Aus Borussias Bundesliga-Historie – Heute vor 55 Jahren Vorrundenabschluss im Ellenfeld bei extrem winterlichen Verhältnissen
Unser Bild: Hennes Schreier, Lothar Groß und Erich Leist (v.l.) kämpfen als regelrechte „Schneeballer“ in dieser Szene mit dem Tiefschnee im Ellenfeld. (Foto: 90 Minuten. Mit Ferdi Hartung in die Bundesliga)
Frau Holle hatte es gut gemeint mit dem Saarland in diesen Tagen Anfang Dezember 1964 vor dem 14. Spieltag der Fußballbundesliga. Fast zehn Zentimeter hoch lag der Schnee auf dem Rasen des Ellenfeld-Stadions. Mit Verhältnissen, die heutzutage in Bundesliga-Stadien dank der Rasenheizung nicht mehr anzutreffen sind, bei denen heutzutage aber auch kein Spiel mehr angepfiffen würde, hatten sich also die 22 Akteure, Schiedsrichter Rudolf Kreitlein aus Stuttgart und die 18. 000 Zuschauer am 5. Dezember 1964 auseinanderzusetzen, als die Borussia und Hertha BSC unter den Augen des damaligen Bundestrainers Helmut Schön den in winterliches Weiß gekleideten Platz betraten.
Die Borussen hatten eine Woche zuvor Hannover 96 mit 2:1 niedergerungen, wollten den Sieg im unmittelbar folgenden Heimspiel gegen die Berliner so richtig vergolden und gleichzeitig in der Tabelle an ihren Gästen vorbeiziehen. Doch der tückische Untergrund setzte diesem Vorhaben arge Grenzen. Das immer wieder bemühte Kurzpass-Spiel der Borussia erwies sich als die falsche Strategie. Dem Zufall waren Tür und Tor geöffnet. „Einen Vorteil aus dem bis zu zehn Zentimeter hohen Schneeboden konnte kein Team ziehen. Für Techniker wie Achim Melcher und Erwin Glod auf Seiten der Borussen oder den Herthaner Jürgen Sundermann war der Untergrund natürlich Gift“, ist im Spielbericht auf fussballdaten.de zu lesen. Einige begriffen wohl auch erst sehr spät, dass ein solches Terrain für Dribblings denkbar ungeeignet war. Die Abwehrspieler hatten naturgemäß auf beiden Seiten Vorteile gegenüber den Angreifern, die oft vergeblich um Ballkontrolle bemüht waren und nur in wenigen Situationen für echte Gefahr sorgen konnten.
Nach zehn Minuten konnte Günter Kuntz seinem Bewacher Otto Rehhagel entwischen, legte für Günter Heiden auf, der nur noch zum 1:0 für die Borussia einschieben musste. Für die Berliner, die raumgreifender agierten, glich Lothar Groß aber schon kurz darauf aus (16.). Hertha spielte in der Folge zügiger, ließ sich nicht auf unnötige Zweikämpfe ein, blieb im Angriff aber stumpf und geriet so durch einen indirekten Freistoß wieder in Rückstand: Erneut war es Borussias bulliger Sturmtank, der sich einen „Heiden“-Spass machte und die Lücke fand, obwohl sich zehn Berliner unmittelbar vor der Torlinie postiert und den Kasten verbarrikadiert hatten. Nach der Pause hatten die Borussen ein deutliches Übergewicht: Sie spielten jetzt, den Platzverhältnissen Rechnung tragend, mit weiten Pässen und erarbeiteten sich Chancen. Ein dicker Patzer von Keeper Kirsch, der Krampitz anschoss, so dass der Ball ins Tor prallte (64.), verhinderte am Ende den Sieg ebenso wie Pfosten (Kuntz), Querlatte (Melcher), Nationaltorwart Wolfgang Fahrian und der Schnee. So hatte der Nikolaus nach 90 Minuten Schneeball-Spiel am Vorabend seines Feiertages für jedes Team einen Punkt im Sack, mit dem die Borussen nicht so recht zufrieden waren.
Denn sie hatten es verpasst, sich aus der Gefahrenzone der Tabelle Richtung Mittelfeld abzusetzen, und überwinterten nach der folgenden 2:3-Niederlage beim VfB Stuttgart auf Rang 14 unmittelbar vor den Abstiegsplätzen – einen Punkt vor dem Karlsruher SC, drei vor Schalke 04. Was zum Zeitpunkt des „Schneeball-Spiels“ noch keiner wissen konnte: Hertha BSC wurde am Ende der Saison vom DFB zum Zwangsabstieg in die Regionalliga verurteilt: Die Berliner hatten sich dazu hinreißen lassen, den Spielern höhere Handgelder als erlaubt zu zahlen – aus der historisch bedingten Not heraus, denn so kurz nach dem Mauerbau war es wohl nur durch illegales Zubrot möglich, hochklassige Spieler zu einem Engagement in Berlin zu bewegen.
Borussia spielte, betreut von Trainer Horst Buhtz, an jenem 5. Dezember 1964 mit: Horst Kirsch, Erich Leist, Dieter Schock, Hans Schreier, Günter Schröder, Erwin Glod, Dieter Harig, Achim Melcher, Günter Heiden, Günter Kuntz und Elmar May. Im Team der Hertha standen mit Otto Rehhagel, Uwe Klimschewski, Jürgen Sundermann, Willibert Kremer und Carl-Heinz Rühl gleich fünf Spieler, die sich in späteren Jahren in der Bundesliga als Trainer oder Manager einen guten Ruf erarbeiteten. Darüber hinaus hatte Trainer Josef Schneider Torwart Wolfgang Fahrian, Hans Eder, Lothar Groß, Hans Günter Schimmöller, Michael Krampitz und Kurt Schulz in das Schneegestöber des Ellenfelds geschickt. (-jf-)
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