Eisen, Stahl und Fußball – auch im Westerwald einst eine erfolgreiche Kombination / Ernst Kroth und Wilhelm Bautz: Von der Saar an die Sieg und erste Vorsitzende des neugegründeten Fußballclubs / VfB in Anlehnung an die Borussia
Mit dem VfB Wissen ist ein traditionsreicher Fußballclub aus dem Westerwald in die Rheinlandliga zurückgekehrt. Die Mannschaft von Trainer Walter Reitz sicherte sich mit vier Punkten Vorsprung vor der SG Wallmenroth den Titel in der Bezirksliga Ost. Die großen Zeiten des Vereins liegen indes lange zurück. Dreimal wurde der VfB Rheinlandmeister (1962, 1988, 1991), gewann zweimal den Rheinlandpokal (1959 und 1961) und spielte in der Saison 1994/95 immerhin ein Jahr lang in der damals drittklassigen Regionalliga West/Südwest.
Aus der Wissener Jugend ging Profi Jan Schlaudraff (später Borussia Mönchengladbach, Bayern München und Hannover 96) hervor. Auch der Ghanaer Henry Acquah und der frühere HSV-Profi Waldemar Matysik trugen das Trikot mit der aufgehenden Sonne auf der Brust. Vielleicht der bekannteste Spieler des VfB: Torhüter Lars Leese, der 1997 aus dem Westerwald aufbrach, um als Keeper des FC Barnsley die englische Premier-League zu erobern. Seine Erfahrungen und Einblicke in das Alltagsgeschäft Profifußball hat Lars Leese in Zusammenarbeit mit dem Sportjournalisten Ronald Reng in seinem Buch „Traumhüter – die unglaubliche Geschichte eines Torwarts“ festgehalten. Ein Buch, das nahe an den Kultstatus von Nick Hornbys „Fever pitch“ herankam.
Manch einer mag sich nun die Frage stellen, was der VfB Wissen mit unserer Borussia zu tun hat. Zunächst einmal gab es in den 90er Jahren einige sportliche Begegnungen. Hier siegte der VfB im November 1993 mit 3:1 im Ellenfeld, im Rückspiel im Westerwald erkämpfte sich Borussia ein torloses Remis. Am Ende der Saison 1993/94 hatten sich beide Teams für die neue Regionalliga West/Südwest qualifiziert, in der die Borussen beide Spiele für sich entscheiden konnten (2:1 im Ellenfeld, 1:0 in Wissen). Doch was die wenigsten wissen: Die Namensgebung des künftigen Rheinlandligisten ist über die Thematik „Stahl und Hütte“ ganz eng mit der Borussia und Neunkirchen verknüpft!
Denn in Wissen wurde in den Jahren 1910 bis 1912 ein Walzwerk errichtet. Hier ergab sich ein Problem, wie in der Vereinschronik des VfB im Kapitel „Der Weg zur Vereinsgründung“ nachzulesen ist: „Der enorme Personalbedarf war auf Dauer nur durch den Zuzug aus anderen Gebieten zu decken, wobei vor allem das attraktive Angebot der ab 1911 von den Vereinigten Stahlwerken errichteten Wohnungen in der Walzwerk- und Hüttenkolonie viele Familien anlockte.“ Die Einwohnerzahl in der Gemeinde verzeichnete so einen erheblichen Anstieg (von 7.300 auf fast 10.000 in wenigen Jahren). Viele Neubürger, oft vom Rhein und aus dem Saarland kommend, fanden im 1912 eröffneten Walzwerk oder auf der Alfred-Hütte Arbeit. Der in diesen Zeiten vor allem in den oberen Gesellschaftsschichten noch umstrittene Fußball, häufig reichlich despektierlich als „Fußlümmelei“ bezeichnet, habe, so heißt es in der Chronik weiter, in besonderem Maße von der Veränderung der sozialen Struktur in Wissen profitiert, denn „unter den Zugezogenen war Ernst Kroth aus Andernach, der von der Neunkirchener Eisenhütte als Bürovorsteher zum Weißblechwerk wechselte. Auch der gebürtige Neunkirchener Wilhelm Bautz kam aus beruflichen Gründen von der Saar an die Sieg. Beide waren Fußballfreunde und kickten wegen des Fehlens eines entsprechenden Angebots zuerst im benachbarten Kirchen. Es dauerte aber nicht lange, bis die beiden der Fahrten nach Kirchen überdrüssig wurden und im Laufe des Jahres 1913 Kontakt mit den sportbegeisterten Kollegen im Walzwerk und mit der Wissener Jugend suchten.“
Die Folge: Ein großer Zulauf, der am 28. Februar schließlich zur Gründungsversammlung im Saal einer Wissener Gaststätte führte. Bei der Namensgebung folgten die Vereinsgründer einem Vorschlag von Ernst Kroth, der sich dabei in Erinnerung an seinen früheren Wohn- und Arbeitsort Neunkirchen am Vorbild des dortigen VfB Borussia anlehnte. Da es eine Borussia bereits im Nachbarort Kirchen gab und, so berichtet die Chronik, man in Wissen traditionell schon wegen der politischen (kurkölnischen) Vergangenheit mit Preußen (lateinisch: Borussia) wenig im Sinne hatte, „fiel die Wahl auf den etwas sperrigen, dafür aber auch unverwechselbaren Namen `Verein für Bewegungsspiele´“. Konsequenterweise übernahmen die beiden Initiatoren der Gründung, die beiden Ex-Neunkirchener Ernst Kroth (als erster Vorsitzender) und sein Walzwerk-Kollege Wilhelm Bautz (als stellvertretender Vereinschef) die Führung des neuen Clubs. Als Vereinsfarben wurden Blau und Weiß gewählt – blau als Symbol der Treue, weiß als Zeichen der Reinheit. So erläutert es jedenfalls das Vereinslied, das von den rund 50 Mitgliedern am Ende der Gründungsveranstaltung lauthals geschmettert wurde: „Treu woll´n wir den Sport verehren, zu ihm steh´n um jeden Preis. Treue wollen wir stets schwören auf die Farben Blau und Weiß. Blau erglänzt auf unserem Schilde, leuchtet unbefleckt und rein, und es wird in seiner Milde stets des Weißen Beistand sein. Rein soll unsere Ehre glänzen, rein sei unsres Strebens Preis und der Reinheit Blüten kränzen: Unsere Farben Blau und Weiß.“
Diese Farben haben bis heute Geltung, wenn der VfB Wissen in sein Stadion einläuft. Das trägt ehrenhalber den Namen von Dr. Karl Grosse, der als Vorstandsmitglied der Vereinigten Stahlwerke und Wissener Eisenhütten AG zum großen Förderer des Vereins wurde und die Ehrenpräsidenschaft übernahm. So dokumentiert der Stadionname bis ins Jahr 2019 die enge Verbindung von Eisen, Stahl und Fußball – eine Beziehung, die auch in Neunkirchen jahrzehntelang die Basis für den erfolgreichen Fußball im Ellenfeld bildete. Aus dieser historischen Verbundenheit heraus gratuliert die Borussia dem VfB Wissen zu Meisterschaft und Aufstieg und wünscht für die kommende Spielzeit viel Glück und Erfolg in der Rheinlandliga! (-jf-)
Ein interessanter Beitrag, auch von mir herzlichen Glückwunsch an den VfB Wissen zur Meisterschaft und viel Erfolg in der Saison 2019/20!
Grüße aus dem Saarland
Hoch Lebe Eisen!
JK