Günter Kuntz wird heute 80 Jahre alt / Teil der Borussia-Erfolgsgeschichte in den 60er Jahren / In Neunkirchen heimisch geworden / Kritisch-wohlwollender Begleiter und Förderer der Karriere von Sohn Stefan, heute U21-Nationaltrainer
Unser Bild: Blood, sweat and tears – Bundesliga im Ellenfeld mit Günter Kuntz (rechts), noch vor der alten Tribüne, hier im Duell mit HSV-Torhüter Horst Schnoor, beobachtet von Teamkamerad Günter Heiden (links). Szene aus der Partie Borussia Neunkirchen gegen Hamburger SV (3:1) im September 1964. (Foto: 100 Jahre Ellenfeld Stadion).
Von Jo Frisch
„120 Sekunden trennen Borussia Neunkirchen von der Bundesliga. Ertz, der lange Schlussmann, aus der Hand abgeworfen, letzter Angriff von Borussia Neunkirchen. Drüben auf der anderen Seite in der Hälfte der Berliner, Karl Ringel, mitgelaufen ist auch Elmar May. Und Kuntz, der Linksaußen, steht in Position.“ Ja, so hörte sich das an im damaligen Rundfunk-Zeitalter an jenem heißen Tag Ende Juni im Glutofen Ludwigspark vor mehr als 54 Jahren, als die Borussia mit einem finalen 1:0-Sieg gegen Tasmania Berlin eine furiose Aufstiegsrunde mit dem kaum für möglich gehaltenen Sprung in die „bel etage“ des deutschen Fußballs krönt.
Auf den Schultern tragen sie damals ihre Helden vom Platz, die Fans mit ihren schwarz-weißen Fahnen. Mitten drin statt nur dabei: Günter Kuntz. Sicher ein unvergessliches Highlight in seiner Karriere. Dass Borussia überhaupt dieses Endspiel erleben darf, ist mit sein Verdienst. Denn Günter Kuntz hat eine Woche zuvor beim sensationellen Auswärtserfolg im Stadion an der Grünwalder Straße beim FC Bayern den entscheidenden Treffer zum 2:0 erzielt und damit die hochfavorisierten Münchner zu einer Ehrenrunde in der Regionalliga verdonnert. Heute wird der damals 25jährige 80 Jahre alt. Kinder, wie die Zeit vergeht!
Günter Kuntz kommt im Sommer 1960 aus seiner Geburtsstadt Kaiserslautern ins Ellenfeld. Auf dem Erbsenberg beim VfR hat er sich zuvor seine ersten Fußball-Lorbeeren verdient. Zum großen Nachbarn 1. FCK auf den Betzenberg war er nur deshalb nicht gewechselt, weil es damals nicht üblich war, das blaue (VfR) gegen das rote Trikot (FCK) zu tauschen. Doch Günter Kuntz wird schnell heimisch im Saarland, gründet in Neunkirchen seine Familie, die Söhne Stefan und Michael erblicken das Licht der Welt, in Furpach wird ein Haus gebaut. „Wir fühlen uns hier sauwohl“, sagt der Pfälzer, der schnell ein Saarländer wird. Auch sportlich läuft es rund: Mit dem Angreifer Günter Kuntz holen die Borussen in den letzten drei Jahren der alten Oberliga-Ära zweimal die Vizemeisterschaft, 1962 gar den Titel und vertreten den Südwesten mehr als achtbar in den Endrunden um die deutsche Meisterschaft. Dass trotz der Erfolge bei Gründung der Bundesliga der Rivale aus Saarbrücken den Vorzug erhielt, „war zwar für uns Spieler und die ganze Stadt ein schwerer Schlag“, so Günter Kuntz, doch die Genugtuung, dass die Borussia ausgerechnet dann, als der FCS absteigt, den Aufstieg schafft, gleicht die Verbitterung schnell wieder aus. Platz zehn gleich in der ersten Saison ist für die kleinste Bundesligastadt die nächste Sensation, zu der auch Günter Kuntz mit 20 Einsätzen und sieben Treffern sein Scherflein beisteuert. Der beidfüßig starke Stürmer kann zwar im zweiten Jahr seine persönliche Bilanz steigern (28 Spiele, 13 Tore), aber den Abstieg in die Regionalliga nicht verhindern. Ein Jahr später ist Borussia mit Kapitän Kuntz wieder oben, macht mit einem 1:1 bei Schwarz-Weiß Essen die Rückkehr in die Bundesliga perfekt – allerdings nur für eine Saison. Nach 32 Spielen mit zwei Toren verabschiedet sich Günter Kuntz vom Ellenfeld und Borussia von Liga 1, als erste Fahrstuhlmannschaft der Bundesliga-Geschichte.
Günter Kuntz´ Qualitäten haben sich derweil auch international herumgesprochen. Bei der Wiener Austria findet der jetzt 29jährige eine neue sportliche Heimat, in der er gleich zweimal österreichischer Meister wird und die Spiele im Europacup der Landesmeister gegen Dynamo Kiew und den AC Florenz miterlebt. So ganz nebenbei wird auch der Grundstein für die spätere Karriere von Sohn Stefan gelegt: „Wenn wir in Österreichs Fußballtempel Praterstadion Training hatten, begleitete mich der Stefan mit seiner `Quetsch´ und tobte sich auf einem Nebenplatz aus“, erinnert sich Günter Kuntz noch heute gut an die Fußballbegeisterung, die der Sohnemann vom Vater geerbt hat. 1970 dann die Heimkehr an die liebgewonnene Blies und 1971, gemeinsam mit Trainer Kurt Sommerlatt und Mittelfeldspieler Gerd Zewe, der erneute Titelgewinn in der Regionalliga Südwest. Seine Routine macht Günter Kuntz jetzt zu einem herausragenden Libero.
Der Borussia bleibt er auch nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn treu. Hier hat er längst Wurzeln geschlagen, engagiert sich in verschiedenen Funktionen vom Co-Trainer bis zum Spielausschussvorsitzendem. In seiner Gaststätte „Spielmannsklause“ ist Fußball Thema Nummer eins, erst recht, als Sohn Stefan, der mit Einwilligung des Vaters bereits mit 17 Jahren in Borussias erste Mannschaft aufrückt, in der Bundesliga in Bochum, Uerdingen und Kaiserslautern Karriere macht. Die hat der Vater mit wohlwollendem Rat stets kritisch-konstruktiv, „aber nicht mit der Peitsche“, wie er einmal sagte, gefördert und begleitet. Und ihm manches schon mit in die Wiege gelegt: Den Ehrgeiz, den unbeugsamen Willen zum Sieg, Kampf und Einsatz. Als sich Stefan Kuntz 2017 ins goldene Buch der Stadt Neunkirchen einträgt und Festredner OB Jürgen Fried angesichts der Bodenständigkeit des U21-Nationaltrainers attestiert, dass in der Erziehung nicht alles falsch gelaufen sein könne, ist das für Günter Kuntz und Ehefrau Christa die Bestätigung, dass ihrem Leben nicht nur auf sportlichem Sektor großer Erfolg beschieden ist.
Dennoch: Der unerwartete Sprung in die Bundesliga und der Sieg bei den Bayern bleibt ein Höhepunkt. Unwiederholbar, unvergleichlich. „Es war eine Gemeinschaft, ein richtiger Zusammenhalt hier in der Stadt. Alle Leute waren auf den Beinen, unsere Vereinskneipe platzte aus allen Nähten, die Ränge waren voll, an jeder Ecke sprachen die Menschen nur über Borussia und den Fußball“, erinnert sich Günter Kuntz und ordnet die kaum hoch genug einzuschätzende Bedeutung des erfolgreichen Vereins für die Stadt ein: „Die Borussia – das war was! Die Borussia hat mit ihren drei Jahren Bundesliga Neunkirchen damals in Deutschland erst richtig bekannt gemacht. Vorher hat doch keiner gewusst, wo Neunkirchen liegt.“ Die Unternehmen, die Stadt, die Borussen – man habe zusammengehalten in jener Zeit, auch dadurch sei der Höhenflug möglich gewesen. Günter Kuntz blutet das Herz, wenn er die heutige Situation mit der glorreichen Bundesligazeit vergleicht. Aber er ist auch Realist, weiß, dass sich die Verhältnisse im modernen Fußball grundlegend verändert haben: Die Stadt sei zu klein, das wirtschaftliche Potential zu gering, um an die früheren Erfolge anzuknüpfen, resümiert der Ex-Stürmer. Der Verein müsse sich von hochfliegenden Plänen verabschieden und wieder auf die Jugend setzen, das gebiete die Vernunft, das sei der Club den treuen Fans schuldig, auch wenn es ein längerer Prozess sei.
Wenn Günter Kuntz heute seinen 80. Geburtstag feiert, dann gratuliert ihm die ganze Borussen-Familie und darüber hinaus das ganze Fußball-Saarland und wünscht für das nun beginnende neue Lebensjahrzehnt alles Liebe und Gute, Gesundheit, Glück und Zufriedenheit. Verbunden damit ist der herzliche Dank und der große Respekt vor seiner Lebensleistung und allem, was Günter Kuntz in verschiedenen Aufgabenbereichen für die Borussia geleistet hat.
„Sekunden vielleicht noch, 10 Sekunden, 5 Sekunden, Schlusspfiff. 43.000 reißt es von den Sitzen …“ Fast überschlägt sich die Stimme des Radio-Reporters vor mehr als 54 Jahren angesichts der Sternstunde Borussias. Günter Kuntz hat sie miterlebt, mehr noch: Er war ein wichtiger Teil von ihr. Nur allzu gerne würde er deshalb mit seinem Verein wieder eine Meisterschaft, einen Aufstieg erleben. Es muss ja nicht in die Bundesliga sein.
Jürgen und Inge Bettingen mit dem Personal der Firma heimdecor Stummbillig gratuliert Günther zum Geburtstag und wünschen Ihm alles, was er sich selbst wünscht.
Lieber Günther bleib so wie du bist!
Unentschieden pflastern den Weg der Borussia. Leider viel zu viele in dieser Saison.
Der Rückstand ist schon zu groß, um noch etwas zu erhoffen. Das Zuschauen macht so keinen Spaß mehr.
Lieber Günther Kuntz, Gratulation aus Frankfurt am Main! Ich war damals im Ludwigspark beim legendären ‚Endspiel‘ gegen Tasmania Berlin! Werner Bohr
Wenn man im kicker den Bericht über die Borussia gelesen hat, wird einem vieles klar.
eine Vereinsführung, die mit der gegenwärtigen Situation zufrieden ist usw.
Da ist wirklich alles gesagt.