Aus Borussias traditionsreicher Historie: Verdienter 2:1-Heimsieg über Hannover 96 / Erwin Glod und Günter Kuntz die Torschützen / Hannovers Anschlusstreffer kommt zu spät
Unser Bild: Eruption der Freude nach Erwin Glods fulminantem Schuss, der Sekundenbruchteile vor der Jubel-Szene zum 1:0 im 96-Netz eingeschlagen hat, ehe die Borussen eine regelrechte Glückskugel über dem Torschützen formen! (Foto: 90 Minuten – mit Ferdi Hartung in die Bundesliga)
Es war ein typischer November-Samstag heute vor 56 Jahren. Ein tristes Grau hat sich wie eine kalte Decke über Neunkirchen gestülpt, Nebelschwaden wabern bis ins Ellenfeld-Stadion hinein. Nur schemenhaft zu erkennen: Die Häuser oberhalb der Spieser-Kurve, die Temperaturen in dieser Gemengelage gefühlt ein paar Grad niedriger als in Wirklichkeit. Dennoch sind fast 20.000 Zuschauer frohen Mutes zum siebten Heimspiel der Saison 1964/65 gekommen. Denn die Borussia hat zuvor auf heimischem Rasen nach den Niederlagen gegen Dortmund (1:2) und den Nachbarn aus Kaiserslautern (0:3) – die einzigen Teams, die in der gesamten Spielzeit im Ellenfeld gewinnen konnten! – mächtig aufgetrumpft: Der HSV inklusive Uwe Seeler wurde 3:1 geschlagen, der MSV Duisburg mit Weltmeistert Helmut Rahn mit 4:2 ausgespielt. Auch 1860 München hatte beim 3:0 wenig zu bestellen, beim 1:0 gegen den Karlsruher SC hatten die Borussen schon mehr Gegenwehr zu bekämpfen. Gegen den Mitaufsteiger Hannover 96 soll die Serie jetzt ausgebaut werden.
Doch das ist kein Selbstläufer. Denn die Roten vom Maschsee haben sich im Juni – ebenso überraschend wie die Borussia – in ihrer Aufstiegsgruppe durchgesetzt, mischten die Liga gehörig auf. Mit Jürgen Bandura, Walter Rodekamp und Udo Nix sind hervorragende Techniker in ihren Reihen der Niedersachsen am Werk, die ein Spiel aufzuziehen wissen. Doch vielleicht liegt schon darin der Schlüssel zum Sieg der Borussen. Denn „Hannover 96 versuchte Borussia auszuspielen. Die Mannschaft kam nicht dazu“, berichtete die „Saarbrücker Zeitung“, wo es weiter heißt: „Das Angriffsspiel kam nicht zur Entfaltung, weil Dieter Schock Hannovers Spielmacher Nix nie aus den Augen ließ. Ohne die Regie von Nix aber spielte sich nix ab! Mochte der hervorragende Mittelstürmer Rodekamp auch Haken schlagen wie ein Hase, es gab kein Entrinnen.“
Nach einer torlosen ersten Halbzeit, in der beide Teams nur mittelprächtige Torchancen haben und ansonsten nicht so recht den Beweis ihrer Klassenreife zu erbringen wissen, neigt sich die Waagschale durch einen taktischer Glücksgriff von Horst Buhtz zugunsten der Ellenfelder. „Der Borussen-Trainer war das Risiko eingegangen, dem langen Techniker Melcher die vakante Schlüsselstelle, die der verletzte Paul Pidancet zu besetzen hatte, zuzuweisen. Doch Melcher fehlte noch die Ballsicherheit und die Präzision im Abspiel, so dass die Neunkircher Spitzen nur unzureichend versorgt wurden. (…) Mit dem Glod-Melcher-Tausch kam die vermisste Präzision ins Sturmspiel der Borussen. Glod brillierte in der Rolle des Spielgestalters“, beschreibt die Website fussballdaten.de den Hauptgrund dafür, dass die Borussen nach dem Wiederanpfiff das Heft in die Hand nehmen und keinen Zweifel mehr am späteren Sieger aufkommen lassen. Zwar findet zunächst ein Kopfballtorpedo von Elmar May wegen Abseits bei Schiedsrichter Alfons Betz aus Regensburg keine Anerkennung, doch nachdem Erwin Glod mit einem Scharfschuss getroffen hat (51.) und Günter Kuntz nach May-Eckstoß richtig stand und das 2:0 markierte (64.), „entfalteten die Neunkircher urplötzlich die ganze Skala ihres doch schon recht gefälligen Könnens. Selbst das Spiel ohne Ball“, so die „SZ“, „für manchen Borussen oft noch so etwas wie ein Buch mit sieben Siegeln, beherrschten sie jetzt. Der Gegner wurde arg durcheinandergewirbelt, vor seinem Tor häuften sich die kritischen Szenen.“ Bei Elmar Mays Gewaltschuss, den Keeper Podlasly meisterlich abwehrt, liegt gar das 3:0 in der Luft – es wäre verdient gewesen, denn der Sieg Borussias fällt viel klarer aus, als es das 2:1-Endergebnis nach Hannovers spätem Anschlusstreffer durch Werner Gräber (88.), der bei einem Roller Glück hat, dass das Leder vom Innenpfosten ins Tor prallt, zum Ausdruck bringt.
Während Borussen-Trainer Horst Buhtz mit dem Platztausch Melcher/Glod das „Ei des Kolumbus“ gefunden hat und über den fünften Heimsieg mehr als glücklich ist, moniert 96-Coach Kronsbein nach den 90 Minuten die allzu sehr auf das Spielerische bedachte Einstellung seiner Elf: „Der Kampfeswille ist die Grundvoraussetzung, um hier im Ellenfeld bestehen zu können. Wer glaubt, der Borussia nur mit spielerischen Mitteln beikommen zu können, wird hier stets Schiffbruch erleiden“, ärgert sich der „Pfiffi“, der allerdings mit seinem Team nach der Winterpause von Erfolg zu Erfolg eilt und am Saisonende auf einem mehr als beachtlichen 5. Tabellenplatz landet! Da auch die Borussia mit Rang 10 eine vor Saisonbeginn kaum erhoffte und die bis heute beste Platzierung eines saarländischen Vereins in der Bundesliga erreicht, kann man wohl mit Fug und Recht sagen, dass die beiden Aufsteiger eine echte Bereicherung für die Liga darstellten. Auch wenn sich an jenem trüben Novembersamstag heute vor 56 Jahren die abendliche Dämmerung schon früh über die Ränge legt und langsam ins Altseiterstal kriecht, herrscht angesichts des 2:1-Sieges im Aufsteigerduell im Ellenfeld bei Mannschaft und Anhang der Schwarz-Weißen eitel Sonnenschein!
Borussen-Coach Horst Buhtz hatte im Aufsteigerduell folgende Mannschaft auf den Rasen geschickt: Horst Kirsch – Erich Leist, Dieter Schock, Hans Schreier, Günter Schröder, Erwin Glod, Dieter Harig, Achim Melcher, Günter Heiden, Günter Kuntz, Elmar May. Sein Gegenüber Helmut Kronsbein schenkte folgender Elf das Vertrauen: Horst Podlasy, Klaus Bohnsack, Otto Laszig, Heinz Steinwedel, Werner Gräber, Winfried Mitrowski, Karl-Heinz Mühlhausen, Udo Nix, Jürgen Bandura, Georg Kellermann, Walter Rodekamp. (-jf-)
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