Borussia war 1963/64 der erste Meister der Regionalliga Südwest – diese Mannschaft holte zehn Jahre später auch den letzten Titel / VfB Theley siegt in Saarbrücken 1:0 und beschert den Borussen in einem dramatischen Finale die Meisterschaft
Unser Bild: Der Südwestmeister 1974 heißt Borussia Neunkirchen mit (oben v.l.) Trainer Türk, Alt, Brinsa, Schauß, Drenks, Lang, Henkes, Bellaire, Schumbera, Histing, Co-Trainer Kuntz, (unten v.l.) Wilhelm, Müller, Hess, Reuter, Ertz, Schröder, Eichhorn, Schley, Schmidt, Johann. (Foto: Fußball-Woche)
Für die Regionalligisten im deutschen Fußball standen die Spielzeit 1973/74 ganz im Zeichen der Spielklassen-Reform. Die neue zweite Liga, in die Gruppen Süd und Nord aufgeteilt, warf ihre Schatten voraus. Auch der Weg der Teams aus dem Südwesten sollte sich trennen: Sieben kommen in die 2. Liga Süd, neun müssen runter ins Amateurlager! Für die Borussen und ihren Trainer Erwin Türk gab es aber noch eine weitere Option: Die Rückkehr in die Bundesliga, die zuvor in zwei Aufstiegsrunden leider verpasst worden war! Hauptkonkurrent: Der Lokalrivale aus dem Ludwigspark, der 1. FC Saarbrücken.
Wer nach der erfolgreichen Spielzeit zwei Jahre zuvor (1971/72), als Borussia in 15 Heimspielen nur einen einzigen Zähler abgeben musste, geglaubt hatte, es gebe keine Steigerung mehr, sah sich getäuscht. Mit einer makellosen Bilanz von 15 Siegen (und 43:8-Toren) stellten den die Borussen einen neuen Regionalliga-Rekord auf. Auf fremden Plätzen lief es nicht ganz so gut – die total ausgeglichene Bilanz (jeweils 5 Siege, Unentschieden und Niederlagen bei einem Torverhältnis von 21:21) wurde allerdings „aufgehübscht“ durch ein 5:0 im Waldstadion gegen den alten Kontrahenten FC Homburg. Doch im letzten Heimspiel gegen den ASV Landau richtet sich die Aufmerksamkeit im Ellenfeld nicht nur auf die eigene Mannschaft. Denn die kann – zwar punktgleich, aber zwei Tore hinter Spitzenreiter FCS – aus eigener Kraft nicht mehr Meister werden. Die Malstätter scheinen im Ludwigspark gegen den VfB Theley die wesentlich leichtere Aufgabe vor der Brust zu haben. Doch der FCS sollte die Rechnung ohne die selbstbewussten Gäste gemacht haben. Die Elf vom Schaumberg hatte im Vorfeld angekündigt, „es dem großen FCS nicht leicht zu machen“. Diese Worte sollten sich sich während der 90 Minuten keineswegs als „Schaumschlägerei“ erweisen!
Zum spannendsten Finale, das die Regionalliga Südwest während ihres zehnjährigen Bestehens erlebte, sind 6000 Fans mit gedämpften Hoffnungen ins Ellenfeld gekommen. Handys sind noch in weiter Ferne, und so muss das alte Transistorradio herhalten, um mit sperrangelweit offenen Ohren zum Ludwigspark hinüber zu lauschen. Wilfried Burr, Sportchef der „Saarbrücker Zeitung“ hat ganz offensichtlich ein gutes Näschen bewiesen und ist ins richtige Stadion gefahren. Per Telefon hält er in der Sprecherkabine den Kontakt in die Hauptstadt des Saarlandes. Lange Zeit passiert in beiden Stadien nichts. Nach 43 Minuten zeigt Burrs Daumen nach oben: Theley führt im Ludwigspark! Und als die Borussen kurz nach der Pause ihre Pflicht erfüllen und Eichhorn und Bischoff binnen zwei Minuten das Resultat gegen defensivstarke Landauer auf 2:0 stellen, steigert sich die Stimmung von Minute zu Minute – erst recht, nachdem Henkes und „Freiherr von der Drenks“ mit zwei weiteren Treffern alles klar machen. Derweil steht es in Saarbrücken immer noch 0:1. Die letzten Minuten sind nervenaufreibend, manche Borussen-Fans schauen sich ungläubig an – sollte der Fußballkrimi doch noch ein Happy-End bereithalten?
Kaum ist der Schlusspfiff ertönt, weicht das Bangen der Gewissheit: Borussia hat es geschafft, ist zum fünften Mal Meister der Regionalliga Südwest, so oft wie kein anderer Club! Borussen-Leo stürmt auf den Platz, die Spieler liegen sich in den Armen. In der Stadt werden die schwarz-weißen Fahnen gehisst. Im Geschäftszimmer, wo vor dem Spiel noch gedrückte Skepsis herrschte, dreht der Cognac seine Runden, in den Gaststätten rund um das Ellenfeld und in der City herrscht Hochbetrieb. Die Mannschaft des VfB Theley, vor dem Saisonfinale vom 1. FC Saarbrücken noch zum Essen ein- und nach der Partie postwendend wieder ausgeladen, macht sich mit Blumen (!) spontan auf den Weg nach Neunkirchen, wo sie enthusiastisch gefeiert wird und auch was gegen den Hunger bekommt, weil – wie die „SZ“ berichtet – die Borussen auf einen Teil ihres Meistermahls verzichten. Für die Borussia hat sich der Kreis geschlossen: 1964 nach der Ausbootung bei der Vergabe der Bundesliga-Startplätze Premierenmeister der neuen Regionalliga Südwest, jetzt auch der letzte Titelträger!
Die Marschroute von Coach Erwin Türk ist klar: Getragen von der Euphorie will Borussia nun aufs Ganze gehen und unter Mobilisierung der letzten Reserven in die Bundesliga aufsteigen! Der Start gelingt: 0:0 bei Tennis Borussia Berlin, 1:1 im Ellenfeld gegen den FC Augsburg mit Alt-Star Helmut Haller, 2:1 bei RW Oberhausen. Doch nach dem 2:5 zuhause gegen St. Pauli sind die Borussen mit ihrer Kraft am Ende. Es reicht nur zum dritten Gruppenplatz, vor allem weil im heimischen Ellenfeld – in der Liga noch geradezu eine Festung! – kein einziger Sieg gelingt. Der Bundesligatraum ist ausgeträumt. Das ahnt auch Erwin Türk. Denn in der zweiten Liga kommen ungleich schwerere Brocken auf die Borussen zu. Doch das ist eine andere Geschichte. (-jf-)
Schade dass die Bilder von sehr schlechter Qualität sind.