Offizielle Einweihung des Willi-Ertz-Weges am Samstag anlässlich des Heimspiels der Borussia im Ellenfeld-Stadion gegen den VfB Dillingen
„Williiiiii, Williiiiii, Williiiii“ – Mit großer Phonstärke erschallten jahrelang langgezogene Schlachtrufe durch das weite Rund des Ellenfeld-Stadions. Sie galten einem Mann, der ein gutes Stück Neunkircher Fußballgeschichte verkörpert: Willi Ertz. In seiner sportlichen Vita findet sich, sieht man von einem späteren Trainer-Intermezzo beim SV Martinshöhe (1981 – 1984) ab, nur ein einziger Verein: Borussia. In den Zeiten des sogenannten modernen Fußballs undenkbar. Nun erfährt Borussias Torwart mit Legendenstatus, der am 5. Juli 2018 plötzlich und viel zu früh im Alter von 75 Jahren verstorben ist, am kommenden Samstag im Ellenfeld posthum eine ganz besondere Ehre: Die Einweihung einer Straße, die nach ihm benannt ist. Eine Abzweigung der Talstraße in das Wohngebiet Munklerswies wird zukünftig „Willi-Ertz-Weg“ heißen. Anlässlich des Heimspiels der Borussia gegen den VfB Dillingen findet in der Halbzeitpause ein kleiner Festakt statt. Zu diesem Anlass ein Blick zurück auf die großartige Karriere von Willi Ertz.
Sagenhafte 750 Spiele hat er für die Borussia absolviert, darunter 44 Bundesligaspiele. 70mal stand er in der 2.Liga im Kasten, 153mal in der Regionalliga, 11mal im DFB Pokal. 1971/72 blieb er 950 Minuten ohne Gegentor, was dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ ein Bericht wert war. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Bundesliga wählten Fans Ertz 2013 in eine „Saarland-Jubiläums-Elf“. Zur Wahl standen alle Saarländer, die seit 1963 in der Bundesliga spielten. Auch nach der aktiven Laufbahn war Willi Ertz fünfzehn Jahre lang als Co- und Torwarttrainer engagiert. Ein Beitrag über ihn in „Mythos Ellenfeld“, dem Jubiläumsbuch zum hundertjährigen „Vereinsgeburtstag“, wird deshalb zurecht in die Rubrik „Ein Leben lang Borussia“ eingefügt.
Im zarten Alter von 11 Jahren fing der Torwart bei Borussia mit dem Fußballspielen an. Doch der junge Willi Ertz hatte mehrere sportliche Vorlieben: Tischtennis und Handball hatten es ihm ebenfalls angetan. Tischtennis betrieb der Torwart mit Gardemaß (1,91 m) für den TuS 1860 und die DJK Scheib. Feldhandball, eine heute kaum noch bekannte Sportart, in der Jugend beim TuS Neunkirchen, später bei Borussia, aber nicht im Kasten, sondern als erfolgreicher Torewerfer! Erst mit dem Bundesliga-Aufstieg 1964 hatte der Fußball absolute Priorität. In der Rückrunde der Spielzeit 1963/64 schlug dann seine große Stunde: Willi Ertz, der Trainer Hans Pilz als seinen Entdecker bezeichnet, schaffte unter Horst Buhtz den Sprung ins Borussen-Tor. Mit Konkurrent Horst Kirsch sei er, so betont Willi Ertz, dennoch menschlich immer gut klargekommen: „Wenn zwei gleichwertige Torhüter da sind, kann halt immer nur einer spielen“, sagt er. Und hatte kein Problem damit, sich auch wieder auf die Bank zu setzen und dem Rivalen die Daumen zu drücken.
Ein Spiel katapultierte Willi Ertz mit einem Schlag in die Schlagzeilen und ließ ihn für alle Zeiten zu einer Borussia-Legende werden. München, Stadion an der Grünwalder Straße, 20. Juni 1964. Es war ein regnerischer Nachmittag, als Borussia in der Bundesliga-Aufstiegsrunde beim hohen Favoriten FC Bayern antrat. Mit seinen Reflexen und Paraden trieb der lange Torhüter die Münchner Offernsive nahezu zur Verzweiflung. Die Zeitungslandschaft übertraf sich in Superlativen, bescheinigte ihm eine „Weltklasse-Leistung“, sprach vom „Mann mit den tausend Händen“. 2:0 siegte Borussia nach 90 Minuten – dank Willi Ertz und den beiden Toren von Günter Kuntz und Karl Ringel. „Langes Ertz hat gekostet FC Bayern eine Jahr Bundesliga“, radebrechte später der kugelrunde Bayern-Coach Tschik („Stummel“) Cajkovski. Wer hat den Bayern jemals wieder eine solche Schmach bereitet?
In den Jahren darauf erlebte der Kult-Keeper im Ellenfeld eine Berg- und Talfahrt. 1966 der erste Abstieg aus der „bel etage“ des deutschen Fußballs, 1967 souveräne Südwest-Meisterschaft und erneuter Aufstieg, 1968 dann wieder runter in die Regionalliga mit erfolgreiche Zeiten, Titelgewinnen und Teilnahmen an Aufstiegsrunden – doch in die Bundesliga schaffte es der lange Willi mit Borussia nicht mehr. Dass er in der Saison 1971/72 eine Serie von 950 (!) Spielminuten ohne Gegentor hingelegt hat, erfüllt ihn heute noch mit Stolz. Dabei wären es sogar 995 Minuten geworden,hätte Borussia Keeper in der Partie gegen den ASV Landau zur Halbzeit ausgewechselt werden müssen. Diese Serie war sogar dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ einen Beitrag wert. Nebenbei: Den Bundesligarekord hält der ehemalige Stuttgarter und Hoffenheimer Timo Hildebrandt mit gerade einmal 825 Minuten.
1980 schaffte Willi Ertz mit Borussia noch einmal einen Aufstieg – in die damalige 2. Liga Süd. So durfte er seine letzte Saison noch einmal im überregionalen Rampenlicht absolvieren, ehe eine respektable Karriere im Sommer 1981 zu Ende ging. Was freilich nicht sein Ende bei Borussia bedeutete: Nachdem er für drei Jahre die Übungsleitung beim SV Martinshöhe nahe Bruchmühlbach übernommen hatte, kehrte Willi Ertz getreu dem Motto „Alte Liebe lebt!“ ins Ellenfeld zurück und gab ab 1995 als Co- und Torwarttrainer seine vielen Erfahrungen an die junge Borussia-Generation weiter. Dabei nahm er auch einige Male als Interimscoach auf der Bank Platz. Sein größter Erfolg dort: 2001 der Aufstieg in die Regionalliga. 2010 ging der inzwischen 67jährige frühere Maschinenbauer und Dreher der Dillinger Hütte auch sportlich „in Rente“. In Vergessenheit geriet er aber nie. 2013 wurde Willi Ertz anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Bundesliga in eine „Saarland“-Jubiläums-Elf gewählt. In die Saarauswahl war er auch zu aktiver Zeit vom späteren Bundestrainer Jupp Derwall berufen worden. Gegen Griechenland und Holland war er in der deutschen Bundeswehr-Auswahl eingesetzt. Eine Einladung des DFB zum A-Länderspiel in Freiburg gegen England musste er verletzungsbedingt absagen.
Willi Ertz verkörperte die Demut vor dem Spiel. Zurückhaltend, bescheiden, zuverlässig und vereinstreu – all diese Tugenden waren ihm bis zuletzt wichtig und machten den „Neinkeijer Bub“ zu einem echten Sympathieträger Borussias, weit über die Grenzen des Saarlandes hinaus. Deshalb wäre es eine tolle Geschichte, wenn am Samstag beim Spiel seiner Borussia gegen den VfB Dillingen anlässlich der Einweihung des Willi-Ertz-Weges noch einmal möglichst viele Borussen-Anhänger die „Williiiii, Williiii“-Rufe durch das altherwürdige Ellenfeld-Stadion erschallen ließen! (-jf-)
Da kriegt man heute noch Gänsehaut. Eine großartige Idee, für einen Sportler und Menschen, der es mehr als verdient hat!!!