Von spektakulären und weniger spektakulären Momenten

In Sebastian Cullmann bahnten sich am Samstag nach dem Spiel gegen die SG Mettlach-Merzig die Gefühle ihren Weg nach draußen

Unser Bild: Völlig losgelöst – die ganze Welt umarmen könnte Sebastian Cullmann nach seinem Siegtor gegen die SG Mettlach-Merzig. (Foto: -jf-)

Momente gibt es, die sind einfach spektakulär, atemberaubend, mitreißend. Doch es gibt auch solche, die werden kaum wahrgenommen, laufen unter dem Radar, stehen nicht im Fokus, haben aber doch in ihrer Stille und ihrem Innehalten eine Tiefendimension, die dem Spektakulären abgeht. Der Auftritt von Sebastian Cullmann am vergangenen Samstag im Ellenfeld gegen die SG Mettlach-Merzig hatte beides: Zweifellos spektakulär der fulminante Schuss des Mittelfeldspielers aus etwa 18 Metern, der nach etwas mehr als 70 Minuten wie ein Blitz hinter dem chancenlosen Damir Becker im Gäste-Tor einschlug. Eher unspektakulär und unbeachtet die gefühlt gleich mehrere Minuten dauernde intensive Umarmung zunächst mit seinem jüngeren Bruder Dominik, dann mit Vater Dirk nach den 90 Minuten auf dem grünen Rasen abseits jubelnder Borussen und trauernder Mettlacher. „Die Musik endet nicht mit dem letzten Ton, sondern mit dem Klang der Stille danach“, hat der weltberühmte Klarinettist Giora Feidman einmal gesagt. Das kann übertragen sicher auch für Sebastian Cullmanns Spiel am Samstag gelten.

Der „Held des Tages“ macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Offen und ehrlich gibt er zu, was auch die Bilder zeigen: „Ja, da sind Tränen geflossen, aber Freudentränen. Denn in diesen Momenten ist ganz viel in mir zusammengekommen, das einfach raus musste.“ Im Ellenfeld weiß man, was der 24jährige damit meint. Eine lange Leidenszeit hat er hinter sich, seit er im Sommer 2020 aus dem Primstaler Allerswald nach Neunkirchen gekommen ist. In der Jugend von Rot-Weiß Hasborn und der JFG Schaumberg-Prims fußballerisch bestens ausgebildet, plagten den hochveranlagten Techniker immer wieder Verletzungen, meist muskulärer Art. 56 Spiele mit 8 Toren und 10 Torvorlagen weist seine Bilanz auf fupa.net für die bislang etwas mehr als vier Spielzeiten auf. Das Leiden wollte kein Ende nehmen, die Geduld war arg strapaziert. „Ich habe schon gedacht: Das wird nie mehr etwas“, gibt Sebastian Cullmann einen Blick in sein Inneres preis. Ein erster Hoffnungsschimmer am Horizont: Beim Testspiel in Waldmohr in der Sommervorbereitung das erste gemeinsame Spiel mit Bruder Dominik, der im Sommer 2023 als frisch gebackener Saarlandpokalsieger aus der U19 des 1. FC Saarbrücken ins Borussen-Trikot geschlüpft war. Und gleich ein erstes gemeinsam herausgespieltes Tor. Exakt 267 Tage lang hatte Sebastian Cullmann zuvor nicht mehr auf dem Platz gestanden. Das gleiche Szenario ein paar Wochen später beim Sieg gegen Hasborn: Vorlage Sebastian, Torschütze Dominik heißt auch da die Regieanweisung für das Cullmann-Tor zum 3:1. 

Unbändige Freude nach dem Siegtor (oben), stille Dankbarkeit nach dem Abpfiff (unten) – Sebastian Cullmann erlebte im Spiel gegen Mettlach eine ganze Bandbreite der Emotionen. (Fotos: -jf-)

Geholfen, die lange Durststrecke durchzustehen, hat ihm die fußballbegeisterte Familie. „Sie hat mir immer Rückhalt und Vertrauen gegeben, war immer dabei, und mich in jeder Hinsicht unterstützt, nicht aufzugeben und weiter an mich zu glauben. Und genau das ist am Samstag in mir herausgebrochen.“ Die stillen Umarmungen, die Freudentränen: Ein dickes Dankeschön an Vater, Mutter, Bruder. Als der Ball im Mettlacher Netz zappelte, hat er freilich zunächst andere Gedanken: „Schwer zu beschreiben! Ich spürte einfach nur das Bedürfnis, in die Fankurve zu laufen und dort zu feiern. Denn das hatte ich bis dahin ja noch gar nicht so gekannt.“

Kein Zweifel: Würde es, wie im Profifußball, auch in der Saarlandliga ein Votum zum „Spieler des Spiels“ geben, der Titel der Partie gegen die Vereinigten aus Mettlach und Merzig würde ganz allein Sebastian Cullmann gehören. Nicht allein wegen des spektakulären Treffers, nein: Der (anders als Bruder Dominik) eher sensible Kreativspieler war trickreich und antrittsschnell 90 Minuten ständig unterwegs, bot sich als Anspielstation an, wirkte als Antreiber. Ein Dribbling hier, ein Haken da, mal auf der linken Flanke, mal auf der rechten Außenbahn – Cullmann hier, Cullmann da, Cullmann überall! Auch wenn lange nicht alles klappte: Immer wieder aufstehen, immer wieder ein neuer Versuch. Der verdiente Lohn: Das goldene Tor mit einem wahrhaft goldenen Schuss! „Für Sebastian hat mich das unheimlich gefreut“, gehörte Neu-Trainer Jan Berger auf dem Platz unmittelbar nach dem Treffer zu den ersten Gratulanten des Torschützen. Schon vor dem Spiel konnte der Übungsleiter in einem Gespräch feststellen, „wie emotional Sebastian dabei war.“

Pure Lust am runden Leder: „Fußballspielen macht immer Spaß“, sagt Sebastian Cullmann – und das nimmt man dem Kreativspieler auch ab! (Foto: -jf-)

Wo soll es jetzt hingehen? „Das Tor gibt mir Rückenwind. Es macht mich auch ein bisschen stolz, dass ich erstmals seit ganz langer Zeit die 90 Minuten durchgehalten habe und gemerkt habe, dass sich harte Arbeit am Ende auszahlt. Ich fühle mich gut, so soll es auch bleiben“, strahlt er viel Optimismus aus. 23, 28, 29, 24, 22 und jetzt 90 – das sind dabei nicht die Lottozahlen des Wochenendes, sondern Sebastian Cullmanns Einsatzzeiten seit Beginn der Vorbereitung. Da soll im Lauf der Runde noch möglichst viel dazukommen. Doch er weiß auch, „dass ich jetzt im Überschwang der Emotionen nicht übertreiben und überheizen darf, sondern in meinen Körper hineinhorchen muss.“ Das neue Trainerteam hat ihn darin bestärkt, nach vorne zu schauen. Das, was war, zählt nicht mehr: Das gilt auch für die Mannschaft, die aus der englischen Woche sieben Zähler geholt hat.

Dass sich die Borussen dabei gegen Mettlach schwergetan haben, ist für Sebastian Cullmann nicht verwunderlich: „Mettlach war und ist immer ein schwierig zu bespielender Gegner. Sie stehen gut und machen es einem schwer durchzukommen. Ich würde nicht sagen: Es macht keinen Spaß, gegen sie zu spielen, denn Fußballspielen macht mir immer Spaß, aber es gibt angenehmere Gegner“, so sein Resümee nach den 90 Minuten vom Samstag. Spätestens hier, beim Stichwort Spaß, blitzt sie durch: Die Spielfreude des Offensivspielers, der im Ellenfeld heimisch geworden ist und sich pudelwohl fühlt. Keine unwichtige Voraussetzung dafür, dass Sebastian Cullmann auch in Zukunft der Borussia so manche spezielle Momente bescheren kann: Spektakuläre mit unbändigem Jubel, aber auch stille mit ganz viel Tiefgang! (-jf-) 

3 Kommentare

  1. Wie immer hat Jo mit seinem Bericht,alles auf den Punkt gebracht,ohne die Leistung seiner Mitspieler zu schmälern. GO BORUSSIA.

  2. Einmal mehr ein großartiger Bericht von Jo Frisch, der über das rein Sportliche hinaus einen emotionalen Eindruck von unseren Spielern vermittelt. Ich halte das im Hinblick auf den Zusammenhalt der Borussen-Familie für sehr wichtig. Respekt, Jo!

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