Als der Winter noch Winter war

Aus der traditionsreichen Historie der Borussia: Im Januar 1965 und 1966 ein bärenstarkes Spiel gegen den amtierenden Meister 1. FC Köln und ein Pokalsieg am Gladbacher Bökelberg

Unser Bild: Freundschaftlich ging es zu zwischen der Borussia und dem amtierenden Meister 1. FC Köln im Ellenfeld – symbolisch diese Szene, als Anton Regh (re.) Borussias „gefallenem Engel“ Elmar May (im Tor) wieder auf die Beine hilft. (Foto: 90 Minuten – mit Ferdi Hartung in die Bundesliga):

Die Winterpause war diesmal extrem kurz. Ganz früh, schon am 2. Januar, setzte in diesem Jahr die Bundesliga, coronabedingt unter enormem Termindruck, ihre Runde fort. So früh wie nie? Irrtum! Es wurde lediglich der Frühstart-Rekord eingestellt. In einer Zeit, in der es in deutschen Landen noch einen richtigen Winter gab, machten der VfB Stuttgart und der 1. FC Nürnberg (1:1) bereits am Silvestertag 1964 (!) den Auftakt in die Rückrunde. Die Liga zählte noch 16 Vereine, die Anstoßzeit war in allen Spielen 15.00 Uhr, Spielerwechsel waren nicht erlaubt, feste Rückennummern noch nicht vergeben. Ein Sieg brachte lediglich zwei Punkte und höchstens zwei Ausländer pro Team waren erlaubt. Fakten wie aus einer anderen Welt!

Der 19. Dezember 1964 war der letzte Spieltag vor Weihnachten. Die Borussia hatte sich im Ellenfeld mit 1:1 vom 1. FC Nürnberg getrennt. Doch trainiert wurde anschließend weiter, Trainer Horst Buhtz bat seine Schützlinge sogar an Heiligabend auf den Platz! Der Winter präsentierte sich wie aus dem Bilderbuch, fast überall Schnee. Das erfreute die Kinder, erschwerte aber den Fußballbetrieb. So mussten Anfang Dezember die Borussen und die Herthaner aus Berlin beim 2:2 im Ellenfeld auf einer zentimeterhohen Schneedecke im Kampf um den Ball ihre Standfestigkeit beweisen.

Schneeboden statt Rasenheizung – so wie hier in Nürnberg sahen die Plätze im Winter 1968 aus. Doch ob Borussias Coach Zeljko Cajkovski (li.) und FCN-Trainer Max Merkel über die Platzverhältnisse diskutieren, ist eher unwahrscheinlich. Der „Glubb“ besiegte die Borussia auf dem Wege zu seiner neunten und letzten deutschen Meisterschaft mit 3:0. (Foto: 90 Minuten – mit Ferdi Hartung in die Bundesliga)

Zum Jahreswechsel 1964/65 war angesichts des frühen Starts des Spielbetriebs kein Kicker bei seiner Familie. Die Mannschaften, die auswärts spielen mussten, saßen in Zügen, Bussen oder Hotels. Zu diesen Teams gehörte auch die Borussia, die am 2. Januar im Dortmunder Stadion „Rote Erde“ anzutreten hatte. Gastgeber Dortmund hatte seine Spieler am 31. Dezember schon ab Mittag in der Westfallenhalle kaserniert, „um allen Verlockungen am Jahresende aus dem Weg zu gehen“, wie das Fachblatt „Kicker“ mit süffisantem Unterton kommentierte. Es sollte sich lohnen: Im Borussen-Duell ließen die Schwarz-Gelben den Schwarz-Weißen mit 5:1 keine Chance.

Auf die Borussen wartete nur eine Woche später eine wahre Herkulesaufgabe. Kein geringerer als der amtierende Meister und Tabellenführer 1. FC Köln machte im Ellenfeld seine Aufwartung. Zwar hatten die Borussen im Hinspiel bei der unglücklichen 3:4-Niederlage (nach 3:1-Führung) viel Selbstbewusstsein getankt und Sympathien eingeheimst, doch sollte eine solche Leistung gegen das Top-Team von Trainer Georg Knöpfle mit Stars wie Wolfgang Weber, Wolfgang Overath und den Torjägern Christian Müller und Karl-Heinz Thielen nochmal möglich sein?

Sie war es! „Die Saarländer kämpften wie die Löwen und hatten auch die entsprechende Kondition über 90 Minuten“, notiert die Website fussballdaten.de in ihrem Spielbericht. Die Borussen ließen sich auch durch die frühe Führung der Rheinländer nicht entmutigen. Nach 15 Minuten hatte Sturm Wolfgang Weber steil geschickt, der sich um Erich Leist herumdrehte und trocken einschoss. Vor und nach der Pause hatte Borussia ihre beste Phase. Günter Heiden und Erwin Glod scheiterten noch, aber Elmar May gelang auf Heidens Vorlage kurz vor dem Halbzeitpfiff von Schiedsrichter Franz Heumann der verdiente Ausgleich. Bis zur 60. Minute sah das Publikum eine reine Kölner Abwehrschlacht, in der die Borussen den favorisierten Gegner am Rande einer Niederlage hatten. Doch das Zielwasser war offensichtlich zu gering dosiert, so dass es am Ende beim Remis blieb. Den Aufwärtstrend konnte Borussia am Wochenende darauf bestätigen: Mit 2:1 gewannen die Mannen von Horst Buhtz beim Hamburger SV, den man schon im Hinspiel im Ellenfeld mit 3:1 besiegt hatte.

Borussen-Duell am Bökelberg gleich zweimal in zwei Wochen: In der Bundesliga siegte Gladbach mit 4:1 trotz dieser Torchance für Elmar May (weißes Trikot gegen Keeper Manfred Orzessek, rechts Berti Vogts), im Pokal 14 Tage später gelang der Borussia aus dem Ellenfeld mit 1:0 (nach Verlängerung) die Revanche. Bange Blicke kennzeichnen die Gladbachr Abwehrmauer nach einem Freistoß von Günter Kuntz (Mitte, weißes Trikot). (Fotos: 90 Minuten – mit Ferdi Hartung in die Bundesliga)

Ein Jahr später (1966) hatten die Borussen es im Januar gleich zweimal mit dem Kölner Erzrivalen aus Mönchengladbach zu tun. In der ersten halben Stunde der Bundesligapartie am Bökelberg gab es trotz eines energisch verteidigenden Berti Vogts noch einige Chancen. Elmar May sprintete in eine Rückgabe, wurde von Gladbachs Torhüter Orzessek sehr hart attackiert; als beide noch am Boden lagen, hatte Heinz Simmet die Führung auf dem Fuß, schoss aber unkonzentriert den auf der Linie postierten Herbert Wimmer an. Nach 30 Minuten wendete sich das Blatt, die Elf vom Niederrhein bekam dank Regisseur Günter Netzer das Spiel mehr und mehr in den Griff und ging durch Rudi Pöggeler kurz vor der Halbzeit in Führung. Bernd Rupp legte nach 49 Minuten nach, ehe Günter Heiden postwendend (50.) den Anschlusstreffer schaffte. Doch nachdem Netzer und erneut Rupp binnen drei Minuten (65. / 68.) auf 4:1 erhöht hatten, war für den saarländischen Bundesligavertreter „de Käs gess“.

Doch zwei Wochen später gelang die Revanche. Im DFB-Pokal gelang der Borussia mit 1:0 am Bökelberg der einzige Sieg während der gemeinsamen Bundesligazeit mit dem Namensvetter aus Mönchengladbach. Allerdings war dazu neben einem bärenstarken Willi Ertz zwischen den Pfosten zugegebenermaßen eine gehörige Portion „Dusel“ notwendig. Nach 90 Minuten waren vor nur 5000 Fans noch keine Treffer gefallen, erst drei Minuten vor dem Ende der Verlängerung (117.) „kegelte“ Elmar May mit seinem „goldenen Tor“ auf Platzverhältnissen, bei denen heute wohl kein Profispiel mehr angepfiffen würde, die Jungs von Hennes Weisweiler aus dem Pokalrennen. Aber schon in der nächsten Runde ereilte auch die Borussen beim 0:4 im Volksparkstadion gegen den Hamburger SV der K.o. Die Pokalträume der Borussen waren ausgeträumt. (-jf-)

1 Kommentar

  1. Hoffen wir dass die vor weit über 50 Jahren so erfolgreiche Borussia aus
    Neunkirchen/Saar den Erwartungen der noch verbliebenen Fans ggflls noch vor Ostern gerecht werden kann.
    Mit sportlichen Grüßen
    A.S.

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