Viele Borussen werden ihn kennen und schätzen. Raimund Eich, gebürtiger Neunkircher, Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik, Volkshochschuldozent und Buchautor, hat als Jugendlicher die Glanzzeit der Borussia im Ellenfeld erlebt. Bayern München, Borussia Dortmund, Schalke 04, Werder Bremen, Borussia Mönchengladbach, die Münchener Löwen, der Hamburger SV, Hertha BSC Berlin: Die `Creme de la creme´ des deutschen Fußballs gab sich in den 60er-Jahren im altehrwürdigen Stadion die Ehre, und der junge Raimund war live und in Farbe in der Spieser Kurve vor Ort dabei, hat Stars wie Uwe Seeler, Gerd Müller, Franz Beckenbauer, Günter Netzer, Jupp Heynckes, Berti Vogts, Lothar Emmerich, Rudi Assauer und Otto Rehhagel in Aktion gesehen, nicht selten auch siegreiche Borussen um Willi Ertz, Günter Schröder, Günter Kuntz, Elmar May, Paul Pidancet oder Günter Heiden. Mit seinem treuen vierbeinigen Weggefährten Charly durchstreift Raimund Eich seine Heimatstadt. Gestern kam er dabei an einem sonnigen, aber eiskalten Wintertag auch am Ellenfeld vorbei – da stieg neben nostalgische Erinnerungen und wehmütigen Gedanken auch die alte Liebe wieder in ihm auf, denn schließlich war Raimund Eich nicht nur Fan, sondern auch lange Jahre als Kolumnist des Stadionmagazins „Blick ins Ellenfeld“ engagiert. Gattin Rosi stand Spiel für Spiel im großen schwarz-weißen Fußball vor dem Stadion und verkaufte Fan-Artikel, Sohn Roland war in verschiedenen Ämtern bei der Borussia tätig. In einem Beitrag auf seiner facebook-Seite lässt Raimund Eich den interessierten Lesern an seinen Gedanken teilhaben – und die Borussen-Fans dankenswerter Weise auch hier auf unserer Homepage!
Heute Morgen hat mich Charly, mein Stadtführer auf vier Pfoten, zu meiner langjährigen heimlichen Liebe geführt. Über den Willi-Ertz-Weg hat er mich zu der alten Dame Borussia gebracht, die noch immer in einem ebenso beachtenswerten wie alten Fußballtempel beheimatet ist. Wahrscheinlich wollte er mir damit einen Gefallen erweisen, denn er weiß ganz genau, dass ich nur dann abends vor dem Fernseher nicht einschlafe, wenn ein wirklich spannendes Fußballspiel gezeigt wird. Er kuschelt sich abends vor der Glotze immer auf der Couch in meinen Arm und hat den Kopf auf meinen Beinen liegen. Normalerweise pennen wir beide so im Duett vor uns hin, aber beim Fußball muss er halt alleine ins Land der Träume, während ich in Wachträumen nicht nur das übertragene Spiel, sondern auch meine Borussia in Gedanken im Ellenfeldstadion spielen sehe.
Mit meiner Borussia meine ich insbesondere die Goldenen Sechziger Jahre, was nicht heißen soll, dass meine Liebe inzwischen erkaltet wäre, aber sie hat nun mal im Laufe der Jahrzehnte abgenommen, um ehrlich zu sein. Man ist nicht mehr ganz so begeistert wie vor sechs Jahrzehnten, als ich Bundesligaspiele nicht im Schwarz-Weiß-TV, sondern live und in Farbe im Ellenfeldstadion mitverfolgen konnte. Und jetzt bin ich mit Charly bei eisiger Kälte im strahlenden Sonnenschein auf der ehemaligen Schloss-Bräu-Wiese gelandet und blicke hinunter auf das weit über 100 Jahre alte Stadion, trotz oder gerade wegen des Alters eines der schönsten weit und breit, das jetzt unter Denkmalschutz steht.
Vor dem geistigen Auge sieht Raimund Eich sie heute noch: Die Borussen-Fans auf der überfüllten Schloss-Bräu-Wiese 1967 in der Bundesliga-Aufstiegsrunde gegen Bayern Hof (oben), beim Bundesligaspiel gegen den Hamburger SV auf der Ellenfeld-Sporthalle (unten). (Fotos: Ellenfeld- Vereine e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)
Ich kann mich einfach nicht satt sehen an diesem Fußball-Colosseum. Wir beide sind hier allein auf weiter Flur, während sich früher Tausende hier auf der damaligen Schloss-Bräu-Wiese versammelten, um die Spiele bei brechend vollem Ellenfeld wenigstens von außen mitverfolgen zu können. Alle Fußballgrößen der damaligen Zeit habe ich hier spielen sehen, und einige Fußballgrößen wie Stefan Kuntz oder Jay Jay Ockocha haben hier den Grundstein für ihre beispiellosen Karrieren gelegt. Die Spieser Kurve war damals mit Freunden unser Stammplatz, deren Ränge heute gesperrt sind, weil schon viel zu lange der Zahn der Zeit daran nagt. Leider ist auch für den fußballbegeisterten Jüngling von damals die Zeit auch nicht stehen geblieben. Man sagt: „Die Zeit macht nur vor dem Teufel halt!“ Ich werte das Altwerden insofern für mich wenigstens als ein gutes Zeichen und hoffe, dass dies gleichermaßen für das Ellenfeld gilt.
Bundesligafußball kann man zwar auch heute nur ein paar Kilometer weiter in Natura verfolgen, immerhin schlagen sich unsere Nachbarn aus Elversberg wacker in der 2. Liga. Und unser früherer Konkurrent aus der Landeshauptstadt spielt wenigstens in der 3. Liga. Nicht zu vergessen die Homburger in der Regionalliga, während die einst glorreiche Borussia aus Neunkirchen noch zwei Klassen tiefer die Fußballschuhe schnürt.
Was ist das Geheimnis des Erfolges unserer saarländischen Nachbarn? Natürlich entsprechend guter Fußball, der heutzutage nur noch mit möglichst viel gutem Sponsorengeld möglich ist. Davon kann die alte Dame aus der zweitgrößten Stadt des Saarlandes leider nur träumen. Nicht nur das, zum Überleben ist sie mangels voller Kassen einmal mehr dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen.
Höherklassiger Fußball im sonnenüberfluteten Fußball-Colosseum Ellenfeld? Derzeit leider nur in Raimund Eichs Erinnerung und Phantasie – dabei strömt das Stadion bis heute eine unvergleichliche Atmosphäre aus! (Fotos: Raimund Eich)
Das Märchen von den Sterntalern ist sicherlich wunderschön, aber heutzutage fallen die für Bedürftige im schwarz-weißen Trikot leider nicht vom Himmel. Wie so oft frage ich mich daher, warum sich nicht auch wie bei unseren Nachbarn, denen ich den sportlichen Erfolg von Herzen gönne, endlich ein Großsponsor findet, um den 120jährigen Traditionsverein zu unterstützen. Nur naive und offenbar unerfüllbare Wunschträume eines betagten Borussen-Fans und weiter nichts?
Meine nostalgischen Gedankenspiele enden schlagartig, als ich merke, dass ich mir beim Sitzen neben Charly auf der eiskalten Wiese einen ebensolchen Hintern eingefangen habe. Zudem ist die Hose in dieser Körperregion zwangsläufig klatschnass geworden. Ein Glück, dass die lange Winterjacke wenigstens diesen zu gehässigen Fehlinterpretationen geeigneten Schandfleck schamhaft verbirgt.
Erst jetzt bemerke ich, dass Charly schon länger darauf wartet, endlich weiterzuziehen. Zu Hause wartet schließlich ein voller Fressnapf auf ihn und auf mich hoffentlich eine trockene Hose.
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