115 Jahre Borussia – eine Liebeserklärung an eine „alte Dame“

Verehrte Borussia,

exakt heute vor 115 Jahren hast Du das Licht der Welt erblickt. Am 24. Juli 1905 hauchte Dir ein Dutzend junger Männer, von der neuen Sportart Fußball begeistert, Leben ein. Viel hast Du erlebt in dieser langen Zeit, könntest Bücher füllen mit Geschichten und Erzählungen. Am Anfang stand der Kampf um Anerkennung, denn die „Fußlümmelei“ galt lange als nicht salonfähig. Zwei Kriege hast Du überlebt, vom Sportplatz ging es auf das Schlachtfeld, und manch einer schaffte es nicht zurück. Dein Weg führte durch tiefe Täler, aber auch über traumhaft schöne Höhen. 54 Jahre ununterbrochen erste Liga, Meisterschaften und Pokalsiege, Aufstiege und Triumphe, aber auch Tragödien, bittere Niederlagen und Abstiege – Fan von Dir zu sein ist alles, nur nicht langweilig.

„Ich verliebte mich in Borussia, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: Plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden.“ Nick Hornby mag es einem nachsehen, wenn man den beinahe zu kultartigem Status gelangten legendären Satz aus seinem Roman „Fever pitch“ anlässlich des heutigen Jubiläums leicht abwandelt. Dabei scheint es ja noch nicht einmal sicher, ob man sich den Verein selbst ausgesucht hat – oder ist es vielleicht umgekehrt der Verein, der sich einen auserwählt? Auf jeden Fall scheint es mit Dir wie mit der ersten ganz großen Liebe: Wenn man sie schon nicht geheiratet hat, so wird man sie doch nie vergessen. Egal, was sie einem angetan hat. Und angetan hast Du Deinen Fans so einiges in den letzten Jahren, hast Fehler gemacht, über Deine Verhältnisse gelebt und dafür bezahlt, hast am Abgrund gestanden. Einst Verein aus der kleinsten Bundesligastadt bist Du aus höchsten Höhen abgestürzt bis in die 6. Liga. Kein anderer ehemaliger Erstligist ist so weit unten gelandet. Deine Verehrer müssen aus hartem Holz geschnitzt sein. Aber gerade Pleiten, Pech und Pannen schweißen bekanntlich zusammen, bilden Bündnisse für die Ewigkeit.

Dabei hast Du auch viel gegeben: 1964 in der Aufstiegsrunde der Triumph über den FC Bayern, Bundesligasiege über Eintracht Frankfurt, HSV, Schalke und Dortmund, 1967 Wiederaufstieg in die erste Liga, mehrfache Aufstiegsspiele voller Spannung, 1996 im DFB-Pokal der Triumph voller Dramatik nach Elfmeterschießen gegen Leipzig, 2007 mehr als 10.000 Zuschauer in der Oberliga gegen den alten Rivalen 1. FC Saarbrücken, um nur ein paar wenige Highlights zu nennen.

Zugegeben, das ist schon länger her und die Zahl derer, die für Dich schwärmen, ist heute nicht mehr so groß wie früher. Das liegt in der Natur des Älterwerdens und der veränderten Zeiten. Mit 115 ist man nicht mehr so attraktiv wie in jüngeren Jahren. Symptomatisch Dein Gewand, das Ellenfeld-Stadion, ein wenig jünger als Du und unser aller Wohnzimmer, Stein gewordene Fußballkultur. Vielleicht nicht mehr auf der Höhe der Zeit, der Lack ist ab, manches sitzt schief, der Zahn der Zeit hat an ihm genagt. Aber mit seinem unbeschreiblichen Flair, das auch nach der geplanten Sanierung hoffentlich erhalten bleibt, verleiht es Dir lebendigen Charme. Bis heute lockt es Spiel für Spiel Verehrer aus aller Herren Länder an, denen das Herz höher schlägt, wenn sie die steilen Stufen betreten. Denn grasüberwucherte Ränge, scheppernde Lautsprecher, bei Rostwurst und Bier das Gesehene diskutieren – das ist Fußball, der fernab jeglicher Sterilität seine Seele nicht verloren hat.

Es gibt sie noch, die Menschen, für die Du, alte Dame Borussia, Herzenssache bist, leidenschaftlich und bedingungslos, weitab von jeglicher Vernunft und Kalkulation: Sie geben Dir ein liebenswertes Gesicht, helfen Dir, über den Verlust von vermeintlichen Freunden hinwegzukommen. Hinter den Kulissen sind sie bereit und entschlossen, sich mit Hingabe für Dich zu engagieren, mit allen Kräften Dein Herz am Schlagen zu halten, Dich wieder attraktiver zu machen, Deine große Tradition zu bewahren und doch in moderne Zeiten hinüberzuführen. Auf dem grünen Rasen tragen sie – ob bei den Senioren oder in der wieder stetig wachsenden Fußball-Jugend – das Trikot mit dem goldenen „B“ wieder mit Stolz, aber ohne Überheblichkeit. Und für die Tribünen kaufen sie deutschlandweit und darüber hinaus tausendfach Karten anlässlich eines Spiels, das gar nicht stattfindet. Du gehörst noch lange nicht zum alten Eisen! Denn kann man die lebendige Liebe zu Dir und Deine immer noch spürbare Attraktivität und Vitalität besser bezeugen?

Eins ist klar: Eine solche Liebe folgt nicht dem Verstand, sondern dem Herz, ist Passion, muss, ja kann sich eigentlich gar nicht rechtfertigen und erklären. Sie findet kein Ende, überdauert Krisen, hält ein Leben lang, treu und unverbrüchlich, – in guten wie in schlechten Tagen. Echte Borussen-Liebe ist ein Kapital, das wächst, wenn man es verschwendet. Diese alte Liebe lebt und bleibt voller Hoffnung – hoffentlich noch ganz lange. Ad multos annos, Borussia, auf viele Jahre Zuversicht, Gesundheit, Erfolg und Lebensfreude – hoch lebe Eisen, hoch lebe Borussia! (-jf-)

2 Kommentare

  1. WUNDERBAR geschrieben,mein Herz blutet und meine Augen sind feucht,unsere BORUSSIA ,alte Liebe übersteht auch die schweren Seiten,alte LIEBE lebt.

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