Aus der traditionsreichen Historie – heute vor 61 Jahren: Die Borussen bleiben ihrer Auswärtsschwäche treu und unterliegen beim VfB Stuttgart knapp mit 2:3
Unser Bild: Der fliegende Engel – Borussias Stürmer Elmar May kommt in Strafraum zu Fall, der Elfmeterpfiff aber bleibt aus, sehr zur Erleichterung von Stuttgarts Rudi Entenmann (li.), der das Leder anschließend aus der Gefahrenzone befördert. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)
Auch wer nicht live dabei war, kann es sich so richtig vorstellen: Ein nasskalter Samstag Mitte Dezember, die Feuchtigkeit kriecht von unten nach oben in einen hinein, der trübe Himmel trägt auch nicht gerade zur Erwärmung bei. Kurz vor Spielschluss wabert auch noch Nebel durch das mit nur 14.000 Zuschauern recht spärlich besetzte Neckarstadion. Das mittlerweile eingeschaltete gleißende Flutlicht hatte Mühe, die Schwaden zu durchdringen. Trotz des frühen Anpfiffs um 14.15 Uhr drohte sogar ein Spielabbruch, weiß Kicker-Reporter Paul H. Almendinger zu berichten: „So ging es in den Schlussminuten sogar ein bisschen geisterhaft zu.“ Als Schiedsrichter Günther Baumgärtel aus Hagen die Partie beendet, sind fünf Tore gefallen: Drei für den VfB Stuttgart, zwei für die Borussia. Der Bundesliga-Aufsteiger aus dem Ellenfeld muss nach dem Mittelfeld-Duell (Tabellenelfter gegen den Zwölften) zum Abschluss der Vorrunde ohne Punkte ins Saarland zurückfahren.
Daran hatten sich die Männer von Trainer Horst Buhtz in ihrer ersten Saison im Fußballoberhaus allerdings schon fast gewöhnt. Denn im Gegensatz zur Heimstärke (nur Dortmund und Kaiserslautern hatten im Ellenfeld siegen können!) hatten die Borussen auf fremden Plätzen bis dato lediglich mit dem 1:1 auf Schalke einen Zähler mit nach Hause nehmen können. Mit dem Rückenwind eines 2:1 gegen Hannover 96 und eines 2:2 gegen Hertha BSC war Borussia ins Schwabenland gefahren und hatte sich gegen einen zuvor in drei Spielen punktlosen VfB, der jeweils knapp mit 1:2 gegen den FCK, Eintracht Frankfurt und Hannover den Kürzeren gezogen hatte, durchaus etwas ausgerechnet. Doch die beiden Treffer von Erwin Glod (74.) und Gottfried Peter (84.) in der Schlussphase waren zu wenig, um den Stuttgarter Sieg, bei dem Dieter Höller mit einem verwandelten Handelfmeter (40.), Erwin Waldner (58.) und der junge Hartmut Weiß (78.) jeweils einen Zwei-Tore-Vorsprung herausgeschossen hatten, noch in Gefahr zu bringen.


Die 90 und ein paar mehr Minuten hatten sich im Großen und Ganzen offenbar der tristen Witterung angepasst. „Die Partie bot im besten Falle Hausmannskost, ohne dramatische Akzente. Und selbst der Endspurt der Borusse würzte die Suppe nicht, denn das Spiel der Gäste war trotz aller Feinheiten nicht atemberaubend“, fasste der „Kicker“ zusammen. Das Spiel sei zwar recht flüssig gerollt, „weil nirgendwo gemauert wurde, aber doch gemächlich, weil niemand Schnelligkeit liebte, und harmlos, denn weder die eine noch die andere Seite bevorzugte oder machte auch nur besonderen Gebrauch von körperlichem Spiel.“ Horst Buhtz hatte seiner Truppe ein tiefgestaffeltes WM-System verordnet, musste aber konstatieren, dass das letztlich auch nicht zum erhofften Erfolg führte: „Auswärts ist unsere Elf nur die Hälfte wert. Da fehlt ihr das Feuer, die Kraft, die Schnelligkeit.“ So hatten die Stuttgarter immer wieder die Gelegenheit, ihre Stürmer in Szene zu setzen, unter denen vor allen Dingen der junge Hartmut Weiß zu gefallen wusste: „Hätte er etwas mehr Kaltblütigkeit besessen, wäre er als vierfacher Torschütze vom Platz gegangen“, lobt Paul Almendinger im „Kicker“. Dieses Manko wurde gegen Ende des Spiels aber auch den Borussen, vor allem Elmar May, attestiert: „Neunkirchen bäumte sich zum Schluss auf, riskierte etwas, und hätte der gefährliche May entweder gleichwertige Nebenspieler gehabt – der beste Stürmer (Glod) steckte in der Abwehr! – oder aber einen weniger starken Gegenspieler (Seibold), dann hätten die Stuttgarter trotz mehr als einstündiger Überlegenheit und fast einem Dutzend Torchancen nicht als Sieger den Platz verlassen.“

Da streckt sich Günter Sawitzki vergeblich: Das Geschoss von Erwin Glod passt in den Winkel (oben / Ball hinter dem Torpfosten erkennbar), ehe der VfB-Keeper nach einer Rolle das Leder aus dem Netz holen muss (unten). Aber mehr als der zweimalige Anschlusstreffer war für die Borussia an diesem Samstagnachmittag nicht möglich. (Fotos: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Horst Buhtz zeigte sich mit seiner Truppe „nicht ganz zufrieden“, bemängelte vor allem, dass sie „zu bedächtig und ohne die notwendige Konsequenz in der Deckung“ agiert habe. „Aber zuhause sieht das ganz anders aus“, versprühte der Borussen-Coach trotz der Niederlage weiterhin Zuversicht: „Auf unsere Heimspiele bauen wir. Unserer Mannschaft fehlt vor allem die Möglichkeit, vor Auswärtsspielen länger zusammen zu sein. Vor Heimspiele gehen wir wenigstens am Freitagmittag in ein gemeinsames Quartier. Wir sind zwar auch diesmal schon am Freitagabend angereist, waren auch prächtig untergebracht, aber zu weit außerhalb. Wir mussten allein 20 Kilometer zum Kino fahren“, gab der Trainer ein paar Einblicke in die (damals übliche) Spielvorbereitung. VfB-Betreuer Schnaitmann hatte Lob und Kritik für die Borussia parat: „Neunkirchen ist eine technisch gute und faire Mannschaft. Schnelligkeit und Härte aber fehlen der Elf, jedenfalls hier in Stuttgart.“ Schnaitmann bedauerte die mangelhafte Chancenverwertung seiner Jungs („Sonst hätten wir höher gewonnen!“), legte aber große Hoffnung in einen Spieler: „Vielleicht macht sich der junge Weiß! Jedenfalls hat er im Augenblick eine Chance.“
Tabellarisch konnte sich der VfB Stuttgart durch das 3:2 auf Rang 10 verbessern, die Borussen fielen auf Platz 14 zurück, nur einen Zähler vor dem ersten Abstiegsplatz, den der Karlsruher SC einnahm. Bemerkenswert bei Halbzeit der Saison: Wenn nur die Ergebnisse der ersten Halbzeit zählten, nähmen die Borussen hinter dem 1. FC Köln, Werder Bremen und Hannover 96 den 4. Tabellenplatz ein! Mit einer ziemlich minimalistischen Bilanz: Mit nur zehn Tore in den ersten 45 Minuten wurden 17 Punkte gewonnen, nur acht Mal mussten die Torhüter Horst Kirsch und Willi Ertz vor der Pause hinter sich greifen, drittbester Wert der Liga! Kaum vorstellbar, wenn diese Bilanz auch nach dem Seitenwechsel zu verzeichnen gewesen wäre … In der Heimtabelle rangierten die Borussen im Winter 1964/65 mit 11:5-Punkten auf Platz sieben, in der Auswärtstabelle trugen sie dagegen mit nur einem Zähler die rote Laterne.
Das Rückspiel im Mai 1965 gewann Borussia im Ellenfeld gegen den VfB mit 3:1 und durfte sich bekanntlich über den zehnten Tabellenplatz freuen – bis heute die beste Platzierung eines saarländischen Clubs in der ´bel etage` des deutschen Fußballs. (-jf-)
Statistik: VfB Stuttgart – Borussia 3:2 (1:0)
Stuttgart: Günter Sawitzki – Gerd Menne, Günter Seibold, Klaus-Dieter Sieloff, Rudi Entenmann, Eberhard Pfister, Rolf Geiger, Dieter Höller, Manfred Reiner, Erwin Waldner, Hartmut Weiß. – Trainer: Kurt Baluses.
Borussia: Horst Kirsch – Erich Leist, Hennes Schreier, Günter Schröder, Erwin Glod, Dieter Harig, Achim Melcher, Dieter Schock, Günter Kuntz, Elmar May, Gottfried Peter. – Trainer: Horst Buhtz.
Tore: 1:0 (40.) Höller, 2:0 (58.) Waldner, 2:1 (74.) Glod, 3:1 (78.) Weiß, 3:2 (84.) Peter. – Schiedsrichter: Günther Baumgärtel (Hagen). – Zuschauer: 14.000.
Wir danken Steffen Hauck für den Einblick ins Kicker-Archiv!
#Unsere Archivbilder lassen ein paar Szenen aus dem Bundesligaspiel der Borussia im Neckarstadion beim VfB Stuttgart noch einmal lebendig werden. (Fotos: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)














