Einem besseren Gegner unterlegen

Dem Favoriten Paroli bieten, dem Titelanwärter auf den Zahn fühlen und, wenn möglich, auch was Zählbares mitnehmen – das wollten die Borussen am Freitagabend in der Prowin-Arena in Wiesbach. Eine Halbzeit lang ist dieses Vorhaben auch durchaus gelungen. Defensive standen Marco Dahler und Co. meist sicher, ließen wenig zu. Offensiv fehlten bei den nadelstichartig vorgetragenen Kontern oft lediglich ein paar Zentimeter, um zu aussichtsreichen Torgelegenheiten zu kommen. Nach dem Seitenwechsel allerdings drehten die Herthaner auf, schalteten einen Gang höher – und brauchten dennoch eine Standardsituation, um in Führung zu gehen. „Diese Standardsituation hat das Spiel letztlich entschieden“, meint Trainer Christian Schübelin, der seine Jungs nach der Pause aus der Kabine noch rausgeschickt hatte in der Hoffnung, „dass vielleicht wir diejenigen sind, die mit einem Standard der Partie den Stempel aufdrücken können, doch dann kam es genau umgekehrt.“ Dass die starken Gastgeber anschließend noch zweimal nachlegten, spielte keine große Rolle mehr, wobei man ehrlicherweise zugeben muss, dass ein aufmerksamer Maximilian Strack im Tor der Borussia mit einigen reaktionsschnellen Paraden durchaus noch den einen oder anderen Gegentreffer zu verhindern wusste. Ein höheres Ergebnis wäre aber den im strömenden Regen aufopferungsvoll kämpfenden Borussen nicht gerecht geworden.

Großes Pech hatten die Ellenfelder, dass sich ihr Mittelfeldstratege Nico Christmann schon in der ersten Halbzeit verletzte. Was war passiert? „Ich bin einem Wiesbacher Spieler nachgelaufen. Bei dem Versuch, den Ball zu blocken, bin ich mit dem Fuß meines Gegners kollidiert und anschließend umgeknickt. Im Laufe der Zeit ist der Fuß dann angeschwollen, in der Halbzeit war er schon ziemlich blau unterlaufen. Ich habe noch versucht weiterzuspielen, aber irgendwann war Schluss“, berichtet der Betroffene, der nach knapp einer Stunde raus musste und jetzt hofft, dass es nichts Schlimmeres ist. Eine Untersuchung am morgigen Montag wird darüber Aufschluss geben. Was Nico Christmann am Sonntagmittag zuversichtlich stimmt: „Heute geht es schon besser, Schmerzen sind kaum noch da.“ Auch Ralph Smith musste mit einer Wadenverhärtung die Segel streichen.

Die Gastgeber pressten von Beginn an früh und hatten mehr Ballbesitz, aber echte Torgefahr drohte den Borussen nur zweimal, jeweils nach Vorstößen über die starke rechte Seite: Zunächst nach 22 Minuten, als der aufgerückte Luca Heckmann mit einem Kopfball aus nächster Nähe an Maximilian Strack scheiterte, dann drei Minuten später, als das glitschige Leder wieder von rechts in den Strafraum gesegelt kam, von Sören Maas verlängert wurde und, nachdem Maximilian Strack wohl noch mit den Fingerspitzen dran war, vom Pfosten glücklicherweise vor die Füße von Christoph Stemmler fiel, der energisch klären konnte. Borussia tat sich offensiv schwer. Marco Dahler versuchte zwar immer wieder, mit langen Bällen auf die Außenpositionen den Raum zu öffnen, in den seine Mitspieler gestartet waren, doch so richtige Torchancen entstanden daraus nicht, die letzte Passpräzision fehlte. Symptomatisch zwei Szenen: Die eine nach etwa 10 Minuten, als Tim Klein nach Sayfedine El Kahdems Zuspiel in die Tiefe (Wiesbach reklamierte vergeblich eine Abseitsposition) gegen Torhüter Florian Barth zu spät kam, der rechzeitig aus seinem Kasten herausgeeilt war und ins Seitenaus klären konnte. Die andere nach etwa 20 Minuten, als Ralph Smith in aussichtsreicher Position bei einer Kopfballverlängerung von Lars Kaula nicht mehr an den Ball kam.

Gegensätze: Während Borussen-Coach Christian Schübelin (li.) mit der Anfälligkeit seiner Truppe bei den Standards haderte, wurde die Geduld von Wiesbachs Coach Michael Petry (re.) lange Zeit auf die Folter gespannt – erst nach knapp einer Stunde gelang den Gastgebern das erlösende 1:0. (Archivfotos: -jf-)

Nach dem Seitenwechsel blieb die Partie hartumkämpft, jedoch eine Viertelstunde lang zunächst ohne große Höhepunkte. Nach 60 Minuten hätten die Borussen etwas überraschend in Führung gehen können, doch Simon Schreibeisen kam an der Fünf-Mter-Raum Ecke bei einer Hereingabe von Safyedine El Khadem um Sekundenbruchteile zu spät. Die Waage neigte sich dann ein paar Minuten später zugunsten der geduldig agierenden Wiesbacher: Nachdem gleich zwei Abschlüsse (Dominik Kaiser und Pascal Piontek) im letzten Moment abgeblockt werden konnten, nickte Luca Blaß eine Ecke im Fünf-Meter-Raum per Kopfballaufsetzer zum 1:0 ein. Im Gegensatz zum FSV Jägersburg, der sich vor drei Wochen beim Gastspiel im Ellenfeld nach der 2:1-Führung zurückgezogen hatte und prompt durch Dominik Josts last-minute-Ausgleichstor zum 2:2 die Quittung erhielt, entwickelte der Tabellenführer jetzt enormen Druck, gewann viele Zweikämpfe und suchte mit aller Macht die Entscheidung, während die Borussen im unaufhörlich niederprasselnden Regen ins Schwimmen gerieten und die Ordnung verloren. Und so war das 2:0, das Pascal Piontek (erneut nach einem Eckball) in echter Billard-Manier erzielte, nur folgerichtig. Ob das Leder, das von dem auf der Torlinie stehenden Tim Braun noch an die Unterkante der Latte abgewehrt wurde, wirklich hinter der Linie war, „wird wohl“, so Christian Schübelin, „auf immer das Geheimnis des Linienrichters bleiben“, der mit seiner Fahne zur Mittellinie gezeigt hatte.

In der Schlussphase wurde die Partie wild und Maximilian Strack rückte gegen spielfreudige Wiesbacher mehr und mehr in den Mittelpunkt. Gleich mehrfach konnte sich der Borussen-Keeper in bester Willi-Ertz-Manier mit gefühlt tausend Händen und Armen (gegen Sören Maas, Pascal Piontek, Kilia Staroscik, Yannik Haupts und Lucas Bidot) auszeichnen. Auf der anderen Seite waren auch die Borussen, die sich nach dem zweiten Gegentor jetzt wieder neu sortiert und angesichts des Rückstands die Defensive etwas gelockert hatten, nicht ohne Torchance. Aber Hertha-Keeper Florian Barth stand seinem Borussen-Kollegen in nichts nach und war bei Tim Cullmanns wuchtigem, aber zu unplatzierten Schuss (78.) ebenso aufmerksam wie bei Lars Kaulas Versuch (84.) oder Tim Brauns gefährlichem Geschoss aus dem Hintergrund (85.). Den aufgrund der Zehn-Minuten-Strafen für Dominik Cullmann und Dominik Kaiser jetzt größer gewordenen Spielraum auf dem wassergetränkten Kunstrasen nutzte Yannik Haupts zum 3:0, als er den Ball nach einer weitgezogenen Hereingabe von Sören Maas per Flachschuss unhaltbar rechts unten im langen Eck versenkte.

Wilde Partie am Ende: Während der eingewechselte Tim Cullmann (li.) Borussia nach 78 Minuten nochmal auf 1:2 hätte heranbringen können, verhinderte Maximilian Strack (re.) mit prächtigen Paraden eine höhere Niederlage. (Archivfotos: -jf-)

Als Schiedsrichter Niclas Zemke vom FV Fischbach entschlossen in seine Pfeife blies und die 90 Minuten beendete, hielt sich die Enttäuschung der Borussen in Grenzen, „ganz einfach deshalb, weil wir gegen ein bessere Team verloren haben, das muss man anerkennen“, so Christian Schübelin. Der Coach war mit der Anfälligkeit seiner Schützlinge bei den Standards alles andere als einverstanden: „Okay, das kann ja mal passieren, aber in einem Spiel, in dem es auf Kleinigkeiten ankommt, darf es nicht passieren!“ Wiesbach bleibt für die Borussen nach wie vor kein gutes Pflaster: Seit 2015 konnte die Mannschaft aus dem Ellenfeld gegen die Hertha in einem Pflichtspiel nicht mehr gewinnen. Nur ein Sieg aus den vergangenen fünf Spielen hat zudem den Kontakt zu den vorderen Plätzen zunächst einmal abreißen lassen. Doch Christian Schübelin will sich mit seiner Mannschaft dadurch nicht ins Bockshorn jagen lassen: „Wir müssen von Spiel zu Spiel denken. Es ist gut, dass es am Mittwoch mit dem Pokalspiel gegen Ballweiler gleich weitergeht. Ganz unabhängig vom nächsten Pokalgegner 1. FC Saarbrücken wollen wir da weiterkommen und vor eigenem Publikum eine gute Leistung zeigen. Am Montag um 18.30 Uhr ist im Training Bestandsaufnahme und dann gilt der Fokus dem Pokalspiel.“ Mit dieser Botschaft entließ der Coach seine Mannschaft im Regen von Wiesbach ins Wochenende. Dem Favorit Paroli bieten, dem Spitzenreiter auf den Zahn fühlen – das konnten seine Jungs trotz des ernüchternden 0:3 zumindest phasenweise. Nur mit dem „wenn möglich was Zählbares mitnehmen“ hat es am Ende leider nicht funktioniert. (-jf-)

Statistik: FC Hertha Wiesbach – Borussia 3:0 (0:0)

Borussia: Maximilian Strack – Tim Braun, Marco Dahler, Nico Purket, Christoph Stemmler, Nico Christmann (ab 59. Tim Cullmann), Sayfedine El Khadem, Simon Schreibeisen (ab 89. Noureddine El Khadem), Ralph Smith (ab 59. Dominik Cullmann), Lars-André Kaula, Tim Klein (ab 89. Dominik Jost). – Trainer: Christian Schübelin.

Tore: 1:0 (63.) Luca Blaß, 2:0 (67.) Pascal Piontek, 3:0 (88.) Yannik Haupts. – Schiedsrichter: Niclas Zemke (FV Fischbach). – Zuschauer: 400. – 10-Minuten-Zeitstrafe Borussia: Dominik Cullmann.

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