Carsten Gier macht kein Hehl daraus, dass sein Herz für die Borussia schlägt. So ist es kein Wunder, dass Neunkirchen in seinem Buch gleich mit sechs Beiträgen vertreten ist. Unter dem Titel „Fußballheimat Saarland“ hat der aus Bous stammende Autor das kleinste Bundesland Deutschlands mit dem Fußballherzen betrachtet und auf höchst spannende und unterhaltsame Weise 100 Orte der Erinnerung in alphabetischer Reihenfolge beschrieben.
Dass er für das Coverbild seines 214 Seiten starken Werkes das Ellenfeld-Stadion gewählt hat, ist aber nicht allein seiner „alten Liebe“ zur Borussia geschuldet. „Das Ellenfeld ist einfach ein wunderschönes Stadion mit viel Charme und Flair. Das Besondere daran: Es ist das einzige reine Fußballstadion in Deutschland, das in der Zeit der Bundesligagründung erbaut wurde und sich in dieser Form bis heute erhalten hat. Zwar weit weg von dem, was man heute unter einem modernen Stadion versteht, aber für alle, die ein Faible für historische Stadionarchitektur haben, ein großartiges Objekt“, erklärt der Hobbyfotograf, der beruflich mittlerweile im Badischen gelandet ist, wo er als technischer Redakteur für Software-Dokumentation und als Programmierer arbeitet. Neben dem Stadion ist Neunkirchen mit weiteren fußballaffinen Stätten in Carsten Giers Buch vertreten: Karl Hocks monumentaler Fußballer-Statue ist ebenso ein Kapitel gewidmet wie der Neunkircher Hütte („Hoch lebe Eisen!“), dem erst kürzlich zu Ehren des legendären Borussen-Torhüters eingeweihten Willi-Ertz-Weg, dem Kaufhaus Joseph Levy Wwe. und der Spielmannsklause.
Kaufhaus Joseph Levy Wwe? Spielmannklause? Für die mit Borussias Historie weniger Vertrauten zur Erinnerung: Als die Borussen 1928 nach dem Brand der alten Holztribüne eine neue Tribüne gebaut und aufgrund ungeahnter Teuerung einen erheblichen Schuldenberg aufgehäuft hatten, sprang Alfons Herzberger, der Leiter des Warenhauses Joseph Levy Wwe., ein und organisierte einen Vergleich zwischen Borussia und ihren Gläubigern. Auf diese Weise wurde der gebürtige Mainzer, der in die Hüttenstadt gekommen war, um die Familie Levy beim Ausbau ihres Geschäftes zu unterstützen und zusammen mit seinem Bruder Julius bald das Gesamtmanagement des gut gehenden Kaufhauses am Stummplatz übernommen hatte, zum stillen, ja fast vergessenen Retter der Borussia. Die „Spielmannsklause“ in der Zweibrücker Straße 39 gehörte – nur etwa 500 Meter vom Ellenfeld-Stadion entfernt – zur in den 60er-Jahren florierenden Kneipenszene. Eröffnet und geführt hat die erfolgreiche Gaststätte Borussias Stürmerlegende Günter Kuntz, der vom VfR Kaiserslautern nach Neunkirchen gekommen war und mit seiner Schusskraft und Treffsicherheit maßgeblich zu Oberliga- und Regionalligameisterschaften und zum Bundesligaaufstieg beigetragen hatte.
Das zeigt: Carsten Gier beschränkt sich in seiner Auswahl nicht allein auf die sportlichen Stätten. „Besondere Geschichten“ und „diverse Persönlichkeiten, die den Saar-Fußball prägten, auch jenseits des Fußballfeldes“, zum Teil in versteckten Winkeln, wurden berücksichtigt. „Die Jahre als autonomer Staat machen das Saarland als Fußballregion besonders, und in diese Zeit verweisen nicht wenige der Orte, die ich ausgewählt habe“, so der Autor, der auch zur Sulzbacher Festhalle, in der 1947 der Saarländische Fußballverband gegründet wurde, zum ehemaligen Sitz des französischen Hochkommissariats, das 1949 auf einem eigenständigen saarländischen Spielbetrieb bestanden hatte, den Jahnplatz („Dort, wo der FCS laufen lernte“) oder zum Funkhaus Halberg, die Heimat des Saarländischen Rundfunks mit seiner Fußballberichterstattung, Wissenswertes und Interessantes zusammengetragen hat. Weitere Stationen des Buches: Köllerbach, wo sich hinter einem Tor wie eine vergessene Filmkulisse der Rest einer Burgruine erhebt, oder Dudweiler, wo in den Jahren des Krieges im Vereinsheim ein Wehrmachtsbordell betrieben wurde. Unzählige Vereinschroniken, Websites, Archive und Literatur dienten Carsten Gier als Informationsquelle, „Infos über persönliche Kontakte waren in Corona-Zeiten natürlich schwierig zu organisieren“, so Carsten Gier, der regelmäßig und gerne in seine saarländische Heimat zurückkehrt. Insofern darf das Buch auch als kleine Liebeserklärung zum Fußball im Saarland und seinen Sportstätten verstanden werden.
Hätte er drei Wünsche frei, so drehen die sich natürlich um seine alte Liebe Borussia: „Dass Borussia Neunkirchen nochmal im DFB-Pokalfinale gegen Schwarz-Weiß Essen spielt und gewinnt. Auf jeden Fall der Erhalt des Ellenfeld-Stadions, eventuell mit Denkmalschutz. Für Borussia Neunkirchen und alle anderen Vereine, die im gehobenen Amateurfußball unterwegs sind, mehr Aufmerksamkeit in den Medien und mehr Zuschauer auf den Rängen“, sagt Carsten Gier in einem Interview, „das hätten die Vereine nämlich verdient!“ (-jf-)
„Fußballheimat Saarland. 100 Orte der Erinnerung.“ Das Buch von Carsten Gier ist als Paperback im arete-Verlag erschienen, kostet 18,- Euro und sollte in keinem Bücherregal eines saarländischen Fußballfans fehlen!
Zum Autor: Carsten Gier wuchs in Bous auf und arbeitet hauptberuflich als Software-Entwickler. Nebenbei schreibt und fotografiert er für das Fußallmagazin „Zeitspiel“, verfasst Beiträge für die Buchreihe „Zeitspiel-Legenden“ und unterhält eine Website über die Oberligavereine im Südwesten (www.suedwest-fussball.de).
Sehr schöner informativer Bericht