Aus Borussias Historie: Heute vor 56 Jahren 2:1-Sieg im Ellenfeld gegen den 1. FC Kaiserslautern
Bild des Tages: Kommt ein Elmar geflogen! Die entscheidende Szene im Ellenfeld – Elmar May (rechts) war herangerauscht und feuerte die Lederkugel mit vorbildlicher Schusshaltung und aller Gewalt an FCK-Torhüter Schindler vorbei ins Netz… (Foto: 90 Minuten – mit Ferdi Hartung in die Bundesliga, Band 1: Borussia Neunkirchen)
Der 1. FC Kaiserslautern kommt! Auch nach dem Karriere-Ende des legendären Fritz Walter, Kapitän der Weltmeister von 1954 und Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft, der im Sommer 1959 die Fußballstiefel an den Nagel gehängt hatte, sorgten die Gastspiele der Roten Teufel in der alten Oberliga Südwest für Zuschauerrekorde. Das war heute vor 56 Jahren im Ellenfeld nicht anders, zumal die Pfälzer sich nach einer kleinen Durststrecke in diesem Frühjahr 1963 anschickten, an glorreiche Zeiten anzuknüpfen. Als Tabellenführer kam der FCK an jenem Sonntag ins Saarland, sieben Punkte betrug der Vorsprung auf die Borussia, die im letzten Oberliga-Jahr erbittert um jeden Punkt kämpfte. Denn es galt, in einem ziemlich umstrittenen und nicht in allem transparenten Qualifikationsverfahren vielleicht doch noch einen Platz in der zukünftigen Bundesliga zu ergattern. Die neue höchste Spielkasse, auf einem außerordentlichen Bundestag des DFB beschlossen, warf in jenen Tagen bereits ihre Schatten voraus.
So säumten denn auch mehr als 15 000 Fans das Spielfeld des noch nicht umgebauten alten Ellenfeld-Stadions, als die Lauterer in traditionellem Wein-Rot und die Borussen in Schwarz-Weiß den Rasen betraten. Den Rasen? Nicht unbedingt, denn das Spielfeld bestand „aus einer unansehnlichen Verbindung zwischen Eiswasser, schmutzigem Sand und viel Ruß. Grashalme waren auf diesem Platz ebenso wenig zu sehen wie eine Blaue Mauritius in der Briefmarkensammlung eines Schulbuben“, beschrieb Redakteur Hans-Joachim Nesslinger die Bodenverhältnisse in der „Saarbrücker Zeitung“ vom 18. Februar 1963. Ein kultiviertes Spiel war auf diesem Geläuf natürlich schwierig zu realisieren, das kämpferische Element überwog bei weitem, aber hier gaben beide Teams ihr Bestes. So mussten sich die Zuschauer bis weit in die zweite Halbzeit gedulden, ehe Borussias „blonder Engel“ Elmar May die roten Teufel in die Hölle schickte. „Eine Stunde und acht Minuten tobte schon der Kampf im Ellenfeld“, heißt es in weiter im Spielbericht der „SZ“, in dem Hans-Joachim Nessliner in beinahe episch-pathetischem Stil die vielleicht entscheidende Szene der Partie schildert: „Der blonde junge Mann auf dem rechten Flügel der Borussia hatte sich gerade seine Hände trockengeschüttelt. Vor dem Tor des 1. FC Kaiserslautern war er gestürzt. Und das Schlimmste: Es hatte wieder kein Tor gegeben! Der Ball von Paul Pidancet war nur gegen den Torpfosten geprallt. Zum zweiten Mal in diesem Spiel. Der junge Mann stand plötzlich ganz starr. Dann durchzuckte es ihn. Er rast über die wie verlassen aussehende Eiswüste vor dem Gästetor. Und der Ball kam tatsächlich vor seine Füße. Allerdings meterweit. Der Stürmer wurde noch schneller. Der Torwart stürzte ihm entgegen. Der junge Blondschopf war aber eher am Ball und schoss mit solcher Wucht, dass nicht nur der Ball, sondern auch er selbst ins Tor flog, wo er wie betäubt liegenblieb. Der Jubel aus vielen tausend Kehlen kam wie aus einer anderen Welt zu ihm. Und seine Freude verdrängte alle Schmerzen. Dann hoben sie ihn auf. Es war die 68. Minute.“ Borussia hatte den Bann gebrochen, führte 1:0!
Der Treffer von Dieter Schock zum 2:0 sieben Minuten später bedeutete die Entscheidung. Für die Roten Teufel reichte es nur noch zum Anschlusstreffer durch Heini Bauer (87.), doch der kam gegen diszipliniert und konsequent agierende Borussen zu spät. Die Gäste hatten Glück, dass sie das Spielfeld am Ende mit elf Mann verlassen konnten. Denn „die sich abzeichnende Niederlage hatte Kaiserslauterns Stopper Schneider aus der Ruhe gebracht, und er hatte Kuntz, ohne dass der Ball in beider Nähe war, zu Boden getreten“, ist im Spielbericht der „SZ“ zu lesen. „Der lädierte Fuß des Borussen war später in der Kabine zu besichtigen. Der sehr konsequente und auch sehr wagemutige Schiedsrichter Ott erlaubte sich hier eine einzige Inkonsequenz. Obschon seine erste Handbewegung zum Spielfeldrand eindeutig den Feldverweis andeutete, beließ er nach dem üblichen Palaver Schneider auf dem Platz und verwarnte ihn lediglich. Ob das richtig war? Nun, das ist eine Frage für Pädagogen.“
Keine Frage dagegen war, dass Borussia mit dem 2:1-Sieg der Gewinner des Spieltages war. Denn neben Spitzenreiter Kaiserlautern hatten auch der Tabellenzweite FK Pirmasens (0:0 bei Saar 05) und der Drittplatzierte 1. FC Saarbrücken (0:0 bei Wormatia Worms) sowie die unmittelbar hinter Borussia lauernden Sportfreunde Saarbrücken (1:1 gegen den VfR Kaiserslautern) Federn gelassen. Der Sieg gegen die Roten Teufel war so etwas wie eine Motivationsspritze für die Borussen im Saison-Endspurt. Mit einem 4:0 gegen den BSC Oppau sprangen die Männer vom Ellenfeld am letzten Spieltag auf den zweiten Tabellenplatz (hinter dem Meister 1. FCK), da der Rivale aus Pirmasens bei TuS Neuendorf mit 0:1 verlor. Borussia qualifizierte sich damit erneut für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft, die im Sommer 1963 letztmals ausgetragen wurde. Genutzt hat es nichts. Bekanntlich wurden dem 1. FC Kaiserslautern und dem 1. FC Saarbrücken die Startplätze für die Bundesliga eingeräumt. Borussia musste noch eine Ehrenrunde drehen, bis 1964 der Aufstieg gelang.
Borussias Trainer Hans Pilz gab an jenem 17. Februar 1963 im Spiel gegen den FCK folgender Mannschaft das Vertrauen: Horst Kirsch – Erich Leist, Dieter Schock, Günter Schröder, Erwin Glod, Dieter Harig, Achim Melcher, Horst Berg, Günter Kuntz, Elmar May, Paul Pidancet. Für den von Günter Brocker trainierten 1. FC Kaiserslautern liefen auf: Siegfried Schindler – Willi Kostrewa, Dieter Pulter, Gerd Schneider, Heini Bauer, Jürgen Neumann, Willy Reitgaßl, Manfred Feldmüller, Erich Meier, Winfried Richter, Gerhard Settelmeyer. (-jf-)
Wieder einmal ein hervorragender Beitrag von Jo Frisch. Borussia kann sich glücklich schätzen, dass die Homepage und das Stadionmagazin von ihm gestaltet werden. Respekt, Herr Frisch, und weiter so!