Borussias Erfolgstrainer Adi Preißler wäre heute 100 Jahre alt geworden / Zwei Südwest-Titel, Endrunde um die deutsche Meisterschaft und Aufstiegsrunde stehen in seiner stolzen Bilanz
Unser Bild: Adi Preißler (rechts) bei der Arbeit mit seinen Spielern. Karl Ringel war beeindruckt: „Er konnte uns viel vormachen!“ (Foto: Mythos Ellenfeld – 100 Jahre Borussia Neunkirchen)
„Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldener Baum.“ Die Worte des Mephistopheles in Goethes Faust hat er mit seinem typischem Ruhrpott-Sprech zu einer geflügelten Fußballweisheit nahezu philosophischen Inhalts gemacht: „Grau ist alles Theorie – entscheidend is´ auf´m Platz!“ Mit dieser Einstellung zählte für ihn nur eines, wenn er – sei es als Spieler, sei es als Trainer – den grünen Rasen betrat: 100 Prozent Einsatz! Er lebte den Fußball, war charakterstark, konnte – glaubt man den Zeitzeugen – zuweilen auch sehr kritisch, ja geradezu bissig sein, doch niemals falsch und unehrlich. Ein Mann der klaren Worte. Die Fans liebten ihn. Zweimal (1960 – 1962 und 1971 – 1973) trug er für die Borussia im Ellenfeld als Trainer die sportliche Verantwortung, wo er zu einem der erfolgreichsten Trainer in der 116jährigen Historie der Borussia avancierte: Adi Preißler. Heute, am 9. April, wäre er 100 Jahre alt geworden.
Der gebürtige Duisburger begann seine Laufbahn als Fußballer in seinem Stammverein Duisburg 1900. Fahrt auf nahm seine Karriere erst nach der Rückkehr aus dem Krieg, als er zunächst in Minden, dann in Dortmund-Huse und beim SuS Kaiserau auf Torejagd ging. Doch seine exzellente Technik, seine Fähigkeit, das Spiel zu lesen, und seine Treffsicherheit blieben den großen Clubs im Ruhrgebiet nicht lange verborgen. So saßen eines Tages die Vorstandsmitglieder von Borussia Dortmund in seinem Wohnzimmer und wussten ihn zu überzeugen. Am 1. August 1946 trägt er erstmals das schwarz-gelbe Trikot. Es sollte seine große Liebe werden!
Mit zweijähriger Unterbrechung (1950 – 1952 lief Preißler, zusammen mit Jupp Lammers und „Fiffi“ Gerritzen im sogenannten „100.000-Mark-Sturm“ für Preußen Münster auf) blieb er Dortmund treu, bestritt für den BVB in zehn Spielzeiten insgesamt annähernd 300 Spiele, erzielte dabei 168 Tore. Nachdem er 1949 noch im Finale mit 2:3 am VfR Mannheim gescheitert war, führte Adi Preißler seine Borussen 1956 und 1957 zweimal zum deutschen Meistertitel. Hinzu kommen sechs westdeutsche Meisterschaften. Dass er bei seinen Qualitäten nur zwei Länderspiele (1951 gegen Österreich und Irland) bestritt, lag nicht nur daran, dass Bundestrainer Sepp Herberger meist Fritz Walter als Spielgestalter vorzog und der Nürnberger Max Morlock seine Stammposition als Halbstürmer besetzte. Ein weiterer Grund ist sicher auch, dass er die besten Jahre seiner Laufbahn im Krieg verbrachte. „Die Nazis haben mir ganz bestimmt 50 Länderspiele geklaut“, hat er einmal in einem Interview gesagt. Und: „Herberger konnte mit mir nie was anfangen, weil ich immer sagte, was ich dachte.“ Da spricht der Ruhrpottler!
1958 neigt sich seine großartige Karriere dem Ende entgegen. Doch der Fußball lässt Adi Preißler nicht los. Er wechselt die Seiten und wird Trainer Nach ersten Versuchen in Hamm und Iserlohn folgt er dem Ruf einer anderen Borussia. Im Ellenfeld baut er eine große Mannschaft auf. Im ersten Jahr reicht es noch nicht zum großen Wurf: Preißler und seine Jungs werden trotz einer imponierenden Heimbilanz (13 Siege in 15 Spielen) „nur“ Vizemeister hinter dem 1. FC Saarbrücken, haben aber damit immerhin das Qualifikationsspiel um die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft in der Tasche. Hier aber sind die Borussen beim 0:5 gegen Eintracht Frankfurt ohne Chance.
Doch Adi Preißler lässt sich nicht entmutigen, im Gegenteil. Der Coach richtet seine Truppe auf, motiviert sie neu, arbeitet akribisch an den Fehlern. Sein Credo: „Das Wichtigste ist das Spiel ohne Ball ist. Stell dir vor, du hast den Ball und fünf Leute in deiner Mannschaft, die sich nicht freilaufen können, dann hast du keine Chance. Nur wenn alle das Auge haben, sich freizulaufen, wird der Ball auch schnell!“ Für Preißler mitentscheidend: „Die Mischung in der Mannschaft muss stimmen. Bestehend aus Arbeitern und Künstlern.“ Das hat er im Ellenfeld: Künstler wie Elmar May oder Karl Ringel, Arbeiter wie der robuste Günter Schröder, der unermüdliche Hans Schreier oder der nie aufgebende Erwin Glod. Dazu die Torjäger Rudi Dörrenbächer, Günther Kuntz und Paul Pidancet. Da greift ein Rädchen ins andere, und wie! Die Borussen schießen 102 Tore (!), holen erstmals in der Oberliga Südwest den Titel, lassen die starke Konkurrenz aus Pirmasens, Kaiserslautern und Saarbrücken weit hinter sich. Nur Oppau und Pirmasens holen mit 2:2 einen Punkt im Ellenfeld, wo die Borussen derart dominant auftreten, dass es Kantersiege zuhauf gibt: zweimal 11:0 gegen die Sportfreunde Saarbrücken und Eintracht Kreuznach, 8:1 gegen Saar 05, 6:0 gegen Mainz 05. Auch der 1. FC Saarbrücken (2:4) und die Roten Teufel vom Betzenberg (0:2) verlassen die Hüttenstadt ohne Punkte. Der Südwestmeister setzt auch in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft Akzente, führte gleich zweimal gegen die Altmeister aus Nürnberg und Schalke mit 2:0, um am Ende noch unglücklich mit 2:3 den Kürzeren zu ziehen. Dennoch: „Borussia hat den Südwesten würdig vertreten“ – da ist sich die Fachpresse einig.
Im Ellenfeld hat man diese Erfolge nicht vergessen. 1971 wird Adi Preißler aus Oberhausen, wo er mit den Rot-Weißen 1969 den Aufstieg in die Bundesliga geschafft hatte, zurückgeholt. Und wieder startet die Borussia durch, wird (nach nur einer einzigen Niederlage in 30 Spielen!) mit 7 Zählern Vorsprung (vor Röchling Völklingen) Meister der Regionalliga Südwest. Deshalb geht der Trainer zuversichtlich in die Aufstiegsrunde, will die Borussen zum dritten Mal (nach 1964 und 1967) in die höchste Spielklasse führen. Doch Westmeister Wuppertaler SV erweist sich als zu stark, vor allem auf fremden Plätzen (4 Spiele, 4 Niederlagen) herrscht „tote Hose“, da nutzt Borussia auch ein 10:0-Sieg im Ellenfeld gegen Tasmania Berlin nichts. Die folgende Runde verläuft schleppend. Dennoch gelingt des Adi Preißler, die Borussia nach einer verkorksten Vorrunde am Ende noch auf den 5. Platz zu führen, ehe er nach Oberhausen zurückkehrt.
Was bleibt im Ellenfeld von dem Mann, der noch bis zu seinem Tode im Juli 2003 täglich zahlreiche Autogrammwünsche bekam? Adi Preißlers Bilanz bei der Borussia ist beeindruckend. In 131 Spielen 77 Siege und nur 26 Niederlagen. 28mal trennte man sich vom Gegner Unentschieden. Preißlers Jungs erzielten dabei 304 Tore, verhalfen ihrem Trainer damit zu einem Schnitt von zwei Punkten pro Spiel! „Er war ein Trainer, der uns viel vormachen konnte“, hat Karl Ringel einmal über Adi Preißler gesagt. Freundschaft und Zusammengehörigkeit waren ihm wichtige Werte: „Wir hatten eine Menge Spaß miteinander, es wurde viel gelacht!“ Dazu Mentalität und Leidenschaft! „Vor´m Spiel haben wir früher immer quasi ´nen Liter Blut getrunken, so motiviert sind wir auf den Platz gegangen. Versteht ihr, wie ich das meine“, hat er einmal in einem Gespräch mit dem BVB-online-Fanzine „schwatz-gelb.de“ seine Einstellung beschrieben. Sie ist die Quelle für jenes legendäre, geradezu Kult gewordene „Entscheidend is´ auf´m Platz!“ Kein Zweifel: „Auf´m Platz“ war er sehr erfolgreich. Als Spieler bei der Borussia in Dortmund, als Trainer bei der Borussia im Ellenfeld. Und deshalb hat Adi Preißler einen Ehrenplatz in der traditionsreichen Borussen-Historie verdient! (-jf-)
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