Ein Leben mit hoffentlich ganz viel Nachspielzeit

Günter Kuntz wird heute 85 Jahre alt / Als gefürchteter Torjäger Teil der Borussia-Erfolgsgeschichte in den 60er Jahren / Vom Erbsenberg ins Ellenfeld: In Neunkirchen heimisch geworden / Kritisch-wohlwollender Begleiter und Förderer der Karriere von Sohn Stefan, deutscher Meister, Pokalsieger und Europameister

Unser Bild: Highlight einer langen erfolgreichen Karriere – der 2:0-Sieg beim FC Bayern in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga 1964, zu dem Günter Kuntz (Mitte) mit seinem Tor zum 2:0 einen entscheidenden Beitrag leistete. (Foto: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen)

Vom Weltmeistermacher Sepp Herberger stammt sie, die alte Fußball-Weisheit: „Ein Spiel dauert 90 Minuten.“ Manchmal aber auch länger, erst recht im Pokal. Überträgt man das auf ein menschliches Erdenleben, dann hat Günter Kuntz am heutigen 28. November 85 Minuten auf dieser Welt seinen Mann gestanden. 85 Minuten erfüllt mit Freud´ und Leid, 85 Minuten mit Kampf und spielerischer Leichtigkeit, 85 Minuten mit Glück und Pech, 85 Minuten mit Aufstieg und Abstieg, 85 Minuten in Schwarz-Weiß und ganz viel Farbe.

Auf den Schultern tragen sie damals ihre Helden vom Platz, die Fans mit ihren schwarz-weißen Fahnen an jenem heißen Tag Ende Juni im Glutofen Ludwigspark vor nunmehr fast 60 Jahren. Die Borussia hat gerade Tasmania Berlin 1:0 geschlagen und mit einem „finale furioso“ einer nicht für möglich gehaltenen Aufstiegsrunde die Krone aufgesetzt. Mitten drin statt nur dabei: Günter Kuntz. Sicher ein unvergessliches Highlight in seiner Karriere. Dass Borussia überhaupt dieses Endspiel erleben darf, ist mit sein Verdienst. Denn Günter Kuntz hat eine Woche zuvor beim sensationellen Auswärtserfolg im Stadion an der Grünwalder Straße beim FC Bayern den entscheidenden Treffer zum 2:0 erzielt und damit die hochfavorisierten Münchner zu einer Ehrenrunde in der Regionalliga verdonnert. Heute wird der damals 25jährige 85 Jahre alt. „Tempus fugit“ haben die alten Römer gesagt – Kinder, wie die Zeit vergeht!

Vom Erbsenberg ins Ellenfeld: Der junge Günter Kuntz im Borussen-Trikot (oben). Schon 1962 kam der Stürmer (2. v. re.) gemeinsam mit seinen Teamkameraden (v.l.) Günter Schröder, Elmar May, Karl Ringel und Pau Pidancet zu Meisterehren: Titelgewinn in der Regionalliga Südwest! (Fotos: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen)

Im Sommer 1960 kommt Günter Kuntz aus seiner Geburtsstadt Kaiserslautern ins Ellenfeld. Auf dem Erbsenberg beim VfR hat er sich zuvor seine ersten Fußball-Lorbeeren verdient. Zum großen Nachbarn 1. FCK auf den Betzenberg war er nur deshalb nicht gewechselt, weil es damals nicht üblich war, das blaue (VfR) gegen das rote Trikot (FCK) zu tauschen. Doch Günter Kuntz wird schnell heimisch im Saarland, gründet in Neunkirchen seine Familie, die Söhne Stefan und Michael erblicken das Licht der Welt, in Furpach wird ein Haus gebaut. „Wir fühlen uns hier sauwohl“, sagt der Pfälzer, der schnell ein Saarländer wird. Auch sportlich läuft es rund: Mit dem Angreifer Günter Kuntz holen die Borussen in den letzten drei Jahren der alten Oberliga-Ära zweimal die Vizemeisterschaft, 1962 gar den Titel und vertreten den Südwesten mehr als achtbar in den Endrunden um die deutsche Meisterschaft. Dass trotz der Erfolge bei Gründung der Bundesliga der Rivale aus Saarbrücken den Vorzug erhielt, „war zwar für uns Spieler und die ganze Stadt ein schwerer Schlag“, so Günter Kuntz, doch die Genugtuung, dass die Borussia ausgerechnet dann, als der FCS absteigt, den Aufstieg schafft, gleicht die Verbitterung schnell wieder aus. Platz zehn gleich in der ersten Saison ist für die kleinste Bundesligastadt die nächste Sensation, zu der auch Günter Kuntz mit 20 Einsätzen und sieben Treffern sein Scherflein beisteuert. Der beidfüßig starke Stürmer steigert zwar im zweiten Jahr seine persönliche Bilanz und avanciert zum Torjäger (28 Spiele, 13 Tore), kann aber den Abstieg in die Regionalliga nicht verhindern. Ein Jahr später ist Borussia mit Kapitän Kuntz wieder oben, macht mit einem 1:1 bei Schwarz-Weiß Essen die Rückkehr in die Bundesliga perfekt – allerdings nur für eine Saison. Nach 32 Spielen mit zwei Toren verabschiedet sich Günter Kuntz vom Ellenfeld und Borussia von Liga 1, als erste Fahrstuhlmannschaft der Bundesliga-Geschichte.

Denn Günter Kuntz´ Qualitäten haben sich derweil auch international herumgesprochen. Bei der Wiener Austria findet der jetzt 29jährige eine neue sportliche Heimat, in der er gleich zweimal österreichischer Meister wird und die Spiele im Europacup der Landesmeister gegen Dynamo Kiew und den AC Florenz miterlebt. So ganz nebenbei wird auch der Grundstein für die spätere Karriere von Sohn Stefan gelegt: „Wenn wir in Österreichs Fußballtempel Praterstadion Training hatten, begleitete mich der Stefan mit seiner `Quetsch´ und tobte sich auf einem Nebenplatz aus“, erinnert sich Günter Kuntz noch heute gut an die Fußballbegeisterung, die der Sohnemann vom Vater geerbt hat. 1970 dann die Heimkehr an die liebgewonnene Blies und 1971, gemeinsam mit Trainer Kurt Sommerlatt und Mittelfeldspieler Gerd Zewe, der erneute Titelgewinn in der Regionalliga Südwest. Seine Routine macht Günter Kuntz jetzt zu einem herausragenden Libero.

Günter Kuntz in seinem Element: Beim 2:1-Sieg gegen den 1. FC Köln im März 1966 lässt Borussias Goalgetter mit zwei Toren (oben und unten) FC-Keeper Fritz Ewert keine Chance und das Ellenfeld beben! (Fotos: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen)

Der Borussia bleibt er auch nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn treu. Hier hat er längst Wurzeln geschlagen, engagiert sich in verschiedenen Funktionen vom Co-Trainer bis zum Spielausschussvorsitzendem, kickt noch lange in der Traditionsmannschaft mit. In seiner Gaststätte „Spielmannsklause“ ist Fußball Thema Nummer eins, erst recht, als Sohn Stefan, der mit Einwilligung des Vaters bereits mit 17 Jahren in Borussias erste Mannschaft aufrückt, in der Bundesliga in Bochum, Uerdingen und Kaiserslautern Karriere macht. Die hat der Vater mit wohlwollendem Rat stets kritisch-konstruktiv, „aber nicht mit der Peitsche“, wie er einmal sagte, gefördert und begleitet. Und ihm manches schon mit in die Wiege gelegt: Den Ehrgeiz, den unbeugsamen Willen zum Sieg, Kampf und Einsatz. Als sich Stefan Kuntz 2017 ins goldene Buch der Stadt Neunkirchen einträgt und Festredner OB Jürgen Fried angesichts der Bodenständigkeit des U21-Nationaltrainers attestiert, dass in der Erziehung nicht alles falsch gelaufen sein könne, ist das für Günter Kuntz und Ehefrau Christa die Bestätigung, dass ihrem Leben nicht nur auf sportlichem Sektor großer Erfolg beschieden ist.

Dennoch: Der unerwartete Sprung in die Bundesliga und der Sieg bei den Bayern bleibt ein Höhepunkt. Unwiederholbar, unvergleichlich. „Es war eine Gemeinschaft, ein richtiger Zusammenhalt hier in der Stadt. Alle Leute waren auf den Beinen, unsere Vereinskneipe platzte aus allen Nähten, die Ränge waren voll, an jeder Ecke sprachen die Menschen nur über Borussia und den Fußball“, erinnert sich Günter Kuntz und ordnet die kaum hoch genug einzuschätzende Bedeutung des erfolgreichen Vereins für die Stadt ein: „Die Borussia – das war was! Die Borussia hat mit ihren drei Jahren Bundesliga Neunkirchen damals in Deutschland erst richtig bekannt gemacht. Vorher hat doch keiner gewusst, wo Neunkirchen liegt.“ Die Unternehmen, die Stadt, die Borussen – man habe zusammengehalten in jener Zeit, auch dadurch sei der Höhenflug möglich gewesen. Günter Kuntz blutet das Herz, wenn er die heutige Situation mit der glorreichen Bundesligazeit vergleicht. Aber er ist auch Realist, weiß, dass sich die Verhältnisse im modernen Fußball grundlegend verändert haben: Die Stadt sei zu klein, das wirtschaftliche Potential zu gering, um an die früheren Erfolge anzuknüpfen, resümiert der Ex-Stürmer. Der Verein müsse sich von hochfliegenden Plänen verabschieden und wieder auf die Jugend setzen, das gebiete die Vernunft, das sei der Club den treuen Fans schuldig, auch wenn es ein längerer Prozess sei – so seine Botschaft.

Wenn Günter Kuntz heute seinen 85. Geburtstag feiert, dann gratuliert ihm die ganze Borussen-Familie und darüber hinaus das ganze Fußball-Saarland und wünscht alles Liebe und Gute, Gesundheit, Glück und Zufriedenheit. Verbunden damit ist ein herzlicher Dank und großer Respekt vor seiner Lebensleistung und allem, was Günter Kuntz in verschiedenen Aufgabenbereichen für die Borussia und den Fußball getan hat. „Ein Spiel dauert 90 Minuten.“ Manchmal auch länger, erst recht im Pokal. Möge Günter Kuntz´ Leben ein Pokalspiel sein: Mit Verlängerung und ganz viel Nachspielzeit – ad multos annos, lieber Günter! (-jf-)

In einigen (zum Teil bislang unveröffentlichten) Fotos blicken wir zurück auf Günter Kuntz´ erfolgreiche Karriere im Trikot der Borussia. (Fotos: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen Ferdi Hartung)

6 Kommentare

  1. Herzlichen Glückwunsch lieber Günter, alles Gute und bleib uns noch lange erhalten.
    Du hast viel für unsere Borussia geleistet, dafür danke ich Dir!
    Hoch lebe Eisen und Unser Günter
    Jens Kelm

  2. Herzlichen Glückwunsch zum 85. Geburtstag Günter! Bleib gesund und munter! Feier gudd im Kreise Deiner Lieben!👍🍀👍🍀👍🍀👍🎂🎂🎂🎂🥂🍾🥂🍾🥂🍾🥂🍾🥂🍺🍺🍺🍺🍺🍺🍺

  3. lieber Günter,
    Herzliche Glückwünsche aus meiner jetzigen Heimat Mallorca, zu deinem 85.Geburtstag! viele liebe Grüsse. Ich bewahre seit vielen Jahren die schönen Erinnerungen an die „Borussia Familie“

  4. Ein herzliches Dankeschön für den tollen Bericht und die zahlreichen Glückwünsche! Wir durften im Kreise der Familie mit vier Generationen feiern und Günther hat sich sichtlich gefreut.
    Beste Grüße an alle Freunde der Borussia !

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