Der „Held von Bern“ nimmt Abschied

Aus Borussias traditionsreicher Historie / Heute vor 60 Jahren: Borussia demontiert den amtierenden Vizemeister Meidericher SV mit 4:2 / Letztes Bundesligaspiel von Helmut Rahn

Unser Bild: Nicht zu bremsen von der Meidericher Abwehr war Borussen-Stürmer Günter Kuntz, der gleich drei Treffer zum ersten Bundesliga-Sieg der Borussia beisteuerte. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Als vor ziemlich genau 54 Jahren, am 10. Oktober 1964, der Meidericher SV im Ellenfeldstadion seine Aufwartung machte, kamen die Duisburger mit drei ganz besonderen Empfehlungen ins Saarland. Zum einen war es der amtierende deutsche Vizemeister, der erstmals auf die Borussen traf, zum anderen standen mit Trainer Rudi Gutendorf und keinem geringeren als 54er-Weltmeister Helmut Rahn zwei Persönlichkeiten von besonderem Flair in den Reihen der Gäste aus dem Ruhrpott. 

„Riegel-Rudi“, wie der spätere „Paradies- und Wandervogel“ Gutendorf, gebürtig in Koblenz, damals auch genannt wurde, ließ seine Mannschaft denn auch betont defensiv beginnen und hatte nur den füllig gewordenen WM-Helden Rahn und Werner „Eia“ Krämer nach vorne auf die Lauer gelegt. „Alle anderen Stürmer halfen beim Super-Riegel mit“, heißt es im Spielbericht auf der Website fußballdaten.de. Doch schon nach 17 Minuten gelang es den Borussen, den Riegel erstmals zu knacken. Dieter Harig servierte einen Freistoß butterweich genau auf den Kopf von Günter Kuntz, der dem nicht immer sicher wirkenden Nationaltorwart Manfred Manglitz im Meidericher Tor das Nachsehen gab. Neben Dieter Harig war es vor allem Achim Melcher, der die Angriffswellen der Borussen geschickt einfädelte. „Es war schon erstaunlich, wie spielend leicht der Neunkircher Angriff, der keineswegs über Nacht zu einem Wundersturm geworden ist, die Meidericher Deckung auseinandernahm“, berichtet die „Saarbrücker Zeitung“. Mit einem durchaus haltbaren Geschoss aus 35 Metern überraschte Elmar May den indisponierten Manglitz nach 32 Minuten zum 2:0 – „sein Schuss riss die Tribünenbesucher von ihren Plätzen“, so die „SZ“.

„Lange nicht mehr so dynamisch wie heute“ – Elmar May heimste für seine Leistung gegen den MSV ein dickes Lob von Trainer Horst Buhtz ein! (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Für die Meidericher war dies das Signal, auch selbst mal etwas für die Offensive zu tun, doch vernachlässigten sie dabei ihre ohnehin schon wacklige Defensive. So nutzten die Borussen die Kontergelegenheiten nach dem Wechsel eiskalt aus und baten durch zwei weitere Treffer von Günter Kuntz (50. / 64.), der leicht verletzt ins Spiel gegangen war und eigentlich nur mit „halber Kraft“ spielte, den Vorsprung auf 4:0 aus. Ein Debakel bahnte sich für die Duisburger an. Erst als Borussia im Gefühl des sicheren Vorsprungs zu locker und fahrlässig agierten und die Konzentration nachließ, kamen die Gäste ihrerseits zu zwei Treffern durch Versteeg (66.) und Krämer (81.) und damit zu einem halbwegs erträglichen Ergebnis. „Das Kurzpassspiel des MSV stellte die Saarländer, die keinen echten Ausfall zu beklagen hatten (auch wenn Heiden und Pidancet nicht ihren besten Tag erwischten), vor keine großen Probleme. Zudem stand die Abwehr relativ sicher, in der die Achse Schröder-Schreier-Leist einen soliden Job verrichtete, Schock fleißig abräumte und Krämers Kreise beschnitt, während Melcher den Aufbau sortierte und Kirsch im Tor Sicherheit ausstrahlte“, so das Fazit von fußballdaten.de.

Einen schweren Stand hatte der „Held von Bern“, Helmut Rahn, gegen seinen hartnäckigen Bewacher Hennes Schreier (Nr. 3). (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Borussen-Coach Horst Buhtz hatte eine einfache Erklärung für die gute Leistung seiner Schützlinge, die zuvor in den ersten sechs Spielen nur zwei Punkte ergattert hatten: „Unser fünftägiges Trainingslager hat wieder einmal gezeigt, was unsere Spieler können, wenn sie vernünftig leben. Elmar May hat lange nicht mehr so dynamisch gespielt wie heute.“ Die Einsamkeit des Kirkeler Waldes hatte also ihre Wirkung nicht verfehlt! Aber einem hätte auch sie wahrscheinlich nichts mehr genutzt: Helmut Rahn. Der befand sich sichtlich schon lange nicht mehr in bester Form. Er hatte an diesem Oktobertag im Ellenfeld seinen letzten Auftritt in der Bundesliga und nicht nur mit seiner Körperfülle, lädierten Knochen und seinem viel jüngeren Gegenspieler Hennes Schreier zu kämpfen, sondern zu allem Übel auch noch mit dem Spott des Publikums, das die misslungenen Aktionen des früheren „Helden von Bern“ mit lautem Gelächter quittierte – kein schöner Abgang für den großen Fußballkünstler aus dem Ruhrpott!

Borussen-Trainer Horst Buhtz hatte gegen den Meidericher SV folgende Mannschaft auf den Platz geschickt: Horst Kirsch – Erich Leist, Dieter Schock, Hans Schreier, Günter Schröder, Dieter Harig Achim Melcher, Paul Pidancet, Günter Heiden, Günter Kuntz. Kollege Gutendorf hatte für die „Zebras“ nominiert: Manfred Manglitz – Johann Cichy, Hartmut Heidemann, Günter Preuß, Johann Sabath, Werner Krämer, Werner Lotz, Ludwig Nolden, Helmut Rahn, Rudolf Schmidt, Heinz Versteeg.

Durch den Sieg überholte Borussia den Gegner in der Tabelle und rangierte mit nunmehr 4:10-Punkten auf Rang 16. Das 4:2 gegen Meiderich war der Auftakt einer imponierenden Heimserie: Denn nachdem zuvor Borussia Dortmund (2:1) und der 1. FC Kaiserslautern (3:0) im Ellenfeld gesiegt hatten, gelang es bis zum Saisonende keinem Gast mehr, beide Punkte aus Neunkirchen zu entführen!

Beim Rückspiel in der Wedau im Februar 1965 holten die Borussen mit 1:1 einen wichtigen Punkt im Kampf um den Klassenerhalt. Elmar Mays Führung (57.) hatte bis kurz vor Schluss Bestand, ehe Heinz van Haaren ausgleichen konnte (84.). (-jf-)

1 Kommentar

  1. Wieder mal ein toller Bericht. Was ich nicht wusste war, dass sich unsere Zuschauer über Rahn lustig gemacht haben. Das enttäuscht mich sehr, hat er uns doch ganz wesentlich unsere erste Weltmeisterschaft ermöglicht.
    JK🙁

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