Die Ellenfeld-Episode in Raimund Eichs Buch „De liewe Gott im Saarland“ (Teil 3)
Zum Inhalt: Elisabeth, der Küsterin von St. Marien erscheint bei den Vorbereitungen zu einem Festgottesdienst plötzlich der liebe Gott. Er will im Saarland nach dem Rechten sehen, weil ihm bei der Schöpfungsgeschichte genau dort ein Malheur passiert ist. Die Küsterin nimmt ihn spontan bei sich zu Hause für ein paar Tage auf und unternimmt mit ihm ein paar kleine, aber abenteuerliche, Besichtigungstouren im Saarland. Unter anderem steht ein Besuch im Ellenfeldstadion auf dem Programm. Zur Halbzeit führt die Borussia 1:0 …
Nach der Pause attackiert der Gegner die Borussen heftig und drängt auf den Ausgleich. Bei einem Angriff wird der gegnerische Linksaußen gefoult und stürzt etwa zwanzig Meter vor dem Borussentor zu Boden, worauf der Schiedsrichter dem Abwehrspieler der Heimmannschaft die gelbe Karte zeigt und einen Freistoß für die anderen verhängt. Als der Abwehrspieler dem Gefoulten wieder auf die Beine helfen will, brüllt ein Borussenanhänger über den Platz: „Loss ne leije, der trääd sich feschd.“ Damit hat er zwar die Lacher auf seiner Seite, aber die Strafe folgt auf dem Fuß. Der Linksaußen legt sich den Ball zurecht, läuft an und zirkelt ihn an der Abwehrmauer der Borussen vorbei rechts oben ins Borussentor, was den lieben Gott spontan zu einem anhaltenden Applaus und der laut vernehmbaren Bemerkung: „ein richtiges Traumtor“ veranlasst. Für ein paar Sekunden herrscht eisiges Schweigen auf der Tribüne, bis man einen aufgebrachten Borussenanhänger aus den unteren Reihen rufen hört: „Du huggschd of de falsch Seid, Kumbel. Am Beschde geeschde dabber zu deine Leid niwwer in eier Block, sonschd gebbts e Ungligg.“
„Was meint er denn damit?“, sagt der liebe Gott und schaut Elisabeth sichtlich etwas irritiert an.
„Na ja, das kommt net graad so guud aan, wenn ma bei eme Door vom Geeschner gladschd“, bekommt er zur Antwort.
„Aber es war doch ein schönes Tor, wie ich finde, oder?“
„Joo, schonn, awwer das machd doch nur die annere stark, isch menn de Geeschner von de Borusse.“
„Aha, aber sollte denn nicht der Bessere in einem fairen Wettstreit auch gewinnen?“
„Das hall isch im Kopp net aus“, stöhnt Fritz. „Elisa, aach wenns dei Bekannder iss, saa em, dass er sich um Kopp unn Kraache bringd, wenn er so weider machd.“
Mittlerweile geht es auf dem Rasen sehr turbulent zu, denn die Borussen wollen partout den Sieg im heimischen Stadion erzwingen. Eine Angriffswelle nach der anderen rollt auf das gegnerische Tor. Dann eine Schlüsselszene etwa fünf Minuten vor Spielende. Die Borussen erkämpfen sich den Ball an der Mittellinie und stürmen mit drei Mann in die gegnerische Hälfte. Dann eine grandiose Vorlage von links zum Mittelstürmer der Borussia, etwa fünfzehn Meter vorm Tor, der völlig frei steht. Doch die einmalige Chance wird durch den lauten Ruf Abseits des lieben Gottes jäh zunichte gemacht, worauf im gleichen Moment der Linienrichter tatsächlich die Fahne hebt und der Schiri auch sofort Abseits pfeift. Alle Zuschauer starren in Richtung des Rufers, der damit eine todsichere Torchance für die Borussen und das mögliche Siegtor vereitelt hat.
Elisabeth ist für einen kurzen Moment kalkweiß im Gesicht, dann springt sie panikartig auf, fasst den lieben Gott entschlossen an der Hand und zerrt ihn im Laufschritt aus dem Stadion. Der ist völlig perplex und bringt kein Wort heraus. Als die beiden in sicherer Entfernung vom Ellenfeld sind, bleibt Elisabeth schnaufend stehen. Auch der liebe Gott ist merklich außer Puste gekommen.
„Was ist denn in dich gefahren, mein Kind? Du bist ja völlig außer dir“, sagt er, heftig nach Luft ringend.
„Ei das frooe Sie aach noch“, bekommt er zur Antwort. „Wenn mir uns aweile net so schnell aus em Schdaab gemacht hädde, dann hädde ma das Drama vermutlich alle zwää net iwwerlääbd.“
„Und wieso, wenn ich fragen darf? Nur weil ich Abseits gerufen habe?“
Die Küsterin nickt heftig. „Genau desweje!“
„Aber es war doch eindeutig Abseits, ich meine, jetzt wo ich die Regel so sicher beherrsche.“
„Schonn, awwer das hadd uns jetzt graad de Siech koschd.“
„Den Sieg? Uns?“
„Nää, net uns, awwer de Borusse, unn mir senn doch Borusseaanhänger. Isch jedenfalls.“
„Ach so“, erwidert der liebe Gott, „und deswegen die ganze Aufregung? Vielleicht gewinnen sie ja beim nächsten Mal.“
„Aweile genn ischs off“, stöhnt die Küsterin, „isch glaab, dass met em Fußball war kenn so guudie Idee. Komme Se, ma gehn jetzt hemm, unn morje mache ma e scheenie Schbritztour mem Audo. Das iss hoffendlich net so offreechend wie das Drama von eewe.“
Plötzlich hören sie hinter ihnen ein paar Borussenanhänger auf dem Mantes-La-Ville-Platz laut fluchen. „Wenn net der Hambelmann off de Tribüün so laut Abseits geruf hädd, dann häddes de Linienrichder unn de Schiri iwwerhaupt net gemerkd. Isch hann nämlich ganz genau gesiehn, dass die Zwää erschd dodeno reagierd hann“, brüllt einer von ihnen, außer sich vor Ärger.
„Ei joo, unn jetzt senn die drei Punkde im Äämer, die ma sonschd beschdimmd gehold hädde. Haschd du eichendlich gesiehn, wer uns dene Mist ingebrockt hat?“, fragt ein anderer.
„Nää, awwer an dem seiner Schdell würd ich gugge, dass ich so schnell wie meechlich Land gewinne, wenn ma mei Lääwe lieb wäär.“
Ein guter Rat, den Elisabeth und ihr Begleiter mit gesenkten Köpfen umgehend in die Tat umsetzen …
Ende der Leseprobe. Vielen Dank an Raimund Eich!
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