainer.
    Dein Libero Uwe Grub

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