
Im April 1881 wurde der Gesamtverein gegründet. 1899 bestaunten die Mitglieder ihr erstes Fußballspiel, damals von vielen noch als aus England importierte „Fußlümmelei“ verschimpft. Ein Jahr später (1900) rief Turnrat Otto Weber die Fußballabteilung im „Essener Turnerbund Schwarz Weiß“ ins Leben. Wie die meisten Clubs gab es zunächst Platzprobleme, Umzüge waren auch im Süden der Ruhrmetrople an der Tagesordnung. Eine echte Heimat (bis heute) fand der ETB 1922 durch den Kauf eines Grundstückes, in dem noch im selben Jahr das Uhlenkrug-Stadion errichtet und eingeweiht wurde. Während die Borussia am 24. Juli 120 Jahre alt wurde, feiert man in diesen Tagen im Essener Süden das 125jährige Jubiläum der Fußballabteilung. Zum Jubiläumsspiel war am vergangenen Mittwoch Bundesligist 1. FC Köln Gast am frisch renovierten Uhlenkrug und siegte vor 1200 Zuschauern mit 9:1. Die Borussia gratuliert ihrem Pokalfinalgegner und Pokalsieger von 1959 herzlich zum 125jährigen Bestehen und wünscht für die Zukunft viel Glück und Erfolg!
Fast 66 Jahre sind es jetzt her, dass sich die beiden Teams nur einen Tag nach dem Weihnachtsfest am 27. Dezember 1959 im DFB-Pokalfinale gegenüberstanden. Eintrittskarten zu diesem Spiel bekam man schon für zwei Mark (!), die Anstoßzeit war bewusst auf 13.45 Uhr festgelegt, weil das Tageslicht in der winterlichen Zeit schon früh der Dämmerung weicht und der Austragungsort, das Kasseler Auestadion, noch keine Flutlichtanlage vorwies – es musste ja eventuell auch eine Verlängerung einkalkuliert werden! Allein schon diese organisatorischen Aspekte verdeutlichen, welch ungeheuren Wandel der Fußball bis zum Jahr 2025 genommen hat. Das Endspiel gewann der ETB am Ende deutlich mit 5:2, nachdem er auf dem Weg ins Endspiel den Lokalrivalen Rot-Weiss, dann Hertha BSC und sogar auswärts den Hamburger SV aus dem Wettbewerb eliminiert hatte. 2016 und 2017 fanden Revival-Spiele und Begegnungen der beiden Clubs statt, wieder blieben die „Schwatten“ aus dem Ruhrpott obenauf: 2:0 im Ellenfeld, 3:0 beim Stadionfest am Uhlenkrug.


Auch wenn der derzeitige Erfolg beider Clubs überschaubar ist: Ihre Tradition hat nichts an Wert eingebüßt. Tradition ist es, die den ETB und Borussia verbindet. Es gibt in der Tat einige Berührungspunkte zwischen den Pokalfinalisten von damals. Da sind zunächst die Vereinsfarben Schwarz und Weiß, die das Outfit beider Teams seit Jahren prägen. Da ist die Tatsache, dass sowohl der ETB als auch die Borussia ihre wohl erfolgreichste Zeit der Vereinsgeschichte in dem Jahrzehnt nach 1959 erlebten: Essen gewann den DFB-Pokal, errang 1967 die Vize-Meisterschaft in der starken Regionalliga West und klopfte in der Aufstiegsrunde an das Tor zur Bundesliga. Dort konnte Borussia drei Jahre lang verweilen (1964-1966 1967/68) und belegte am Ende der Aufstiegssaison im Mai 1965 gleich einen beachtlichen 10. Tabellenplatz. Da sind die beiden Stadien, die mit ihrem altehrwürdigen Charme – wie ein Fenster – einen Blick in längst vergangene Zeiten freigeben und deshalb in der Ära allzu gleichförmiger Fußballarenen in Groundhopper-Kreisen geradezu Kultstatus genießen: Eine Uhrensäule, wie in der Fankurve am Uhlenkrug, dürfte man wohl in deutschen Stadien vergeblich suchen. Das Ellenfeld-Stadion in Neunkirchen ist die einzige Sportstätte, die – sieht man mal von den in den 2000er-Jahren installierten roten Schalensitzen ab – nahezu im Originalzustand der 1960er-Bundesligajahre zu besichtigen ist.

Kultstatus bei Fußball-Nostalgikern: Der Essener Uhlenkrug (oben) und das Ellenfeld mit der Zaunfahne und den Logos der beiden Traditionsvereine ETB und Borussia. (Fotos: -jf-)

Da sind immer wieder in der Jugend von ETB und Borussia ausgebildete gute Fußballer, darunter auch solche, die in Diensten des DFB standen: Aus den Reihen der schwarz-weißen Essener Ex-Nationaltorwart Jens Lehmann und der frühere Manager der Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff, aus den Reihen der Borussia Stefan Kuntz, der 1991 mit dem 1. FC Kaiserslautern zu Meisterehren kam, sich mit der DFB-Elf 1996 die europäische Krone aufsetzte und auch die U21-Nationalmannschaft zum Europa-Titel führte. Nicht zu vergessen: Der Saarländer Gerd Zewe aus Stennweiler, im Ellenfeld fußballerisch groß geworden und 1993 auch auf der Trainerbank beim ETB!
Da sind immer wieder finanziell und sportlich schwierige Phasen in einer stark veränderten und extrem kommerziell ausgerichteten Fußball-Landschaft, die starke Konkurrenz im Umfeld aufweist: Während der Borussia in jüngster Zeit mit dem Nachbarn (und Zweitligisten) SV Elversberg ein nahezu übermächtiger Konkurrent erwachsen ist, stehen die Schwarz-Weißen seit Ende des zweiten Weltkrieges im Schatten des Ortsrivalen (und Drittligisten Rot-Weiss Essen).
„Schwarz-Weiß Essen ist das Paradebeispiel für einen bürgerlichen Fußballverein: gegründet von Mittelständlern, Kaufleuten und Angestellten. Spötter bezeichneten den ETB gerne als Lackschuhverein“, sagt der Fußballhistoriker Ralf Piorr. Und Ede Kasperski, mit (in den Jahren 1948 bis 1953) rund 250 Einsätzen und als langjähriger Spielführer des ETB eine Institution in der alten Oberliga West, ergänzt: „Böse Zungen behaupten sogar, dass sich die Spieler der ersten Mannschaft mit Sie ansprachen.“ Bis in die 20er Jahre hinein dominierte Schwarz-Weiß den Fußball in Essen. Dann gab es die ersten Erfolge der Arbeitervereine BV Altenessen 06 und Rot-Weiss Essen. Vor allem mit den Rot-Weissen aus dem Arbeiterstadtteil Bergeborbeck pflegte der ETB eine große Rivalität. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg RWE 1948 in die Oberliga West auf, Schwarz-Weiß konnte erst drei Jahre später in die höchste Klasse folgen. „Der ETB besaß weder ein vergleichbares Zuschauerpotenzial noch konnte er entsprechende sportliche Erfolge aufweisen. So blieb er das Stiefkind in der Stadt“, erklärt Piorr. Daran änderte auch das Pokalfinale 1959 in Kassel nichts, das der ETB am Ende deutlich mit 5:2 gewann, nachdem er auf dem Weg ins Endspiel den Lokalrivalen Rot-Weiss, dann Hertha BSC und sogar auswärts den Hamburger SV aus dem Wettbewerb eliminiert hatte.

Gleich fünf Mal durften die „Schwatten“ (mit Hennes Küppers) im Pokalfinale jubeln (li.) – als Zuschauer konnte man für 2 Mark (!) im Kasseler Aue-Stadion dabei sein (oben). In der Aufstiegsrunde 1967 jubelten die Borussen nach dem 1:1-Ausgleich von Wolfgang Gayer (li., von Jürgen Pontes und Hans Linsenmaier verdeckt), der Borussia vor großer Kulisse (re.) zurück in die Bundesliga brachte (unten). (Fotos: Ellenfeld-Verein e.V. Archiv Borussia Neunkirchen)

Es sollte nie wieder einen solchen Erfolg geben – im Gegenteil: Im folgenden Jahr stürzte Schwarz-Weiß in die 2. Liga West ab und wurde, wie die Borussia, 1963 auch bei Einrichtung der Bundesliga nicht berücksichtigt. Es folgten elf Jahre in der Regionalliga und vier weitere in der neuen 2. Liga Gruppe Nord. Der Absturz von dort 1978 markierte einen Einschnitt: Aus dem Amateurlager gab es kein Entrinnen mehr. Heute spielt der ETB in der Oberliga Nordrhein. 2022 scheiterte man in der Aufstiegsrunde zur Regionalliga. Am vergangenen Wochenende verbuchte man nach holprigem Saisonstart mit dem 2:1 gegen den SV Sonsbeck im dritten Spiel den ersten Dreier – und das, nach zwei Platzverweisen, in doppelter Unterzahl! Jetzt freut man sich am Uhlenkrug auf das Duell im Niederrheinpokal am kommenden Mittwoch mit dem Wuppertaler SV.
Doch auch wenn der ETB, genau wie Borussia, nicht mehr im bundesweiten Rampenlicht steht: Zukunft braucht Herkunft! „Wer Vergangenes liebt, lebt doppelt“, hat der Essener Junge Otto Rehhagel einmal gesagt. Tradition heißt nicht: Asche bewahren, sondern Feuer schüren. In der Tradition stehen, aus ihr bewusst schöpfen, aber nicht in ihr stehen bleiben. Daran arbeiten sie im Uhlenkrug ebenso wie im Ellenfeld. Und dürfen zurecht ihr Jubiläum feiern: Zunächst sportlich mit dem Spiel gegen den 1. FC Köln, dann gesellschaftlich Anfang Oktober mit der ETB-Gala im Essener Ruhrturm. Möge es dem Traditionsverein aus dem Essener Süden vergönnt sein, ganz in diesem Sinne bald wieder an erfolgreichere Zeiten anzuknüpfen: Happy birthday, ETB Fußballabteilung! (-jf-)