Günther Klingler (Foto) hat sich eine Überraschung ausgedacht. Und die ist gelungen! In der Tat staunen die Anhänger der Borussia am vergangenen Samstag kurz vor 16.00 Uhr nicht schlecht, als der langjährige Stadionsprecher des SV Bliesmengen-Bolchen die Mannschaftsaufstellungen bekannt gibt. „Im Tor Willi Ertz, in der Abwehr mit Peter Czernotzky, Gerd Regitz, Jürgen Rohwedder und Dieter Schock, im Mittelfeld mit Erich Hermesdorf, Günther Kuntz, Hans Linsenmayer und Jürgen Wingert, und im Angriff mit Hugo Ulm und Wolfgang Gayer.“ Wer hat an der Uhr gedreht? Hat man im Mandelbachtal eine Zeitreise angetreten? Günther Klingler liefert prompt die Auflösung: Mit dieser Mannschaft lief die Borussia aus dem Ellenfeld am 4. November 1967 beim Namensvetter aus Mönchengladbach im legendären Bökelberg-Stadion auf den Platz. Anlass für Günther Klinglers originelle Begrüßungsidee: Ein Brief!
Im Bliesgau gab es damals viele Fans der Borussia aus Neunkirchen, so auch Werner Herrmann aus Bliesmengen-Bolchen: „Ein guter Schulkamerad von mir“, erzählt Günther Klingler, „der mich damals, als ich bei der Bundesmarine in List auf Sylt stationiert und über die sportlichen Ereignisse in unserer saarländischen Heimat überhaupt nicht informiert war, in zahlreichen Briefen über die Neuigkeiten im Fußball informiert hat.“ Und so schrieb Werner Herrmann an jenem 4. November vor fast 55 Jahren, in einer Zeit, in der Live-Übertragungen auf verschiedenen Fernsehkanälen oder Tor-Alarm auf dem Handy noch in ferner Zukunft lagen: „In diesem Augenblick, in dem ich diese Zeilen schreibe, läuft in Mönchengladbach das Spiel der dortigen Borussia gegen die unsrige. Ich weiß noch nicht, wie es steht, aber wenn Du diesen Brief erhältst, kennst Du das Endresultat.“ Günther Klinglers steten Optimismus, was die Borussia angeht, teilte sein Briefpartner nicht ganz: „Ich habe bis auf das Spiel gegen Bayern München alle Heimspiele gesehen und kann nur sagen: Es wird sehr schwer werden. Die Bundesliga-Mannschaften sind alle noch stärker geworden. Doch die Hoffnung auf den Klassenerhalt gebe ich selbstverständlich nicht auf“, heißt es weiter im Brief Werner Herrmanns, der ein großes Manko im Borussen-Team ausgemacht hat: „Wir haben im Moment nur zwei echte Stürmer: Wolfgang Gayer und Hugo Ulm, denn Pontes´ Beinbruch ist ja noch nicht verheilt. Linsenmaier machte man in den letzten Spielen zum Verteidiger, da Regitz Platzverweis erhielt. Linse bot auf diesem Posten Klasse-Leistungen.“ Und noch etwas ließ den Borussen-Fan Werner Herrmann skeptisch sein, wie er in messerscharfer Analyse darlegt: „Leider ist das Spiel ohne Ball noch ungenügend und es werden zu viele Chancen vergeben. Beim 2:2 gegen Frankfurt führte ein grober Schnitzer von Wingert zum Verlust des einen Punktes. Wie dem auch sei: Unsere Borussia wird es schon schaffen!“
Hier enden die Zeilen, da Werner Herrmann jetzt die Radio-Reportage des WDR verfolgte. Günther Klingler zitiert noch den „kuriosen Schluss“, den der Freund nach dem Spiel noch kurz unter den Brief schrieb: „Leck´ mich am Arsch, 10:0 verloren!“ Es war wirklich eine der historischen Klatschen in der gesamten Bundesliga-Geschichte, die auch den Borussen-Fans im Bliesgau wehtat. Wenn Bliesmengens Stadionsprecher an die alten Zeiten der Borussia denkt, muss er unbedingt auch einen weiteren Namen erwähnen: „Rudi Dörrenbächer! Von 1957 bis 1963 erzielte der Mittelstürmer 136 Tore, und das bei 168 Einsätzen. Außerdem war er in der Saison 1961/62 mit 37 Toren bester Torschütze aller deutschen Oberligen einschließlich der Stadtliga Berlin. Das waren damals die höchsten Spieklassen!“ Günther Klingler denkt, „dass der Rudi diese kleine Laudatio verdient hat. Er war einer der Größten in der ruhmreichen Vergangenheit der Borussia. 80jährig trat er am 29. Juni 2013 seine letzte Reise an. Für die Borussia bleibt er unvergessen“, so Günther Klingler am Ende seiner kurzen, aber schönen Reminiszenz an eine Ära, in der die Borussen die Nummer 1 im Fußball-Saarland waren.
Im Übrigen war auch im Stadionmagazin „SVB Info“ der Historie der Borussia breiter Raum gewidmet und die Vorfreude auf die Partie im Burgweg-Stadion spürbar: „Erstmals in seiner Geschichte trifft unsere Mannschaft in einem Ligaspiel auf einen früheren Bundesligisten, der nach seiner ruhmreichen Vergangenheit und mehreren Höhen und Tiefen in den letzten Jahrzehnten seit 2017 seinen Platz in der Saarlandliga gefunden hat“, ist dort zu lesen. Erinnert wird an die beiden Spiele im Ellenfeld, wo „Menge-Bolchen“ bekanntlich im Oktober 2020 mit 1:0 einen geschichtsträchtigen Sieg feiern konnte und auch im vergangenen September nach großem Kampf erst in der Schlussphase durch einen Doppelpack des eingewechselten Dominik Jost die Segel streichen musste. „Bei beiden Spielen herrschte im Ellenfeld eine tolle Atmosphäre“, hat der Autor des Artikels, Herbert Dincher, feststellen können.
Ob die Schützlinge von Björn Klos all das auf dem Schirm hatten, als sie den gepflegten Kunstrasen des Burgweg-Stadions betraten? Jedenfalls sah es so aus, denn in der Art und Weise, wie sie gleich nach dem Anpfiff von Schiedsrichterin Alessia Jochum loslegten und auch nach dem zwischenzeitlichen 2:2-Ausgleich nach der Pause Moral zeigten, schienen sie an große Zeiten der Borussia anknüpfen zu wollen. Auf alle Fälle ergeht ein herzlicher Dank an den SV Bliesmengen-Bolchen und Günther Klingler für die originelle Begrüßung unserer Mannschaft und unserer Fans, die sich in gastfreundlicher Umgebung sehr wohlfühlten. Der Mannschaft von Coach Patrick Vitt wünscht die Borussia für die restliche Saison viel Glück: Möge sie bald wieder auf die Erfolgsspur zurückkehren! (-jf-)
Ein lesenswerter Bericht über eine tolle Aktion. Vielen Dank!