Bittersüße des Lebens

Am Freitagabend in Jägersburg schwer verletzt, in wenigen Wochen hoffentlich glücklicher Papa: Borussias Stürmer Tim Klein zwischen ziemlich extremen Gefühlen seines Daseins

Unser Bild: Da war noch alles in Ordnung – nur wenige Minuten vor der Verletzung schlenzte Tim Klein einen Freistoß um die Jägersburger Abwehrmauer herum. (Foto: -jf)

Einen Tag später geht es ihm schon etwas besser. Der erste Schreck ist verdaut. „Die Schmerzen sind dank Medikamenten erträglich, das rechte Bein, von unten bis oben in dicken Gips gehüllt, ist ruhiggestellt und hochgelegt“, berichtet Tim Klein. Der 26jährige Stürmer hatte sich beim Auftaktspiel der Borussia am Freitagabend in Jägersburg schwer verletzt, musste nach Erstversorgung auf dem Platz umgehend in die Uni-Klink Homburg gebracht werden. Das Spiel war mehr als 30 Minuten unterbrochen. Die Röntgenaufnahmen erbrachten eine erste Diagnose: Wadenbeinbruch. „Ob auch das Syndesmose-Band in Mitleidenschaft gezogen ist – oft eine Begleiterscheinung bei solchen Frakturen – , werden erst weitere Untersuchungen zeigen“, so Tim Klein. Das Syndesmoseband ist enorm wichtig, denn es verbindet den Fuß mit dem Bein. Die Syndesmose trägt so im Wesentlichen zur Stabilisation des gesamten Beines bei. Durch dieses Band werden das untere Schienbein und das Wadenbein zusammengehalten. Dadurch ist für die nötige Stabilität im Sprunggelenk gesorgt. Ist das Syndesmoseband gerissen, werden das Schienbein und das Wadenbein bei jedem Schritt auseinandergedrückt. Die Folge sind zum Teil heftige Schmerzen.

Was ist im Alois-Omlor-Sportpark denn eigentlich genau passiert? Es läuft die 54. Spielminute, die Gastgeber aus Jägerburg führen mit 1:0, doch die Borussen sind engagiert aus den Kabinen gekommen und um den Ausgleich bemüht. Den hatte Der Ex-FSVler Alexander Schmieden eine Minute zuvor schon erzielt, doch hatte Schiedsrichter Frank Distler dem Treffer „wegen eines unmittelbaren Handspiels“ die Anerkennung verweigert. Nach einem Zweikampf mit Jägersburgs Mittelfeldregisseur Tom Koblenz sinkt Tim Klein zu Boden. „Mit dem rechten Fuß bin ich irgendwie im Rasen hängen geblieben, zunächst aufs Knie und dann mit gebeugtem Bein rückwärts mit dem Oberkörper nach hinten gefallen. Dabei habe ich es knacken gehört und ein erster Blick auf die Fehlstellung des kompletten Fußes hat mir dann sofort signalisiert, dass da was kaputt ist“, erinnert sich Borussias Nummer 9 an die ersten Sekunden nach dem Unfall.

Auch Frank Distler hatte das merkwürdige Geräusch vernommen, forderte geistesgegenwärtig und wild gestikulierend sofort die Betreuer auf den Platz. Die alarmierten auch gleich den Rettungswagen. Zunächst geschockt, doch dann gefasst und, unterstützt von Freundinnen, fest an der Seite ihres Mannes: Tim Kleins hochschwangere Ehefrau Fabienne, die Anfang September das erste gemeinsame Kind erwartet. Am späten Abend durfte der Verletzte nach der Versorgung in der Klinik nach Hause. Am kommenden Donnerstag wird Tim Klein dann am rechten Bein operiert. Dr. Nils Veith, seit 2023 im medizinischen Stab des Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern tätig, wird sich seiner annehmen. Noch in der Nacht hatte der Mannschaftsarzt der Roten Teufel seinem Kollegen Sebastian Richter die Röntgen-Aufnahmen, der gerade aus dem Urlaub auf Usedom zurückgekehrt war, per Whatsapp zukommen lassen: „Klare OP-Indikation! Bei Nils Veith ist Tim Klein bestens aufgehoben. Wir arbeiten schon lange gut zusammen“, erklärt Borussias „Doc“. Wie lange der Torjäger ausfallen wird, kann derzeit nicht genau prognostiziert werden.

Der Auslöser und die Folgen: Unmittelbar nach diesem Zweikampf mit Jägersburgs Tom Koblenz bricht ohne Fremdeinwirkung Tim Kleins Wadenbein (oben). Sofort kümmerten sich Mitspieler und Betreuer, unter ihnen auch Jägersburgs Torhüter Joshua Blankenburg und der anwesende Teammanager von Hertha Wiesbach, Jan Berger, um den Verletzten (Mitte), ehe er vom Deutschen Roten Kreuz in die Uni-Klinik abtransportiert wurde (unten). (Fotos: -jf-)

Nicht ausfallen wollte Tim Klein dagegen im Rahmen seines Studiums der Immobilienwirtschaft, wo schon am gestrigen Samstag ein wichtiger Termin auf den Verletzten wartete: An der Universität hielt der bei der GSG In Neunkirchen ausgebildete Immobilienkaufmann, der sich inzwischen auch mit seinem Unternehmen „Klein Immobilien“ selbstständig gemacht hat, trotz der körperlichen Beeinträchtigung eine Präsentation. Denn Ausbildung und Studium sind Tim Klein sehr wichtig: „Der gestrige Tag hat mir ja nochmal gezeigt, wie schnell es mit dem Sport vorbei sein kann!“ Eine Erfahrung, die der Mittelstürmer bereits in jungen Jahren beim SC Freiburg machen musste und die ihn schon früh zum Umdenken bewogen hat. Als B-Jugendlicher hatte er den Schritt in den Breisgau gewagt, besuchte im Fußballinternat des Sportclub die DFB-Eliteschule und spielte mit der Freiburger U17 in der Bundesliga. Doch eine schwere Knieverletzung bereitete seinem Traum vom Fußballprofi ein jähes Ende.

Die Rückkehr ins Saarland, zunächst nach Elversberg, dann nach Neunkirchen, hat Tim Klein indes nie bereut. „Ich bin im Nachhinein froh, dass ich diesen Weg gegangen bin, der es mir erlaubt, Beruf und ambitionierten Amateurfußball zu verbinden.“ Mittlerweile ist er seit 2017 im Ellenfeld heimisch geworden, gehört zu den dienstältesten Akteuren im Borussen-Trikot und ist zudem sportlich und menschlich zu einer echten (Führungs)Persönlichkeit gereift. Die bevorstehende Geburt der Tochter rundet das kleine Familienglück jetzt ab. Der kleine Sonnenschein wird, da darf man sicher sein, ebenso wie die gesamte Familie eine wichtige Stütze auf dem Weg einer baldigen Genesung sein. Vielleicht kann Tim Klein gerade wegen des so bitteren Abends in Jägersburg das Wunder des neuen Lebens noch besser einordnen und genießen. „Ein klein wenig Süßes kann viel Bitteres verschwinden lassen“, wusste schon im 14. Jahrhundert der italienische Dichter und Geschichtsschreiber Francesco Petrarca. Oder: Wer nicht bitter gekostet hat, weiß nicht, was süß ist! (-jf-)

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