Aus der traditionsreichen Geschichte der Borussia / Endrunde um die deutsche Meisterschaft 1963 – Letzter Teil der Serie: 123.000 Fans bei den drei Heimspielen im Ludwigspark
In einer atemberaubenden Endrunde um die Deutsche Fußballmeisterschaft, der letzten vor Einführung der Bundesliga, war der Borussia aus dem Ellenfeld mehr als nur ein Achtungserfolg gelungen. Ein respektabler dritter Platz in der starken Gruppe 2, punktgleich mit den Münchner Löwen, dabei den favorisierten Hamburger SV auf den letzten Platz verwiesen – das hätte dem Vizemeister der Oberliga Südwest keiner zugetraut. Die Borussen schnitte dabei weit besser ab als Südwest-Meister 1. FC Kaiserslautern, der in Gruppe 1 gegen den 1. FC Köln, Hertha BSC und den 1. FC Nürnberg sieglos blieb.
Einen schönen Erfolg verbuchte so ganz nebenbei auch Stürmer Elmay May. Der „blonde Engel“ belegte mit vier Toren den 4. Platz in der Torjägerliste der Endrunde, nur ganz knapp hinter den Nationalspielern Rudi Brunnenmaier (1860), Timo Konietzka und Jürgen Schütz (beide Dortmund), die jeweils fünf Treffer erzielten. Das Fußballpublikum nahm diese letzte Endrunde mit großer Begeisterung an. Erstmals wurde die magische Grenze von 1 Million Zuschauer übertroffen. 38.500 Besucher im Schnitt besuchten alle Spiele beider Endrundengruppen. Die Borussia lag sogar noch darüber. 123.000 Fans passierten die Tore des Ludwigspark-Stadions in Saarbrücken, 41.000 pro Spiel. Gefühlt mindestens das halbe Saarland wollte die Borussia siegen sehen. Doch die Fans kamen auch aus dem benachbarten Rheinland-Pfalz, Frankreich und Luxembourg.
„Wer kurz vor dem Spiel durch die nähere und weitere Umgebung des Stadions bummelte, konnte sich anhand der Kraftfahrzeug-Kennzeichen ein recht eindrucksvolles Bild von dem beachtlichen Einzugsgebiet machen, das das Spiel gegen die Münchener Löwen hatte“, heißt es in einem Bericht der „Saarbrücker Zeitung“. Ihre Zeilen untermauerte die „SZ“ mit einem Foto (oben), das gut veranschaulichen konnte, „welche Park- und Verkehrsregelungsprobleme solche Massen von Fahrzeugen, deren Fahrer natürlich bestrebt waren, möglichst nahe ans Stadion heranzukommen, für die Polizei aufwarf.“ Das Bild zeigt eine Partie auf der Grülingstraße / Camphauser Straße, wo der ohnehin fast stillliegende Verkehr sich nur noch mit äußerster Vorsicht durch die enge „Gasse“ winden konnte. Manche Zuschauer suchten sich in dem Gedränge auch einen exponierten Platz, um über die Köpfe der mehr als 40.000 hinweg noch etwas von den großen Fußballkämpfen auf dem grünen Rasen mitzubekommen. „Autodächer dienten teilweise als Sitzplätze, in den Bäumen hingen sie, und an den Hängen standen sie dichtgedrängt. Ganz Findige schleppten plötzlich Metallleitern herbei. Sie stellten sie an die Fahnenmasten, und schon hatten diese Fußballbegeisterten einen luftigen, wenn auch unbequemen und nicht ganz ungefährlichen Stehplatz mit einem guten Blick auf das Spielfeld. Das haben die Arbeiter an der Flutlichtanlage sicherlich nicht vermutet, dass ihre Leitern für einen derartigen Zweck benutzt werden“, kommentierte die „SZ“. Vereint waren die Fans auch auf einer „mobilen Tribüne“ zu sehen, zu der sie beim Spiel gegen die Borussia aus Dortmund kurzerhand den Wagen eines beliebten Getränke-Herstellers umfunktioniert hatten (Foto unten). Das zeigt: Nicht nur sportlich konnte es der Verein aus dem Ellenfeld mit den Großen des Landes aufnehmen!
Die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft 1963 – die letzte vor Einführung des Erfolgsmodells Bundesliga. Ein – heute würde man sagen – „Event“ von sporthistorischer Bedeutung mit einer Borussia, die es nicht nur sportlich, sondern auch, was die Anziehungskraft des Publikums angeht, mit den Großen des Landes auf sich nehmen konnte. Und deshalb ist dieser kleine Ausflug in die Vergangenheit eine Erinnerung wert: Für die Jüngeren im Sinne der Tradition, der Bewusstmachung eines kulturellen Erbes, das die Borussia in enger Verbindung mit dem Ellenfeld-Stadion nach wie vor darstellt. Für die Älteren im Sinne der Aktivierung des im Gedächtnis abgespeicherten Erlebten, das vielleicht zum Teil nur noch vage vorhanden ist – gerade in Krisenzeiten willkommen, aufmunternd, erheiternd, weil positiv besetzt. Denn schließlich sind die Erinnerungen das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann. (-jf-)
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