Mit Münz und Kuntz in die Bundesliga

Ein fast vergessener Held von München und ausgesprochener Teamplayer wird heute 80 Jahre alt: Happy birthday, Volker Münz!

Es gibt Momente, die vergisst du nie im Leben. Am 20. Juni 1964 ist so ein Moment. Während Nieselregen die 25.000 Zuschauer im Stadion an der Grünwalder Straße frösteln lässt, tickt die Uhr des Spiels auf die 80 Minuten zu. Im Aufstiegsspiel zur Fußball-Bundesliga führt Borussia Neunkirchen beim hochfavorisierten FC Bayern durch Karl Ringels verwandelten Handelfmeter mit 1:0, hat in der Defensive alle Hände voll zu tun, sich der bajuwarischen Offensivattacken zu erwehren. Da kommt der Ball auf der rechten Seite über Erwin Glod zu einem jungen Mann im schwarz-weißen Trikot: Noch nicht einmal 20 Jahre alt hat er das Auge für die Lücke, zirkelt den Ball blitzschnell (so schnell, dass keine Kamera die Aktion eingefangen hat!) zwischen Libero Franz Beckenbauer und Torhüter Sepp Maier hindurch exakt auf Stürmerkollegen Günter Kuntz, der keine Mühe hat, aus kurzer Distanz einzuschieben. 2:0, die Entscheidung, Borussia wahrt die Aufstiegschance. Der Name des blutjungen Borussen: Volker Münz. Der Fußballfachwelt, erst recht in Bayern, bis dahin noch kein Begriff, doch mit dem Spiel in München schreibt auch er Geschichte, wird Teil eines großartigen Kapitels in der Borussen-Historie – mit Münz und Kuntz in die Bundesliga! Heute wird Volker Münz 80 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!

Dass er in München überhaupt auflaufen darf, ist nicht selbstverständlich. Wie der Riese mit den nimmermüden 100 Augen, der in der griechischen Mythologie im Auftrag der Göttermutter Hera eine Nebenbuhlerin rund um die Uhr observieren soll, damit sie nicht mit dem Göttergatten fremd geht, hat Horst Buhtz mit Argus-Augen seine Schäfchen in den Tagen vor dem Spiel beobachtet. Anders als Argus, der sich ungeachtet seiner Augenvielzahl vom Götterboten Hermes einschläfern lässt, so dass Zeus ungehindert seine Lust frönen kann, bleibt Borussias Trainer hellwach: Ihm entgeht nicht, dass Top-Stürmer Elmar May bislang in der Relegationsrunde seiner Form hinterher läuft. Deshalb stellt er an dessen Stelle Volker Münz auf – Teil eines Widerstandsplans: „Der Mittelfeldmann Münz als taktischer Rechtsaußen. Die zu erwartende Bayern-Wucht sollte mit vereinten Kräften aufgefangen und dann zum Gegenschlag ausgeholt werden“, schreibt der frühere SZ-Redakteur Wilfried Burr in „Mythos Ellenfeld“. Ein Plan der am Ende des Tages voll aufgeht. „Der Buhtz hat mich reingelegt“, echauffiert sich Bayern-Coach „Tschik“ Cajkovski.

Volker Münz´ großer Tag in Grünwald: Noch kommt Borussias Stürmer gegen Sepp Maier zu spät … ,

… doch nach 79 Minuten findet sein Pass zwischen Maier und Beckenbauer hindurch Günter Kuntz, der (Bild oben, rechts nicht mehr zu sehen) zum 2:0 einschiebt und anschließend (Bild unten) gemeinsam mit dem Vorlagengeber in einer Jubeltraube (im Hintergrund) verschwindet, während Sepp Maier konsterniert am Boden sitzt. (Fotos: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Für den jungen Burschen aus Holz ist die Partie ein Schlüsselerlebnis. Als er mit seinen Borussen die Arena auf Giesingshöhen betritt, schrillt ihm ein gellendes Pfeifkonzert entgegen. 25.000 sind gekommen, um ihren FC Bayern nach dem Schlusspfiff als sicheren Aufsteiger zu feiern. „Da musst du jetzt durch“, versucht Volker Münz der Stimmung psychisch Herr zu werden. Und das gelingt. „Volker Münz spielte mit Köpfchen und so mannschaftsdienlich, dass niemand Elmar May vermisste. Münz und Kuntz als die sehr beweglichen Flügelspitzen und Mittelstürmer Pidancet beunruhigten Sepp Maiers Tor häufiger als es den Bayern lieb war“, ist in einem längst vergilbten Zeitungsausschnitt zu lesen. Höhepunkt einer Karriere, die beim SV Holz begonnen hat.

Vom SV Holz ins Ellenfeld: Borussias Neuzugang beim Trainingsauftakt 1963 …

… im Regionalliga-Einsatz (li.) mit Karl Ringel im Hintergrund …

… und in der Bundesliga als Beobachter (li.) von Günter Heidens Kopfball auf dem Betzenberg in Kaiserslautern. (Fotos: Ellenfeldverein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Dort hat Volker Münz als großes Talent beim damaligen saarländischen Verbandstrainer Jakob Oden einen Stein im Brett. Der Nachwuchsmann wird in C-, B- und A-Jugend in die Landes- sowie später in die Amateurauswahl berufen. Beim DFB-Turnier um den Länderpokal der A-Jugend gehört er zur „Mannschaft der Besten“, die aus allen Landesverbänden zusammengestellt worden ist: Jupp Heynckes mit der Rückennummer 9, Volker Münz mit der 10! Daheim in Holz genießt Borussias Rivale 1. FC Saarbrücken seine Sympathien – die Landeshauptstadt liegt ihm näher. Trotzdem lotst ihn Borussen-Präsident Norbert Engel, gemeinsam mit Horst Simmet, ins Ellenfeld. „Engel war der große Macher“, zollt Volker Münz noch heute in wehmütiger Erinnerung an große Zeiten dem damaligen Clubchef großen Respekt. Unter Horst Buhtz feiert Volker Münz am 18. August 1963, wenige Tage nach seinem 19. Geburtstag, seine Premiere im schwarz-weißen Trikot: Gegen den VfR Kaiserslautern muss sich Borussia im Ellenfeld mit einem 2:2 bescheiden. Erstmals in der Bundesliga kommt er ein gutes Jahr später zum Einsatz: Am 19. September 1964 kann freilich auch er die 0:1-Niederlage des Aufsteigers bei Eintracht Braunschweig nicht verhindern.

Volker Münz gehört zu den „Helden der Stadt“: Ob als Bundesliga-Aufsteiger (oben / 5. von re.) …

… oder als Südwestmeister (kniend ganz rechts).

Der Teamplayer war sich aber auch nicht zu schade, auf der Bank Platz zu nehmen (3. von li.), um von dort aus seine Mannschaftskameraden zu unterstützen. (Fotos: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Nach dem zweiten Aufstieg in die Bundesliga 1967 absolviert Volker Münz, weitere 11 Spiele in der ersten Liga, bleibt auch 1968 nach dem erneuten Abstieg der Borussia in der Regionalliga Südwest treu. 1969 beendet der stets bescheidene Teamplayer, für den stets der mannschaftliche Erfolg im Mittelpunkt stand, seine höherklassige Laufbahn. Doch ganz ohne Fußball geht es auch dann nicht: Als Spielertrainer übernimmt er bis 1972 beim SV Bliesen sportliche Verantwortung, engagiert sich später zweimal als Trainer beim FC St. Wendel, mit dem er sogar in die Oberliga aufsteigt. Beruflich war Volker Münz als stellvertretender Geschäftsführer beim Institut für Sozialforschung (ISO) in Saarbrücken tätig, in der Freizeit gehören, neben der Familie, Tennis, Wandern, Waldläufe, Gymnastik und im Winter auch Skifahren zu den bevorzugten Aktivitäten des zweifachen Vaters und mehrfachen Opas.

Borussia denkt an diesem Ehrentag besonders an Volker Münz und bedankt sich für sein erfolgreiches Wirken im Ellenfeld. Mit dem Dank verbinden alle Borussen alle guten Wünsche zum einem runden Geburtstag, der nicht jedem vergönnt ist: Viel Gesundheit, Zufriedenheit, Glück und Wohlergehen im Kreis Deiner Lieben, Volker Münz und: Ad multos annos! (-jf-)