Kleiner Friede im großen Krieg

Eine Weihnachtsgeschichte aus dem Jahre 1914 zum Nachdenken, verbunden mit den besten Wünschen zum Fest für die ganze Borussia-Familie und alle Fußballfreunde

Unser Bild: Am 23. März 1913 feiert der neue Borussen-Sportplatz „in den Ellenfeldern“ mit dem Spiel der Borussia gegen den Spartans FC Walthamstow aus London (2:5) seine internationale Premiere. 18 Monate später standen sich britische und deutsche Soldaten in den Feldern Flanderns im sportlichen Wettkampf gegenüber – mitten im brutalen Stellungskrieg. (Foto: 100 Jahre Ellenfeld)

Längst sollten sie wieder zuhause sein. „Bis Weihnachten ist alles beendet“, haben ihnen die Generäle versprochen, als im August der Krieg begann. Doch im Spätherbst 1914 kommt der Konflikt zwischen dem Deutschen Reich und den alliierten Westmächten zum Stillstand, ein erbitterter Stellungskrieg lässt die Front zwischen dem flandrischen Ypern und dem französischen Richebourg in der Adventszeit zur Hölle auf Erden werden. Kälte, Feuchtigkeit, Hunger, Dreck, explodierende Granaten und umherfliegende Kanonenkugeln verwandeln die grünen Wiesen und Wälder in eine Mondlandschaft – mitten in den Todesfeldern stecken Millionen von Soldaten aus Deutschland, Belgien, Frankreich und England fest. Der Kampf ums nackte Überleben lässt für vorweihnachtliche Gefühle keinen Millimeter Raum. „Jeder Stoß, ein Franzos´!“ Das ist die Sprache des ersten Weltkriegs. Ein Fußball sorgt wenigstens für ein paar Momente der Unbeschwertheit.

Urplötzlich kehrt am 24. Dezember Ruhe an der Frontlinie ein. Irgendwo ist ganz leise eine Melodie zu hören. „Stille Nacht, heilige Nacht.“ Angestimmt von einem deutschen Soldaten. Die Briten, die in den gegenüberliegenden Gräben nur wenige hundert Meter entfernt liegen, beginnen dasselbe Lied in ihrer Sprache. „Silent light, holy night.“ Allierte aus Frankreich und Belgien stimmen ein: „Douce nuit“. Die Deutschen entzünden Kerzen und stellen sie auf die Wälle ihrer Schützengräben. Kilometerweit zieht sich jetzt eine Lichterkette, wo noch zuvor Gewehrmündungen geglüht haben. „Das war die reinste Illumination“, wird ein Soldat bei der Deutschen Welle zitiert. Doch das britische Oberkommando ist misstrauisch, warnt vor einem bevorstehenden Angriff. An einigen Abschnitten eröffnen die Scottish Seaforth Highlander das Feuer. Doch nichts passiert, die Deutschen schießen nicht zurück. Die Briten hören sie stattdessen leise plaudern oder singen, gelegentlich wird ein Weihnachtsgruß hinübergerufen. Eine Schachtel Zigaretten wechselt die Seiten. Für kurze Momente flackert Menschlichkeit auf an diesem Ort der Unmenschlichkeit.

Als sich im Morgengrauen des ersten Weihnachtstags die Nebelschwaden verzogen haben, fassen beide Lager den Mut, sich im freien Feld zu treffen. Die Schützengräben leeren sich. Leutnant Johannes Niemann vom 133. Königlichen Sächsischen Infanterieregiment beobachtet durch einen Feldstecher, dass ein schottischer Soldat einen Fußball mitgebracht hat. Einem echten Lederball! Und es geschieht das Unglaubliche: Auf gefrorenem Boden, mit Helmen als Torpfosten, entwickelt sich aus zunächst schüchternen Pässen ein richtiges Spiel. „Obwohl sie alle todmüde sein mussten, spielten sie mit riesigem Enthusiasmus“, notiert Leutnant Niemann später in sein Tagebuch. Alle halten sich – auch ohne Schiedsrichter – streng an die Regeln, fällt einer in Stiefeln und Rock in den Schmutz, helfen ihm die Gegner wieder auf die Beine. Nach etwa einer Stunde bekommt einer der Oberkommandierenden Wind von der Sache. Prompt ergeht der Befehl, schleunigst hinter die Frontlinien zurückzukehren. Leutnant Niemann hält immerhin das Ergebnis fest: „3:2 zugunsten von Fritz gegen Thommy.“ Ein kleines Weihnachtswunder. Ein kleiner Friede im großen Krieg.

Auch an anderen Stellen der Westfront soll es, so der Jornalist Michael Jürgs, zu spontanen Matches zwischen britischen und deutschen Einheiten gekommen sein. Die Bälle stammen dabei fast immer aus dem angelsächsischen Lager. „Wir schickten mit dem Fahrrad einen nach hinten in unsere Reservestellung, und der holte den Ball“, berichtet es Harold Bryan in einem Brief an seine Eltern. Nach dem erfolgreichen Auftakt vereinbaren hunderte verfeindete Soldaten für den zweiten Feiertag ein erneutes sportliches Kräftemessen. Doch die Befehlshaber schieben dem einen Riegel vor. Dennoch gelingt es einigen Kompanien mit militärischem Ungehorsam, die Vorgesetzten auszutricksen und am Boxing Day zwischen den Linien zu kicken.

Friedvolle, gesegnete und frohe Weihnachten – wünscht die Borussia allen Fußballfreunden!

Liebe Borussen, liebe Fußballfreunde, werden wir uns in Zeiten, in denen allenthalben die Gehässigkeit wächst, Schiedsrichter bedrängt werden und dem sportlichen Gegner auf dem Platz und auf den Rängen zuweilen wenig Respekt entgegenschlägt, der verbindenden und Frieden und Verständigung stiftenden Wirkung des Fußballsports wieder mehr bewusst.  In diesem Sinne wünscht Borussia allen Mitgliedern, Freunden, Fans, Sponsoren und Unterstützern ein friedvolles, gesegnetes und frohes Weihnachtsfest. Mit den Wünschen verbinden wir unseren ganz herzlichen Dank für die im zu Ende gehenden Jahr geleistete Hilfe und das große Engagement zugunsten der Borussia. (-jf-)

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