Happy Birthday, Reiner Calmund! / 2015 Anschub der VW-Käfer-Aktion zur Rettung Borussias / Klares Bekenntnis: „Tradition muss erhalten bleiben!“
Unser Bild: Reiner Calmund öffnete mit seinen Kontakten der Borussia für die Käfer-Tour bei den Profi-Clubs der Republik Tür und Tor und half auf diese Weise mit, die Insolvenz abzuwenden. (Foto: Jörg Eisenhuth)
Von Jo Frisch
Er galt stets als geschickter Strippenzieher, als Einfädler schwierigster Geschäfte, clever, zuweilen knallhart, aber genauso charmant und liebenswürdig. Seine Blutgruppe sei „positiv bekloppt“, sagte er selbst einmal über sich. Sein Leben für den Fußball oft im roten Drehzahlbereich. Dass er die Tradition liebt, daraus machte er nie ein Geheimnis: „Tradition schießt zwar keine Tore, das sieht man, aber Tradition muss erhalten bleiben!“ Getreu diesem Motto schob er im Frühjahr 2015, als Borussia Insolvenz angemeldet hatte, eine Versteigerungsaktion zur Rettung des Vereins mit an. Im Angebot war ein VW Käfer aus dem Jahre 1961, verziert mit dem Vereinslogo. Die Geschichte ist allen Borussen noch gut in Erinnerung. Die prominente Hilfe kam von keinem Geringeren als Reiner Calmund, von 1976 bis 2004 in verschiedenen Funktionen für Bayer 04 Leverkusen aktiv. In diesen Tagen wird der schwergewichtige Manager 70 Jahre alt. Anlass genug, um – verbunden mit großem Dank – an die einmalige Aktion zu erinnern, mit der der Jubilar vor drei Jahren die Borussia unterstützte und für fette Schlagzeilen sorgte.
Da das Saarland seit Sommer 2012 die Wahlheimat des gebürtigen Rheinländers ist – Calmund lebt mit Ehefrau Sylvia und Adoptivtochter Nisha („Mein Sonnenschein!“) in Saarlouis – , war es für ihn eine Ehrensache, dem in finanzielle Schieflage geratenen Traditionsverein vom Ellenfeld unter die Arme zu greifen: „Nicht quatschen, sondern machen. Ich werde Borussia Neunkirchen auf der Intensivstation helfen!“ Borussias damaliger Präsident Martin Bach hatte über Klaus Hoffmann (von TVSports / Sky) den Kontakt zu „Calli“ hergestellt und ihn an einem Samstagmorgen in einem Wallerfanger Café für die Käfer-Aktion begeistert. „Calli war sehr freundlich und hilfsbereit, griff gleich zum Telefon und rief noch in meinem Beisein bei Rudi Völler und Jupp Heynckes an, um eine Nachricht auf der Mailbox zu hinterlassen“, erinnert sich Martin Bach, dessen Tochter Michelle kurze Zeit später Calmunds persönliche Assistentin wurde. Seine Beziehungen zu den Profi-Clubs quer durch die Republik ließ der Manager spielen, um die Aufmerksamkeit auf das Projekt zu lenken. Borussia war als Fünftligist plötzlich in aller Munde, bei Sky wurde über den Käfer berichtet, sogar beim Sport1-Doppelpass in Wolfsburg war Borussia zu Gast. So wurde es möglich, dass die Borussen Nicky Kassner und Jörg Eisenhuth, ausgestattet mit viel Herzblut, mehrere Tage ihres Jahresurlaubs und reichlich Stunden auf der Autobahn investierten und durch ganz Deutschland tourten, um das Oldtimer-Fahrzeug mit exquisiten Original-Unterschriften aufzuwerten. Beim FC Bayern machten sie ebenso Station wie in Berlin bei Hertha BSC und Union. Wolfsburg, Köln, Leverkusen, Mönchengladbach, Dortmund und Mainz wurden angesteuert – was die beiden Borussen-Fans erlebten, übertraf ihre Erwartungen: „Das ist Wahnsinn. Reiner Calmund schickte uns mit den besten Wünschen aus Saarlouis los. Seitdem werden wir überall freundlich empfangen, bekommen die Möglichkeit, unser Auto so zu platzieren, dass die Spieler an uns vorbeikommen müssen“, erzählte Nicky Kassner in einem Interview des Magazins 11FREUNDE. „Borussia Dortmund hat uns sogar ein Champions-League-Trikot mit Unterschriften zur Versteigerung mitgegeben und uns obendrein zu Frühstück und Kaffee eingeladen“, ergänzte Jörg Eisenhuth, nicht minder beeindruckt als sein Mitfahrer. Damit nicht genug: Reiner Calmund befeuerte die Aktion durch Video-Botschaften auf Borussias facebook-Seite – mit großem Erfolg: Der Käfer wurde für einen Preis von knapp 38.000 Euro veräußert und trug mit dazu bei, dass die Insolvenz abgewendet werden konnte. Noch heute verfolgt Reiner Callmund den Weg der Borussia, war auch sehr bestürzt über den Tod von Willi Ertz, den er immer wieder als Torwart-Legende titulierte und der für ihn, zusammen mit Günter und Stefan Kuntz, Gerd Zewe und Jay Jay Okocha zu den ganz großen Repräsentanten der Borussia gehörte.
Der Borussen-Käfer (gemalt von Isabell Eisenhuth, 2016)
Die Hilfe für Borussia – irgendwie typisch für den umtriebigen Manager, der sich selbst einmal als „hyperaktiv“ bezeichnet hat. Das Ende seiner Tätigkeit unter dem Bayer-Kreuz im Juni 2004 war gleichzeitig der Beginn des „Unruhestandes“. Reiner Calmund widmete sich neuen Projekten, meist in Sachen Fußball. Ob als Kolumnenschreiber oder Buchautor, als Redner vor Führungskräften von Großunternehmen oder Gast auf diversen TV-Kanälen, als Aufsichtsrat von Fortuna Düsseldorf oder Botschafter der WM 2006 für Menschen mit Behinderung – stets war seine Meinung, sein Anpacken gefragt. Aber auch sein Traumberuf aus jungen Jahren rückte jetzt mehr in den Mittelpunkt: „Schiffskoch wollte ich werden. Also Essen und Reisen. Privat wie beruflich genau mein Ding“, heißt es in seiner 2008 erschienenen Autobiographie.
Begonnen hatte alles 1976. Reiner Calmund hatte aufgrund einer schweren Verletzung die eigene Spielerkarriere früh beenden müssen, sich dem Studium der Betriebslehre gewidmet und nebenbei als Lokalreporter garbeitet. Willibert Kremer holte ihn als Trainer in die Nachwuchsarbeit von Bayer Leverkusen. Als Kremer 1979 die Profis in die Bundesliga führte, stieg auch Calmund mit auf – in das Management des Clubs, wo er rund ein Vierteljahrhundert als „Hans Dampf in allen Gassen“ unterwegs war. Erstmals entdeckte er den brasilianischen Spielermarkt und lockte junge Talente von der Copacabana nach Deutschland. Vorreiter war Calmund auch, als es ihm 1989 nach Öffnung der Grenze gelang, ehemalige DDR-Stars wie Andreas Thom oder Ulf Kirsten mit Angeboten erfolgreich zu ködern. „Gefürchtetster Kopfjäger der Branche“, schrieb der SPIEGEL 1993 in einem Artikel unter dem Titel „Tricks von Onkel Rainer“. Mit Bayer 04 feierte er große Erfolge: 1988 Gewinn des UEFA-Cups, 1993 DFB-Pokalsieger. Bitter dagegen die drei Vize-Titel 2002 in Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions-League. Dass aus Leverkusen „Vizekusen“ wurde, lag am allerwenigsten an Reiner Calmund, für den nur die Kombination aus Kompetenz und Leidenschaft die Basis für den Erfolg legte. Auch gute Stimmung war und ist ihm bis heute wichtig. Oder wie es die rheinische Frohnatur in einem Vortrag mal ausdrückte: „Aus einem traurigen Arsch kommt kein fröhlicher Furz!“
Wenn er nun zurecht mit Stolz auf die 70 Jahre eines erfüllten Lebens zurückblickt und in diesen Tagen zunächst im kleinen Familienkreis in der Dillinger Hütte, später im Rahmen einer XXL-Fete in seiner Geburtsstadt Brühl im Phantasialand feiert, so sollen und dürfen die herzlichen Glückwünsche der Borussia nicht fehlen. „Ich will versuchen, den Rest, der mir bleibt, mit meiner Frau und denen, die mir etwas wert sind, zu genießen. Ich habe meinen Frieden mit allen geschlossen, mit denen ich mich gefetzt habe in den vergangenen 30 Jahren. Ich hoffe, sie auch mit mir. Wir wollen versuchen, uns auf das zu beschränken, was uns Spaß macht und uns wichtig ist“, hat er einmal geschrieben. In diesem Sinne: Alles Gute, Reiner Calmund, vielen Dank für die Unterstützung, stets beste Gesundheit, Glück und Zufriedenheit, und nicht zuletzt: Ad multos annos!
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