Aus der traditionsreichen Historie der Borussia: Heute vor 56 Jahren verlor eine gleichwertige Borussia mit 0:2 gegen den FCK / Platzverhältnisse wären heute nicht mehr akzeptabel
Unser Bild: Vier gegen zwei – die Borussen (v.l.) Volker Münz, Dieter Schock und Horst Berg schauen Stürmer Gunter Heiden zu, der sich gegen die Lauterer Werner Mangold (Nr. 4) und Dietmar Schwager in die Luft „geschraubt“ hat, das Lauterer Tor, von Horst-Dieter Strich gehütet, aber knapp verfehlt. (Foto: 90 Minuten – mit Ferdi Hartung in die Bundesliga)
Eigentlich sollte unsere Borussia an diesem Wochenende im Rahmen des 17. Spieltags zum FV Schwalbach reisen. Mit dieser Partie wäre die Vorrunde der Saarlandliga abgeschlossen worden. Doch wann die Runde wieder aufgenommen wird, ist nach wie vor völlig offen. Heute vor 56 Jahren hatte der Spielplan für die Borussia ebenfalls eine Reise auf dem Programm. Der Bundesliga-Aufsteiger war auf dem Betzenberg in Kaiserslautern zu Gast. In den Tagen zuvor hatte es geschneit, deshalb stand die Partie bei den Roten Teufeln eine Zeit lang auf der Kippe, bis der Unparteiische Günter Sparing aus Kassel entschied: Es kann gespielt werden! Der schnell regelrecht umgepflügte Boden brachte den Borussen letztlich kein Glück: Der 1. FC Kaiserslautern war in seiner Chancenverwertung einfach effektiver als Borussia und gewann 2:0.
23.000 Zuschauer waren zum Betzenberg hinaufgestapft. Sie sahen keine hochklassige Partie. „Das lag in erster Linie an den sehr schwierigen Platzverhältnissen, die eine Mischung von schneebedecktem, gefrorenem und aufgeweichten Rasen darstellten. Es gab eine Unzahl von Stürzen und Karambolagen, denen Schiedsrichter Sparing dadurch zu begegnen suchte, dass er viel – viel zu viel! – pfiff“, berichtet die „Saarbrücker Zeitung“ (SZ), die den Borussen aber eine insgesamt überlegen geführte Partie zugestand, in der die Ellenfelder es verpassten, „die sturmreife Festung zu stürmen.“ Willi Wrenger Roten Teufel früh in Führung gebracht (4.), in der zweiten Halbzeit sorgte Helmut Kapitulski nach 72 Minuten mit dem 2:0 für die Entscheidung.
Borussen-Trainer Horst Buhtz hatte auf dem Betzenberg folgender Mannschaft das Vertrauen geschenkt: Horst Kirsch – Horst Berg, Günter Heiden, Günter Kuntz, Erich Leist, Elmar May, Achim Melcher, Volker Münz, Dieter Schock, Hennes Schreier, Günter Schröder. Auf Lauterer Seite stand mit dem jungen Dietmar Schwager ein Spieler auf dem Platz, der damals noch nicht ahnte, dass er in den 70er Jahren fast drei Jahre auf der Trainerbank der Borussia sitzen sollte!
Dabei hatten die Borussen vor der Partie als Tabellenzwölfter in der Tabelle sogar vor dem FCK gestanden und hatten eine Woche zuvor beim in der Duisburger Wedau beim Meidericher SV mit 1:1 einen verdienten Punkt ergattert. Trotzdem zeigte die Partie auf dem Betzenberg ziemlich gnadenlos die Auswärtsschwäche des Bundesliga-Neulings aus dem Ellenfeld auf, die den Klassenerhalt und den beachtlichen zehnten Tabellenplatz am Saisonende (die beste Bundesliga-Platzierung eines saarländischen Clubs in der Geschichte der Elite-Liga des deutschen Fußballs!) wesentlich ihrer Heimstärke verdankten: Nur der 1. FC Kaiserslautern (3:0 im Hinspiel) und Borussia Dortmund (2:1) konnten seinerzeit das Ellenfeld erstürmen! Auch eine Woche nach der Niederlage beim Fritz-Walter-Club bewiesen die Borussen ihre Kampfkraft im heimischen Stadion und brachten den Spitzenreiter und späteren Meister Werder Bremen beim 1:1 an den Rand einer Niederlage.
Und noch etwas macht das Bundesligaspiel vor nunmehr 56 Jahren deutlich: Winterliche Platzverhältnisse gehörten zum damaligen Spielbetrieb dazu. Eine Rasenheizung gab es noch nicht, die Mannschaften mussten mit Bodenverhältnissen zurecht kommen, auf denen heutzutage erst gar nicht angepfiffen würde. Von den Anfahrtswegen für die Zuschauer ins Stadion gar nicht zu reden. Auch die Spielvorbereitung gestaltete sich bei vielen Akteuren noch etwas anders. Kaiserslauterns Stürmer Harald Braner, der in der Partie gegen die Borussen ebenfalls dabei war, erzählt, nicht ohne ein Schmunzeln im Gesicht: „Zu Beginn meiner Zeit beim FCK habe ich noch in Worms gewohnt. Da wir vor Heimspielen immer vormittags eine Teambesprechung hatten, fuhr ich morgens früh schon nach Kaiserslautern. Nach der Besprechung bin ich dann mit unserem Kapitän Jürgen Neumann nach Hause. Seine Mutter hat uns eine große Protion Hühnerfrikassee gemacht. Anschließend haben wir uns eine Stunde aufs Ohr gehauen und sind dann zum Betzenberg hoch. So sah unsere Spielvorbereitung aus!“ Auch kaum mehr vorstellbar: Braner durfte bei Auswärtsspielen, gerade im Süden der Republik, mit seiner Sporttasche auch schon mal an der Autobahn warten, bis der Mannschaftsbus anhielt und ihn „aufgabelte“.
Eine außergewöhnliche Spielvorbereitung ist auch für Borussias Verteidiger Günter Schröder verbrieft. Trainer Günter Buhtz hatte die Mannschaft vor dem Heimspiel gegen den Hamburger SV im September 1964 wie üblich im Schulungsheim der Arbeitskammer in Kirkel „kaserniert“. Unmittelbar vor der Partie erhielten die Borussen-Jungs noch zwei Stunden frei. Aus Kirkel kommend nutzte „Schäumche“, so Schröders Sptzname, die freie Zeit, um noch schnell den Dachstuhl seines neuen Hauses zu streichen, bevor am Montagmorgen der Dachdecker anrückte. Anschließend ging es mit der Sporttasche ins Ellenfeld, wo dann der große HSV mit Uwe Seeler, Charly Dörfel und Co. mit 3:1 besiegt wurde! So schlecht kann die Vorbereitung also nicht gewesen sein … Wie sagte schon der römische Dichter Ovid vor mehr als 2000 Jahren: „Tempora mutantur, et nos mutamur in illis – die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen!“ (-jf-)
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