Borussia greift nach dem DFB Pokal

Ein besonderes Kapitel aus der traditionsreichen Geschichte der Borussia / Heute vor 65 Jahren: DFB-Pokalfinale gegen ETB Schwarz-Weiß Essen in Kassel / Borussia beim 2:5 unter Wert geschlagen

27. Dezember 1959. Heute vor 60 Jahren schaffte die Borussia einen der größten Erfolge in ihrer mittlerweile fast 120jährigen traditionsreichen Geschichte: Die Teilnahme am DFB-Pokalfinale in Kassel. Gegen den ETB Schwarz-Weiß Essen unterlagen die Borussen zwar mit 2:5, doch hatten sie den Südwest-Fußball in dieser Runde herausragend vertreten. Zuvor hatten die Schützlinge des damaligen Trainers Bernd Oles durch ein 8:0 gegen Eintracht Bad Kreuznach im Ellenfeld und ein 1:0 im Ludwigspark gegen den 1. FC Saarbrücken (das „goldene Tor“ erzielte Karl Ringel) den südwestdeutschen Pokal gewonnen, ehe man in der Vorschlussrunde, wieder im heimischen Ellenfeld, den Cup-Gewinner aus dem Süden, den VfR Mannheim, durch Tore des überragenden Goalgetters Rudi Dörrenbächer mit 2:1 eliminierte.

Fußballruhe zur Weihnachtszeit? Das war anno dazumals noch ganz anders! Tatsächlich mussten die beiden Finalisten vor 60 Jahren am ersten Tag nach dem Weihnachtsfest ran. Denn in diesen Zeiten wurde der Pokal immer am Ende des Kalenderjahres vergeben. Und da es noch keine Winterpause gab, blieben nur wenige freie Wochenenden. Der 27. Dezember 1959 war ein Sonntag, quasi der dritte Feiertag. Pokalfinale nach der Festtagsgans! „Mit solchen Terminen schafft man sich keine Freunde“, kritisierte das Sportmagazin. Der Ort des Endspiels wurde erst eine Woche vorher festgelegt – beide Vereine hatten je zwei Stadien vorgeschlagen und sich nicht einigen können. Der DFB entschied schließlich für Kassel. Da zudem zwei Außenseiter das Finale erreicht hatten, deren Teams nicht gerade Star-Ensembles darstellten, musste es nicht verwundern, dass die Kulisse im Aue-Stadion mit 21.000 Fans nicht gerade eines Endspiels würdig war – trotz des günstigen Eintrittspreises von 2, DM! Wegen des fehlenden Flutlichts wurde die Partie bereits um 13.45 Uhr angepfiffen, schließlich musste auch eine Verlängerung einkalkuliert werden.

Vor dem großen Spiel: Die Borussen (dunkle Trikots) mit (v.l.) Follmann, Meurer, Frisch, Schreier, Dörrenbächer, Leist, Ringel, Harig, Lauck, Jirasek und Emser. (Foto: Mythos Ellenfeld – 100 Jahre Borussia Neunkirchen)

Das Endresultat von 2:5 für Schwarz-Weiß Essen, das in einem spektakulären Halbfinalspiel beim Hamburger SV mit 2:1 triumphiert hatte, war im Endeffekt nicht so klar, wie es die Zahlen ausdrücken. Die Borussen hatten ihre beste Zeit in den ersten 45 Minuten, in denen sie mit Windunterstützung stürmten, allerdings ihre Chancen nicht zu nutzen vermochten. Glücklicher war die Elf vom Uhlenkrug, die durch Mittelstürmer Rummel die 1:0-Führung schafften. Borussia wehrte sich – die Latte und Schiedsrichter Schulenburg aus Hamburg, der ein Tor von Rudi Dörrenbächer zum vermeintlichen Ausgleich nicht anerkannte, verhinderten eine durchaus mögliche Führung. Als sich gleich nach der Pause (51.) erneut Rummel gegen Lauck und Schreier durchsetzte und Torwart Jirasek mit wuchtigem Drehschuss das Nachsehen gab, war eine Vorentscheidung gefallen. Den Borussen fehlten jetzt an diesem Tag die spielerischen Mittel, um noch eine Wende herbeizuführen. Hinzu kam, dass Verteidiger Lauck nach knapp einer Stunde wegen Verletzung (schmerzhafte Prellung am Fuß) humpelnd in den Sturm wechselte und Angreifer Emser in die Abwehr zurückging. Die Möglichkeit auszuwechseln war im damaligen Reglement nicht gegeben. Nachdem Theo Klöckner, Horst Trimhold und Hubert Schieth die Essener Überlegenheit mit weiteren Toren untermauert hatten, gelang Borussia in den letzten zehn Minuten noch ein Doppelschlag – zwar nicht mehr als eine Ergebniskosmetik, doch die hatten sich die Mannen aus dem Ellenfeld redlich verdient. Zunächst leistete sich ETB-Schlussmann Hermann Merchel einen Ausflug und konnte Karl Ringel nur noch durch Festhalten am Einschuss hindern – den Strafstoß verwandelte Emser sicher. Dann machte Rudi Dörrenbächer kurz vor Schluss doch noch sein Tor zum 2:5, nachdem er vorher gute Gelegenheiten ausgelassen hatte.

Borussia am Boden: Verteidiger Seppl Frisch (dunkles Trikot, li.) und Torhüter Jirasek sind geschlagen, Hansi Küppers (helles Trikot, li.) und der zweifache Torschütze Manfred Rummel (Nr. 9) jubeln über einen der fünf Essener Treffer. (Foto: Mythos Ellenfeld – 100 Jahre Borussia Neunkirchen)

Borussen-Coach Bernd Oles war natürlich nach der Partie enttäuscht: „Bei Halbzeit hätten wir 3.1 führen müssen, dann hätten wir mehr Ruhe in die Mannschaft bekommen, das Spiel wäre ganz anders verlaufen“, diktierte er den Reportern in die Notizblöcke. Oles haderte zudem mit einigen unglücklichen Entscheidungen des Unparteiischen: „Ich verstehe nicht, warum der Schiedsrichter unser Tor aberkannte. Zudem wurde der dritte Essener Treffer aus Abseitsposition erzielt.“ Der „Kicker“ hatte „bedenkliche Schwächen in der Essener Deckung“ ausgemacht, die es den Borussen erlaubt hätten, „eine ganze Reihe hübscher Torchancen zu fabrizieren. Und wenn Dörrenbächer nicht so ein Umstandskrämer gewesen wäre, ja wenn sein gewaltiger Lattenschuss in der 25. Minute nur um ein paar Zentimeter tiefer eingeschlagen wäre, wer weiß, wie die Dinge dann gelaufen wären? Borussia Neunkirchen hatte seine Chancen während der ersten 45 Minuten vertan. In dieser Phase blies ein überaus starker Wind in den Rücken der Saarländer“, resümierte das Fußball-Fachmagazin. Georg Gawliczek schließlich, der Co-Trainer der Nationalmannschaft unter Sepp Herberger, meinte: „Obwohl das Ergebnis so klar ausfiel, hatte ich in der ersten Halbzeit den Eindruck, dass Essen zu schlagen gewesen wäre. Die Neunkircher versäumten es, ihre klaren Chancen auszunutzen. Die Essener Mannschaft hat dann allerdings in der zweiten Halbzeit eine prächtige Leistung geboten, vor allem in der Spritzigkeit ihres Angriffsspiels.“ Das bestätigte dann auch die Analyse des „Kicker“: „Bei dem neuen deutschen Pokalsieger findet man die Qualitäten, die man beim Sieger eines solchen Wettbewerbs erwartet: Kampfkraft, Ehrgeiz, jugendliche Frische, Draufgängertum.“

Eine Tendenz für die kommenden Jahre ließ das auf den ersten Blick so klare Ergebnis allerdings nicht erkennen. Im Gegenteil: Die Schwarz-Weißen aus dem Essener Süden, nach Schalke 04 (1937) und Rot-Weiß Essen (1953) der dritte Pokalsieger aus dem Pott, stiegen am Ende der folgenden Saison sogar ab. Als ob Verteidiger Karl Heinz Mozin bereits kurz nach dem Pokaltriumph den Abschwung geahnt hätte: „Jetzt können sie beruhigt neue Briefbögen für den Verein drucken lassen. Denn solch einen Erfolg wird es hier so schnell nicht mehr geben“, lautete sein Ratschlag an die Vereinsbosse. Dagegen läutete die Finalniederlage die große Zeit der Schwarz-Weißen aus dem Ellenfeld erst ein: Südwestmeisterschaften, Teilnahmen an den Endrunden um die Deutsche Meisterschaft, Aufstiegstunden zur Bundesliga, schließlich drei Jahre erste Liga: Borussia hatte heute vor 60 Jahren ihre goldene Zeit noch vor sich. Im heißen Sommer 1967 gelang, mit knapp acht Jahren Verspätung, auch noch die Revanche für die Endspielniederlage: In der Aufstiegsrunde sicherten sich die Borussen den Sprung in die bel-etage des deutschen Fußballs. Mit einem Punkt Vorsprung vor Schwarz-Weiß Essen. Mit 1:1 im entscheidenden Spiel. Im Stadion Uhlenkrug. Gegen den DFB-Pokalsieger von 1959.

Trainer Bernd Oles hatte am 27. Dezember 1959 in Kassel folgende Mannschaft aufs Feld geschickt: Jirasek – Frisch, Schreier, Leist, Lauck, Harig, Meurer, Dörrenbächer, Follmann, Emser, Ringel. Der ETB war angetreten mit: Merchel – Pips, Mozin, Ingenbold, Kasperski, Steinmann, Küppers, Schieth, Klöckner, Trimhold, Rummel. (-jf-)

Bewegte Bilder vom Pokalfinale gibt es auf youtube (ohne Ton, Borussia in den dunklen Trikots):

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