Alte Liebe lebt – jede Krise kann eine Chance sein, auch für die Borussia
Schon die alten Griechen kannten Krisen. Schließlich stammt das Wort aus ihrer mehr als 3000 Jahre alten Sprache. Krisis: Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung mit vorangegangener massiver Zuspitzung eines Problems. Unmittelbar damit verknüpft eine Entscheidungssituation: Katastrophe oder neue Chance! Neue Chance – auch dafür gab es im antiken Hellas ein Wort: Kairos, die sich bietende einmalige Gelegenheit, die eine nachhaltige Veränderung in Gang setzen kann.
Die Krise hat derzeit die Welt fest im Griff. Auch der Fußball befindet sich in ihrem Schwitzkasten. Die Menschen haben Angst. Nicht nur vor dem Virus, nein, auch vor dem, was Corona begleitet. Was ist mit meiner Arbeitsstelle? Müssen die Firma, die geliebte Kneipe, der Laden um die Ecke dicht machen? Ob diese Angst letztlich begründet ist, lässt sich in Zeiten, in denen sich die Verhältnisse nahezu stündlich enden, schwer prognostizieren. Das öffentliche Leben steht fast komplett still. Soziale Kontakte sind eingeschränkt, womöglich droht eine Ausgangssperre. Jeder ist auf sich selbst zurückgeworfen. Viel Zeit zum Nachdenken: Was ist wirklich wichtig?
Der Saarländische Fußballverband hat, wie zu erwarten, die Aussetzung des kompletten Spielbetriebs bis zum 20. April verlängert. Auch rund um das Ellenfeld ist es derzeit gespenstisch ruhig. Keine fröhlichen Kinderstimmen, kein ausgelassener Torjubel in der Ferraro-Sportarena, kein Training der über 120 Jugendlichen, kein Leben in den Jugendräumen, keine Übungseinheiten der Borussen-Girls und der zweiten Mannschaft. Auch das Stadion, das mit jeder Ritze, jeder Fuge Fußballhistorie versprüht, liegt wie eine Trutzburg des alten Fußballs still und verlassen am Mantes La Ville-Platz – eisern bewacht von der überlebensgroßen Fußballer-Statue vor Block 5. Kein Liveticker, nichts mehr zum Freuen, zum Streiten oder zum Diskutieren. Verflogen ist die Vorfreude auf Spiele in der einzigartigen Atmosphäre der altehrwürdigen Sportstätte. Lediglich der Wind treibt übrig gebliebene Papierschnitzel und Blätter vor sich her. Ja, so muss es sich anfühlen, gäbe es die Borussia, gäbe es das Ellenfeld nicht mehr. Wäre das etwas, was wir wollen?
Wie alles wird auch die Corona-Krise vorbeigehen. Die Menschen werden darüber hinwegkommen, womöglich sogar gestärkt aus ihr hervorgehen. Bekanntlich hat alles Negative auch positive Aspekte. Aus der Krise einen Kairos machen. Auch im Fußball. Was ist wirklich wichtig? „Back to he roots, die Cash-cow Bundesliga wieder zu einem Kälbchen machen“, so die Botschaft einer Kolumne von Thomas Poppe in einem lesenswerten Beitrag im online-Magazin FUMS (Magazin für Fußball und Humor). „Selbst wenn die Bundesliga stirbt, wird der Fußball überleben. Ob Lewandoswki und Werner oder irgendwelche Jungs aus der Regionalliga, deren Namen wir noch nicht kennen, die Gesichter der höchsten deutschen Spielklasse sein werden, wird dem Spiel selbst nichts antun, mal von der spielerischen Qualität abgesehen“, ist Poppe überzeugt, auch wenn er seine Gedanken lediglich als „Träumereien“ bezeichnet. Aber Träume sollte erlaubt sein, gerade und erst recht in schwierigen Zeiten.
Schwierig auch für die Borussia. Was ist sie uns wert? Was ist uns das Ellenfeld wert? Daran hängen immer noch viele Herzen, auch wenn diejenigen, in deren Brust sie im schwarz-weißen Takt schlagen, nicht mehr ins Stadion gehen. Denn Neunkirchen ist ohne die Borussia, ohne das Ellenfeld, ohne diese Tradition nicht vorstellbar. Was bliebe, wenn Borussia stürbe, wären Stille und Erinnerung. Das kann es nicht sein! Besinnen wir uns, wie wir mit allen Kräften der Borussia – in welcher Form auch immer! – helfen können. Sei es durch Unterstützung der stetig wachsenden Jugendabteilung, sei es durch ein Engagement im Organisationsteam, sei es durch den Besuch im Ellenfeld, wenn die Kugel wieder rollt. „Support your local team“ – das lohnt sich, das bewirkt Nähe, Bindung, Mitmenschlichkeit und Solidarität!
„Jede Tiefenkrise hinterlässt eine Story, ein Narrativ, das weit in die Zukunft weist. Eine der stärksten Visionen, die das Corona-Virus hinterlässt, sind die musizierenden Italiener auf den Balkonen“, meint Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher in seiner optimistisch stimmenden Prognose, und fragt sich: „Wenn das Virus so etwas kann – können wir das womöglich auch? Vielleicht ist das Virus nur ein Sendbote aus der Zukunft. Seine drastische Botschaft lautet: Die menschliche Zivilisation ist zu dicht, zu schnell, zu überhitzt geworden. Sie rast zu sehr in eine bestimmte Richtung, in der es keine Zukunft gibt. Aber sie kann sich neu erfinden. System reset. Cool down. Musik auf den Balkonen! So geht Zukunft.“
Man mag hinzufügen: Und Fußball mit der Borussia! Vielleicht erleben wir ja im Ellenfeld mal wieder eine ähnliche Szene, wie sie auf der Website „Glotze aus, Stadion an“ geschildert wird: Bis zum Stadion ist es nicht mehr als ein Kilometer. Je näher man dem Mantes La Ville-Platz kommt, sei es von der Scheib oder aus der Stadt, desto mehr Menschen sind auf der Straße unterwegs. Musik weht von der hoch aufragenden Tribüne herüber. Der Duft von Grillgut lässt einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Mehrmals hat man den Weg unterbrochen, um alte Freunde zu begrüßen, mit dem Nachbarn und dessen Kindern zu reden und den Ultras aus dem Viertel beim Transport der Choreo zuzusehen. Die Schlange an den Stadionkasse ist recht stattlich, und das, obwohl es nicht mehr lange bis zum Anpfiff ist. Der Sprecher gibt bereits die Aufstellung der Mannschaften durch. Auf dem Weg zu den Stehplätzen ist gerade noch genug Zeit, ein kühles PARKBRÄU am Stand mitzunehmen. In der Kurve sind sie dann alle wieder. Die Freunde, der Nachbar mit den Kids und einen Block weiter die Ultras, die in diesem Moment eine gigantische Luftschlangenwolke über den Rängen in die Luft befördern. Aus tausenden Kehlen erklingt die Hymne: Go Borussia! Und dann ertönt der Anpfiff.
Das ist der Kern des Fußballs, das ist ein intensives Stadionerlebnis, das Zusammenhalt schafft. Ganz im Sinne von Gareth Southgate. Der Trainer der englischen Nationalmannschaft verspricht in einem offenen Brief: „Wenn wir das nächste Mal zusammenspielen, wird es zu einer Zeit sein, in der nicht nur unser Land, sondern auch der Rest der Welt auf dem Weg der Erholung sein wird. Dann werden wir uns hoffentlich näher sein als je zuvor – und bereit für die wundervolle Ablenkung, die der Fußball bringen kann.“
Alte Liebe lebt – trotz, oder gerade wegen Corona! In diesem Sinne, liebe Neunkirchener, liebe Borussen, lasst uns gemeinsam aus der Krise einen Kairos machen, und ganz besonders: Bleibt alle gesund und verliert nicht Euren Optimismus! (-je-/-jf-)
Hallo Jo Frisch,
guten Tag. Ich ziehe meinen Hut zu deiner sehr gut beschriebenen Kolumne.
Mach weiter so im Sinne der Borussia.
Hoch lebe Eisen, hoch lebe Stahl, hoch lebe Borussia …
Hallo Jo Frisch,
ich ziehe meinen Hut zu deiner sehr gut geschriebenen Kolumne.
Mach weiter so im Sinne unserer Borussia.
Hoch lebe Eisen, hoch lebe Stahl, hoch lebe unsere Borussia ….
Macht es so wie Kickers Offenbach. Die verkaufen mit großem Erfolg sogenannte Geistertickets von denen sie schon über 1000 verkauft haben. Tickets könnten beispielsweise in einer Preisspanne von 1 € – 100 € verkauft werden.
Werbung dafür macht Jimmy Hartwig per Videobotschaft, hier könnte es Stefan Kuntz machen. Zu verlieren gibt es bei einer solchen Aktion nichts. Ich würde ein Ticket kaufen.
Vg
Aus Stuttgart
Borussia Fan
Marco