Stilles Ellenfeld

„Markt und Stadion stehn verlassen, still erleuchtet jedes Haus. Sinnend geh ich durch die Gassen, alles sieht so festlich aus. (…) Und ich wandre aus den Mauern bis hinaus ins Ellenfeld. Hehres Glänzen, heil´ges Schauern, alles sieht so festlich aus.“ Mit seinen vielen Menschen sicher bekannten (hier leicht abgewandelten) Versen fängt der große deutsche Lyriker und Schriftsteller Joseph von Eichendorff die winterliche, vorweihnachtliche Atmosphäre nahezu perfekt ein. Der Leser wird regelrecht hineingezogen ins Geschehen und geht mit dem Erzähler mit, der in dieser Szenerie scheinbar der einzige Mensch ist, der zu dieser abendlichen Stunde noch durch die Gegend läuft.

Doch in der beschriebenen Besinnlichkeit schwingt, liest man die Zeilen in diesen Zeiten, auch eine Portion Melancholie und Sehnsucht mit. Denn gerade jetzt spielt sich das Leben – pandemie-bedingt – mehr als gewünscht in den Häusern ab. Ob hinter den Fenstern und Mauern allerdings derzeit überall wirklich alles „so festlich aussieht“ wie in Eichendorffs Versen, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.

Zu den „lost places“ der augenblicklichen Tage mit reichlich wenig Festlichkeit gehört auch unser geliebtes Ellenfeld-Stadion. Dort, wo sich sonst allwöchentlich kampfbetonte Szenen auf dem grünen Rasen abspielen, wo Jubel und Jammer oft dicht beieinander liegen, herrscht jetzt gespenstische Stille. Wenn man genau hinhört, glaubt man fast das leise Flüstern der Steine zu hören. Da mag manch einen Besucher der Wunsch überkommen: Wenn die nur erzählen könnten! Erzählen würden sie von großen Siegen, von Bundesliga-Aufstiegen, von Pokal-Schlachten, von Gänsehaut-Feeling, von Zuschauermassen auf den Betonstützen der noch unfertigen Spieser Kurve und dem Dach der Sporthalle, vom Borussen-Leo und seinen Fan-Zelebrationen, aber auch von Enttäuschung und Frust, Trauer und Tränen, Abstiegen und Abschieden – alle Paletten fußballerischer Emotionen hat das steinerne Monument, schweigend wie ein Grab, in sich aufgenommen. „Hier trotzte die Borussia in den 1960er Jahren den Großen der Zunft, widerstand als kleinste deutsche Bundesligastadt den Angriffen der Kicker aus München, Köln und Hamburg. Wer die Augen schließt und die Steine des Ellenfelds auf sich wirken lässt, kann sie heute noch sehen, die wirbelnden Borussen in ihren schwarz-weißen Hemden“, ist auf der Internetseite „16vor.de“ zu lesen.

Wirbelnde Borussen in ihren schwarz-weißen Hemden – wann wird man die Jungs um Kapitän Marco Dahler im Ellenfeld wieder wirbeln sehen können? Wann wird es wieder heißen „Tor für die Borussia“? Wann wird die altehrwürdige Arena mit ihren steilen Rängen wieder zum Leben erwachen? Das hat sich auch Susi Welter gefragt. Die Fotografin der Borussia hat sich am 3. Advent aufgemacht und die Stimmung im verwaisten Ellenfeld eingefangen. Dabei sind auch die zahlreichen Werbebanden ins rechte Licht gerückt, mit denen die Unterstützer die Borussia trotz schwieriger Zeiten nicht im Regen stehen lassen. Borussia bedankt sich auf diesem Wege bei allen, die durch ihr wie auch immer geartetes Engagement dazu beitragen, dass der Fußball im Ellenfeld nach der Krise (hoffentlich bald) weiter rollen kann und die Borussen-Herzen wieder höherschlagen lässt. Damit die poetischen Worte Joseph von Eichendorffs auch für das historische Stadion mit seiner unvergleichlichen Atmosphäre wieder gelten können: „Und ich wandre aus den Mauern bis hinaus ins freie (Ellen)Feld. Hehres Glänzen, heil´ges Schauern, alles sieht so festlich aus.“ (-jf-)

Herzlichen Dank an Susi Welter für die Ellenfeld-Impressionen!

1 Kommentar

  1. Ein hervorragender Beitrag. Die beeindruckenden Stadìonfotos von Susi Welter hat Jo Frisch literarisch perfekt untermalt. Dafür herzlichen Dank an die beiden.

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