Erinnerungen – wie an Land gespültes Treibholz, Flaschenpost aus längst vergangenen Zeiten
„There´s a time, that I remember, when I did not know to pain, when I believed in forever, and everything would stay the same. (…) And the memories bring back, the memories bring back you.” Von Zeiten, als man noch keinen Schmerz kannte, als man noch an ein „für immer“ glaubte, als man sich sicher war, dass alles beim Alten bleiben würde, sing in ihrem Hit die amerikanische Rock-Band Maroon Five. Lead-Sänger Adam Levine beschwört dabei Erinnerungen, die diese Zeiten wieder zurückbringen. Ganz in diesem Sinne sind die Beiträge, mit denen Borussia derzeit unter dem Motto „Heute vor 60 Jahren“ auf die erfolgreiche Saison (1964/65) als Bundesliga-Aufsteiger zurückblickt, weit mehr als nur, wie manch Kritiker meint, Schwelgerei in der Vergangenheit. Warum?
Man bedenke: Kein menschliches Leben ohne Erinnerungen! Sie sind Bausteine, die das Fundament unserer Persönlichkeit bilden. Alles, was jemals Eindruck auf uns hatte, ist unter Mitwirkung all unserer Sinne in unserem Gehirn wie in einem riesigen Computer gespeichert. Was wir von frühester Kindheit an gesehen, gehört, gerochen, gefühlt und geschmeckt haben, daraus drängen sich viel später Erinnerungen wie an Land gespültes Treibholz in unser Bewusstsein. Dabei mögen Erinnerungen im Laufe der Jahre verblassen, doch können sie, im sequentiellen Langzeitgedächtnis in komprimierter Form festgehalten, jederzeit zur Aktivierung aufbereitet werden. Dies gilt nicht nur für jeden einzelnen von uns, sondern auch für Gemeinschaften, und hier vielleicht in ganz besonders gefühlvoller Weise, stellen doch Erinnerungen an etwas gemeinsam Erlebtes Nähe her, die verbindet, ja geradezu zusammenschweißt. Doch niemand unter uns nimmt ungefiltert alle Sinneseindrücke auf: „Jeder filtert das Gesehene und Gehörte unwillkürlich in wichtige und unwichtige Dinge. Da der Mensch seine Erinnerungen während seines Lebens ständig umschichtet und umdeutet, gewinnen manche Erinnerungen eine höhere Bedeutung als andere. Besonders schöne und angenehme Ereignisse scheinen sich dabei dauerhafter einzuprägen als traurige oder langweilige. Dies ließe sich damit erklären, dass Menschen in der Umformung ihrer Erinnerungen ständig darum bemüht sind, eine möglichst erfolgreiche und glückliche Biografie zu generieren“, heißt es bei „Wikipedia“.
Bei der Borussia sind Erinnerungen Teil einer langen Tradition. Im Sommer 2025 wird der Verein 120 Jahre alt. Vieles ist in diesen 120 Jahren geschehen, festgehalten: In diversen Archivalia, Büchern, Festschriften zu diversen Jubiläen. Diese Erinnerungen, vor allem an positive Ereignisse, für die man sich nicht schämen muss (erst recht nicht in schwierigen Zeiten!), gehören als Brücken in die vergangene Zeit einerseits angesichts der sorgenvollen Gegenwart zu jenem vom deutschen Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, Jean Paul, metaphorisch beschworenen „Paradies, aus dem man nicht mehr vertrieben werden kann“, sind aber andererseits auch Wurzeln, aus denen die Borussia ihre Identität ableitet. Wurzeln, mit denen sich auseinanderzusetzen lohnt. Wurzeln, die verankern, die zugleich auch Mut und Motivation spenden können für die Zukunft. Wie soll jemand wissen, wo er hinwill, wenn er nicht weiß, aus welcher Vergangenheit er kommt?
Sicher sind in dieser Vergangenheit viele Fehler gemacht worden. Eine Idealisierung oder Verklärung nach der Maßgabe „Früher war alles besser“ verbietet sich deshalb. Irren ist zutiefst menschlich: „Errare humanum est“, wussten schon die alten Römer. Dennoch: Erinnerungen wachzuhalten, Erinnerungen den Älteren unter uns wieder bewusst zu machen, und weil es immer weniger werden, die diese großartige Borussen-Ära miterlebt haben, den Jüngeren das Feuer einer großen Tradition, die es zu bewahren und in eine zeitgemäße Zukunft weiterzutragen gilt, anzuempfehlen – das soll das Ziel der Nostalgie-Reihe sein. Apropos Nostalgie: Nostalgie, das sich aus den griechischen Wörtern „nostos“ (Heimkehr) und „algos“ (Schmerz) zusammensetzt und damit so etwas wie „Heimweh“ oder „sehnsuchtsvolle, wehmütige und zuweilen auch schmerzhafte Hinwendung zur Vergangenheit“ bedeutet, kann auch als eine Art Korrektiv angesehen werden, will heißen: „Sie kann bei Menschen entstehen, die sich in einem seelischen oder körperlichen Ungleichgewicht befinden. Dabei stellt die Nostalgie möglicherweise eine Art Balance wieder her, aus der Kraft geschöpft werden kann, oder sie bietet in schwer zu verarbeitenden Momenten einen emotionalen Ausweg aus der Situation. Nostalgie kann somit als therapeutisches Mittel verstanden werden, das eine depressive Stimmung aufzuhellen vermag“, so Fanny Jiménez in einem Artikel in der „Welt“. Tenor: „In unsicheren Zeiten werden Menschen nostalgisch – Nostalgie bietet einen emotionalen Ausgleich.“ Und so kann die Erinnerung, ähnlich wie an Land gespültes Treibholz, nach dem Anlanden ein zweites Leben beginnen: Jedes Stück erzählt seine eigene Geschichte und verbindet uns mit der Natur und unserer kulturellen Vergangenheit.
Bei all den Reminiszenzen an die vielen schönen Momente kann das passieren, was Maroon Five am Ende ihres Liedes über die „Memories“ wie folgt formulieren: „Now my heart feel like an ember and it´s lighting up the dark. I´ll carry these torches for you and I know I´ll never drop, yeah!” Jetzt fühlt sich mein Herz wie eine Glut an, und es erhellt die Dunkelheit. Ich werde diese Fackel tragen für Dich, damit du weißt, dass ich sie niemals fallen lassen werde, ja!
Lasst uns in diesem Sinne gerade in schweren Zeiten der Vereinsgeschichte nicht nur an die vielen gemeinsamen positiven Erlebnisse denken, sondern die alte Liebe weiterleben lassen und die Borussia unterstützen! Go Borussia! (-jf-)
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