
Aus Borussias traditionsreicher Historie / Heute vor 60 Jahren: Doppeltorschütze Heinz Simmet war beim 4:0 gegen Eintracht Frankfurt der Mann des Tages / Bundesliga-Aufsteiger Borussia baut Serie in der Saison 1964/65 auf 11 ungeschlagene Heimspiele im Ellenfeld aus
Unser Bild: Elmar May setzte mit diesem „staubtrockenen“ Elfmeter nach 83 Minuten den Schlusspunkt unter ein überzeugendes Spiel der Borussia. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)
Eine Sternstunde ihrer Borussia erlebten 25.00 begeisterte Fans heute vor 60 Jahren im Ellenfeld. Mit dem 4:0 gegen die Frankfurter Eintracht feierte ganz Neunkirchen den höchsten Bundesligasieg der Borussen, die gegen den Gast aus Hessen keinerlei Erbarmen kannten und die bis dahin auswärtsstärkste Mannschaft der Liga geradezu an die Wand spielten. Der triumphale Sieg bedeutete nicht nur zwei eminent wichtige Punkte im Abstiegskampf, sondern auch den Ausbau der imposanten Heimserie auf 11 Spiele ohne Niederlage – mit 19:9-Punkten im Ellenfeld kletterte Borussia damit auf den vierten Platz der Heimtabelle!
Mit dem deutlichen Erfolg gelang gleich eine doppelte Revanche: Zum einen für das unglücklich mit 0:1 verlorene Hinspiel im Waldstadion, Frankfurts Torschütze: Der Österreicher Wilhelm Huberts. Zum anderen für das Aus im DFB-Pokal: Beim 1:2 in Frankfurt hatte Huberts ebenfalls ein Tor beigesteuert, Horst Trimhold hatte die Eintracht in Führung gebracht, Erwin Glod den Anschluss markiert. Beim Spiel im Ellenfeld galten die Gäste, als Tabellensechster mit dem Ruf eines technisch beschlagenen Teams angereist, als Favorit, mussten jedoch am Ende feststellen, dass ohne entsprechenden körperlichen Einsatz nichts geht. „Eine bessere Einstellung als Borussia kann man im Kampf gegen den Abstieg nicht haben. Mit erstaunlicher Konzentration und Nervenkraft werden speziell die Heimaufgaben angepackt, wobei Kampf, Einsatz und Fleiß nicht allein die Trümpfe waren. Es bestach nicht weniger die geschlossene Mannschaftsleistung ohne wunden Punkt. Es imponierte das Einstehen des einen für den anderen“, bescheinigte der „Kicker“ den Schützlingen von Horst Buhtz.

Gleich viermal durfte Borussia jubeln, oben (v.li.) mit Günter Kuntz (im Hintergrund), Heinz Simmer (Nr. 6) und Elmar May, unten mit Elmar May (Nr. 7) und Günter Heiden. (Fotos: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

„Borussia riss sofort das Gesetz des Handelns an sich und ließ von der ersten Minute an keinen Zweifel daran, wem der Sieg gehören würde“, berichtet die „Saarbrücker Zeitung“ in ihrer Spielnachlese vom 12. April 1965. Denn die Borussen setzten die hessische Defensive sofort unter Druck, verpassten dabei aber in der ersten halben Stunde mehrere gute Möglichkeiten. Auffälligste Offensivkraft der ganz in weiß angetretenen Borussen war Elmar May, der häufig aufs Tor schoss und dabei auch die Latte anvisierte. Die „SZ“ schreibt weiter: „Als dann der diesmal ganz hervorragend aufgelegte Halbrechte Simmet zwischen der 32. und 33. Minute durch zwei Tore für Sicherheit gesorgt hatte, da ließen die Borussen die Fesseln fallen. Frei von nervlicher Belastung zeigten sie, dass sie in ihrem ersten Bundesligajahr riesige Fortschritte gemacht hatten. Die Mannschaft, deren enormer Kampfgeist schon zu Regionalligazeiten gefürchtet war, hat neue Qualitäten hinzugewonnen. Sie beherrscht jetzt auch das Spiel. Da sahen selbst alte Routiniers in der Frankfurter Mannschaft wie blutige Anfänger aus.“ Ein besonderes Lob erhielt Doppeltorschütze Heinz Simmet in der Borussen-Offensive: „Dort hatte der erst 20jährige Simmet, der vom SV Holz zu den Neunkirchern stieß, seinen großen Tag. Er verlor kaum einen Zweikampf, und wenn, dann holte er sich den Ball zurück. Er schlug bildschöne Flanken und bestach durch ein präzises Zuspiel. Er war Hans Dampf in allen Gassen und trug durch seine Leistung wesentlich zu diesem Erfolg bei, der leicht noch hätte höher ausfallen können. Aber in der 22. Minute verwehrte der Torbalken einem Prachtschuss von Elmar May den Weg ins Netz, dann rettete Blusch für seinen bereits geschlagenen Torwart, der einen weiteren Scharfschuss von May noch gegen die Latte lenken konnte, bevor Günter Kuntz eine Minute vor der Pause die größte Gelegenheit liegen ließ.“ Bis zum 3:0, einem Eigentor des Frankfurters Richard Weber nach „Vorarbeit“ von Günter Heiden (58.), dominierten die Borussen weiter nach Belieben. Vor allem Achim Melcher schaltete sich jetzt immer öfter ins Offensivspiel ein, dirigierte das Borussen-Team und prüfte Eintracht-Keeper Egon Loy gleich mehrmals. „Frankfurts Aufbäumen nach dem 0:3 fand ohne Druck und Ideen statt: Brotlose Kunst ohne Körpereinsatz“, konstatiert der Berichterstatter auf „fussballdaten.de“. Den Schlusspunkt setzte der „blonde Engel“ Elmar May per Elfmeter, nachdem Dieter Lindner Borussias bulligen Stürmer Günter Heiden nur noch per Foulspiel hatte stoppen können (83.): „May kanonierte das Leder so hart ins Netz, dass Loy, obwohl der Ball rechts von ihm einschlug, nicht die Spur der Abwehrchance hatte“, so die „SZ“. „Mays 11er Bombe hätte Loy fast die Finger weggerissen“, bemühte auch „fussballdaten.de“ eine ziemlich martialische Ausdrucksweise.

„Von der ersten Minute an mit kraftvollen Sprints der Eintracht-Deckung zugesetzt“ – Borussias bulliger Sturmtank Günter Heiden (Mitte, weißes Trikot) war kaum in den Griff zu bekommen und verdiente sich im „Kicker“ ein Sonderlob. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)
So war die Partie bis zum Ende eine unerwartet einseitige Angelegenheit. Denn die Borussen hatten einen „Sahnetag“ erwischt, an dem ihnen nahezu alles gelang. „Frankfurt wollte keineswegs verlieren. Doch die Auswärtsspezialisten sind mit dem 4:0 sogar noch gut bedient, denn Torhüter Loy bewährte sich mit einem knappen Dutzend exzellenter Paraden, May traf dreimal die Latte“, befand der „Kicker“. Das sah nach der Partie auch Ivica Horvath so: „Die Kräfte lassen nach. Wir haben nahezu jeden Zweikampf verloren. Borussia war vorzüglich eingestellt, hier im Ellenfeld haben ja schon andere verloren“, sparte Frankfurts Coach nicht mit Komplimenten für die Borussen, deren Trainer natürlich hochzufrieden war: „Ein ausgeprägter Wille zur Leistung hat meine Mannschaft ausgezeichnet. Es ist uns gelungen, die technischen Mittel des Gegners auszuschalten und dann selbst zu einer guten spielerischen Linie zu finden. Endlich hatten wir auch etwas Glück bei Torschüssen, es hätten jedoch auch noch mehr Treffer sein können“, fasste Horst Buhtz zusammen, der trotz des Gesamtlobes für das ganze Team Heinz Simmet heraushob: „Er hat sein bisher stärkstes Spiel vorgeführt!“ Im „Kicker“ hatte sich auch Günter Heiden eine Bestnote verdient: „Ansonsten eher Spätzünder hat er sich diesmal als Frühstarter gezeigt. Von der ersten Minute an setzte er mir kraftvollen Sprints der Eintracht-Deckung zu, gerissen von Simmet, wuchtig, temperamentvoll von May unterstützt. Dieses Trio machte Frankfurts Abwehr um Lutz mürbe.“
Wie wichtig der Sieg war, offenbarte sich ganz schnell bei einem Blick auf die Tabelle, die den Anstiegskampf als eine ganz enge Kiste aufwies: Borussia rangierte jetzt auf Platz 12 (23:31 Punkte) nur ganz knapp vor dem Hertha BSC (22:32) und dem 1. FC Kaiserslautern (21:33), während die beiden Abstiegsplätze von Schalke 04 und dem Karlsruher SC (jeweils 20:34) eingenommen wurden. Der doppelte Punktgewinn gegen Frankfurt sollte den Borussen aber darüber hinaus Flügel verleihen. Zweimal mussten die Männer aus dem Ellenfeld jetzt reisen: Zunächst zu Hannover 96, dann zu Hertha BSC. Noch war das Ziel Klassenerhalt nicht eingetütet!

Die hochaufragende neue Tribüne im Ellenfeld, die jetzt immer mehr Gestalt annahm, bildete eine imposante Kulisse für den Zweikampf zwischen Günter Kuntz und Frankfurts Keeper Egon Loy. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)
Dennoch: Die Aussichten standen jetzt gut. Für Paul Burgard und Ludwig Linsmayer sahen ein Symbol für den Aufbruch in der modernen Tribüne, von der gegen Frankfurt erstmals ein Teil überdacht war. „Im Angesicht der kühnen Stahlkonstruktion, die über den Köpfen der Zuschauer gewachsen war, blickte der Kommentator schon mal auf die Gegengerade und damit in rosige Zeiten: Jetzt, nachdem mit dem klaren Sieg ein weiterer Meilenstein zum Klassenerhalt gesetzt wurde, noch ein kleiner Tipp für die Borussia: Wie wäre es, wenn man für die neue Saison auf der Seite der Schlossbrauerei überdachte Stehränge schaffen würde? Die Schlossbrauerei wird angesichts der großen Leistung der Borussen gewiss mit sich reden lassen, zumal die Errichtung dieser Ränge keine weltbewegende Angelegenheit wäre. Man könnte sie wahrscheinlich sogar so anlegen, dass sich unter den Stützpfeilern leicht eine Zufahrtsstraße zur Brauerei ausbauen ließe“, heißt es im Buch „90 Minuten – mit Ferid Hartung in die Bundesliga“. Mag sein, dass der Schreiber dieser Zeile schon in Kategorien des modernen Fußball-Marketing dachte. Oder sollte ihn einfach nur ein bisschen zu viel Bierseligkeit erfasst haben angesichts des grandiosen Sieges gegen Eintracht Frankfurt? (-jf-)
Statistik: Borussia – Eintracht Frankfurt 4:0 (2:0)
Borussia: Willi Ertz – Erich Leist, Dieter Schock, Hans Schreier, Günter Schröder, Erwin Glod, Achim Melcher, Günter Heiden, Günter Kuntz, Elmar May, Heinz Simmet. – Trainer: Horst Buhtz
Eintracht: Egon Loy – Peter Blusch, Friedel Lutz, Richard Weber, Dieter Lindner, Dieter Stinka, Horst Trimhold, Helmut Kraus, Georg Lechner, Erwin Stein, Hans-Georg Tutschek. – Trainer: Ivica Horvath.
Tore: 1:0 (32.) Heinz Simmet, 2:0 (33.) Heinz Simmet, 3:0 (57.) Richard Weber, 4:0 (83.) Elmar May (Foulelfmeter). – Schiedsrichter: Seekamp (Bremen). – Zuschauer: 25.000.
Unsere Archivbilder dokumentieren weitere Eindrücke vom 4:0-Sieg der Borussia gegen Eintracht Frankfurt. (Fotos: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)









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