Für das Ellenfeld ist kein Weg zu weit!

Wieder internationale Gäste beim Spiel der Borussia gegen den TuS Herrensohr: Job und Marcel aus den Niederlanden vom ehemaligen Bundesliga-Stadion schwer beeindruckt!

Unser Bild: Spannende Stadion-Führung mir Professor Dr. Jens Kelm (3. v. l.) – Job, Marcel und Sven sind trotz des schlechten Wetters von der Aura des Ellenfelds total begeistert. (Foto: -jf-)

Von Hengelo Overijssel in den Niederlanden sind es exakt 451 Kilometer bis nach Neunkirchen. Rund 5 Stunden Fahrzeit. Von Duiven bei Arnheim ist es nicht viel näher, 419 Kilometer weist die Website google.maps aus. Doch für das Ellenfeld ist ihnen kein Weg zu weit: Job und Marcel besuchten am vergangenen Samstag die Partie der Borussia gegen den TuS Herrensohr. Das primäre Interesse der beiden Reisenden in Sachen Fußball galt dabei dem altehrwürdigen Stadion, dem einzigen in Deutschland, in dem Groundhopper noch die Atmosphäre der Bundesliga-Gründerzeit schnuppern können. Erst recht, wenn sie ein so kompetenter Fachmann wie Borussias Stadionbeauftragten Dr. Jens Kelm durch die Arena führt. Denn der kennt hier jeden Stein. Da kann auch der strömende Regen der erwartungsvollen Stimmung keinen Abbruch tun.

Das nostalgische Fußballerlebnis beginnt an der Fußballer-Statue. Die von Karl Hock entworfene und von der Schlossbrauerei anlässlich des 50jährigen Bestehens der Borussia gestiftete Figur blickt allen Widrigkeiten trotzend über den Mantes-la-Ville-Platz. Zu ihren Füßen werden die Niederländer, zu denen sich auch Sven aus Schifferstadt gesellt hat, von Dr. Jens Kelm begrüßt, der erste Informationen zum Stadion gibt und auf die enge Verbindung der Borussia zu den Eisenwerken, der Hütte und der Schlossbrauerei hinweist. Schon der erste Blick ins Stadion beim Durchschreiten des Eingangs macht mächtigen Eindruck auf die Gäste. Die Blicke schweifen durch das Viereck. „Das Ellenfeld ist eines der ältesten Stadien in Deutschland. Borussia spielt an dieser Stelle seit 1912“, erklärt Dr. Kelm. Der Intim-Kenner des Ellenfelds weiß viele Details zu erzählen: Zum Beispiel, dass es sich bei der Erstanlage um ein Erd-Stadion handelte, dass an der Stelle der jetzigen Gegengeraden eine Holztribüne mit einem Dach englischen Stils gestanden hat, die 1928 abgebrannt ist. Die drei Gäste erfahren weiter, dass 1930 eine erste Steintribüne errichtet wurde, die nach dem Bundesliga-Aufstieg 1964 mit der mächtigen, 2300 Sitzplätze bietenden heutigen Tribüne überbaut wurde. „Das freitragende Dach dieser Tribüne ohne sichtbehindernde Stützpfeiler war damals eine architektonische Meisterleistung“, sagt Dr. Kelm nicht ohne Stolz.

Jetzt führt der Stadionrundweg Richtung Westen hin zur Spieser Kurve. „Bitte dreht Euch erst um, wenn wir oben angekommen sind“, empfiehlt Jens Kelm den Fußballfreunden. Und in der Tat: Wer die steilen Stufen hinaufgekraxelt ist, dem bietet sich ein immer wieder imposanter Anblick. Mehr als 7.000 Fans bietet die Kurve, die eigentlich eine Gerade ist, Platz. Job, Marcel und Sven sind überwältigt, vor allem, als sie hören, dass es beim Ausbau 1964 eigentlich geplant war, auch die Gegengerade auf die Höhe der Spieser Kurve zu bringen. „Dann hätten wir hier ein Stadion stehen mit einem unglaublichen Fassungsvermögen von nahezu 50.000 Zuschauern“, erläutert Dr. Kelm. Das Veto der Schloss-Brauerei, der das Gelände hinter der Gegengeraden gehörte, verhinderte dies. „Die höchste Zuschauerzahl, die das Ellenfeld erlebt hat, beläuft sich auf 33.000 beim Aufstiegsspiel 1967 gegen Bayern Hof. Heute ist eine solche Zahl aufgrund der Auflagen illusorisch. Die Wellenbrecher sind zu niedrig und müssten versetzt stehen, auch die Begrenzungszäune am oberen Rande der Spieser Kurve und von Block 5 sind nicht hoch genug“, weiß Dr. Kelm, der den Besuchern auf der Haupttribüne den Ehrenplatz von Torhüter-Legende Willi Ertz zeigt, ehe es in die „Innereien“ der alten Tribüne von 1930 geht, deren Funktionsräume im ersten Bundesligajahr bis zur Fertigstellung der neuen Tribüne noch genutzt wurden. Hier zeigt Dr. Kelm die Räume der früheren Geschäftsstelle. Duschen und Kabinen, in denen sich Fritz Walter umzog, wenn er mit seinen Weltmeistern vom 1. FCK zu Gast war, sind ebenfalls noch zu sehen. Sogar die Stelle, an der der Ofen stand und das Kaminrohr den Rauch nach oben führte, gibt es noch. Mit ein bisschen Phantasie kann man sich gut vorstellen, wie der Betreuer durch das kleine Fenster nach draußen schaute, wann das Spiel beendet ist, um den Ofen für das warme Duschwasser anzuheizen.

Anschließend warten die Katakomben der 1960 errichteten Sporthalle auf die Gäste. Hier zieht das Entmüdungsbecken mit einer speziellen Wanne für Unterwassermassagen (einmalig für die damalige Zeit!) die Aufmerksamkeit ebenso auf sich wie die Gästekabine. Dort haben sich Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Günter Netzer das Trikot übergestreift. Die Gladbacher, unter ihnen auch Berti Vogts und Jupp Heynckes haben im Ellenfeld im August 1965 ihr erstes Bundesligaspiel bestritten. Günter Netzer ist auf einem großformatigen Schwarz-Weiß-Bild wenig später im VIP-Raum zu besichtigen, hier schauen sich Job, Marcel und Sven auch alte Mannschaftsfotos aus der Borussen-Historie mit großem Interesse an.

Nach so viel Informationen für den Geist sollen auch körperliche Bedürfnisse nicht zu kurz kommen. Susi Welter hat in der Sporthalle leckeren Kaffee gekocht und Brezeln bereitgestellt. Hier kommt man sich im Gespräch näher und erfährt ein bisschen von den Vorlieben der Gäste. In ihrer niederländischen Heimat mögen Job und Marcel besonders die Atmosphäre des Stadions „de Kuip“ in Rotterdam. Auch der schon 1920 fertiggestellte „Adelaarshorst“ von Go Ahead Deventer hat es ihnen angetan. Marcel ist Fan des derzeit auf Rang 8 liegenden Ehrendivisonisten, zu dem er durch seinen Vater kam: „Er hat mir als Junge gesagt: Du gehst du Go Ahead, und dabei ist es bis heute geblieben“, erzählt er mit einem zufriedenen Lächeln. Job hat sein Herz an den Zweitligisten De Grafschaap verloren, der sich auf Platz 2 liegend Aufstiegshoffnungen machen darf. Das in den 90er Jahre grundlegend renovierte Stadion „De Vijverberg“ bietet knapp 13.000 Fans Platz. Job engagiert sich dazu noch in der Redaktion der Groundhopper-Website „in de hekken“ (www.indehekken.net), für die er über seine Reisen in Sachen Fußball Artikel und Fotos abliefert. „Das Ellenfeld-Stadion wird hier einen gebührenden Platz erhalten, denn es verkörpert 100 Prozent Fußballkultur und ist ein Muss für jeden Liebhaber. Wir werden aktiv Werbung für die beeindruckende Arena machen. Neunkirchen soll bekannt werden in den Niederlanden“, verspricht er. Die beiden sind ohnehin nicht mit leeren Händen gekommen: Sie überreichen Jens Kelm nicht nur einen Präsentkorb, sondern hinterlassen auch eine kleine Geldspende für die Vereinskasse der Borussia – vielen Dank!

Jetzt kann es gestärkt auf die Haupttribüne gehen, die eine grandiosen Perspektive auf das Spiel der Borussia gegen Herrensohr bietet. Dass die Partie dank des späten und hochverdienten Ausgleichs durch Nyger Hunter für Borussia noch einen versöhnlichen Abschluss findet, rundet einen gelungenen Nachmittag ab. Bewaffnet mit der aktuellen Ausgabe des Stadionmagazins „Blick ins Ellenfeld“ sowie dem Jubiläumsbuch „100 Jahre Ellenfeld“ steigen Job und Marcel, um ein Fußball-Erlebnis reicher, wieder in ihr Auto. Mit einem „großen Dank für die einmalige Stadionführung“ heißt es jetzt Abschied nehmen. Es hat aufgehört zu regnen, die Wolkendecke hat sich geöffnet. Die beiden Niederländer fahren weiter, machen am Sonntag Station im Homburger Waldstadion beim Spiel des FCH gegen die U23 des VfB Stuttgart. Anschließend liegen 450 Kilometer, wenn es gut läuft, knapp fünf Stunden Fahrzeit, vor ihnen. Den Pfälzer Sven verschlägt es noch ins Hotel Ellenfeld, wo er Gastfreundschaft und Geselligkeit der Borussen genießt, ehe es per Zug wieder in die Heimat geht. Fest steht: Für alle hat es sich gelohnt. Das einzige nahezu im Originalzustand der Bundesliga-Gründerjahre erhaltene Stadion Deutschlands ist immer eine Reise wert, egal wie viele Kilometer zu bewältigen sind. Denn Entfernung spielt in den Fußball-Herzen keine Rolle. Erst recht, wenn man sein Herz an das Ellenfeld und die Borussia verloren hat. (-jf-)

5 Kommentare

  1. Wie schön, dass zwei Landsleute, zumal aus Hengelo in den Niederlanden, 15 km. von meinem Geburtsort Almelo/Ndl.zu Besuch waren. Und ich darf Fan von den Borussen in Neunkirchen sowie von Heracles/Almelo sein, einem Klub, der seit seinen Eintritt in die Eredivisie kämpft, um über das Mittelmaß der Tabelle erscheinen zu können, und jetzt, auf dem Weg dahin, AJAX/Amsterdam ein 0-0 abtrotzte und im Spiel zuvor, gegen Zwolle, den Tabellenletzten, mit 1-0 verlor. Hoch und tief, überall wird gekämpft, wird gewonnen und verloren und vom Publikum geheult und geschimpft Inzwischen ließen
    die Borussen, auf dem Weg zur Spitze, auch gegen Herrensohr zwei Punkte liegen. Ich gebe zu, frustriert nach dem 2-1 nach Hause, in die häusliche Wärme und zu meiner lieben Frau gegangen zu sein, aber nicht ohne hinter mir ein Freudengeheul gehört zu haben, das sich später als Freudentaumel über das Unentschieden erwies. Ich freue mich also über :
    -den Besuch aus den Niederlanden
    -das Unentschieden gegen Ajax
    -das Unentschieden gegen Herrensohr
    -das eminente Wissen des Prof. Dr. Kelm
    -Susis springlebendige Art und
    -vieles mehr

  2. Meiner Meinung nach könnte man mit diesen Stadiontouren allein die Fixkosten des Stadions im Jahr finanzieren.
    Wie viele Fussballfans gibt es denn in Deutschland? Wieviele Groundhopper?
    Das Stadion hat ein Alleinstellungsmerkmal (einziges im Ursprungszustand der Bundesligazeit erhaltenes Stadion)welches man viel zu wenig in der öffentlichen Medien pupliziert.

    Wenn man hier mehr Werbung bei Instagram, Facebook usw machen würde.
    Könnte man bestimmt 3 Gruppen mit je 10 Personen pro Tag (das wären lächerliche 6600 Personen pro Jahr), an 220 Tagen im Jahr für 15 Euro pro Person durchs Stadion führen. Das wären Einnahmen in Höhe von sage und schreibe 100.000 Euro (ohne Fanartikelverkauf oder Spendeneinnahmen!!).

    Wieso ergreift man diese Möglichkeit nicht???
    Man scheint ja sehr Kompetente Leute bei diesen Führungen zu haben mit ausreichend Fachwissen.

    Ich denke für jeden Fussballfan in Deutschland wäre es Erlebnis was locker 15 Euro wert wäre….

    Wenn man dann noch Publik macht wer sich alles bereits in den Kabinen umgezogen hat und wer sein erstes Bundesligaspiel in diesem Stadion gemacht hat….

    Und dies nicht immer nur auf der Borussenhomepage schreibt, wo kaum jemand reinschaut….

  3. … Nkler … stell dir vor ein Spiel an einem Freitag mit LED-Flutlicht in diesem Schmuckstück.
    Einfach nur Wahnsinn …
    Ein „Stern“ über dem „saarl. Nachthimmel“.

    Über entspr. Kosten einer neuen LED-Flutlichtanlage und sonstige Dinge habe ich bereits vor Wochen geschrieben … aber ???

  4. Sehr schön geschrieben Jo!!
    Viele Enthusiasten (Groundhoppers) werden sich für den schönen Club und das unglaublich einzigartige Stadion interessieren

    Das ist deutsche Fußballgeschichte und muss erhalten bleiben!

    Grüße aus Hengelo

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