Jahresend-Gedanken

„Da Zeit das kostbarste, weil unwiederbringliche Gut ist, über das wir verfügen, beunruhigt uns bei jedem Rückblick der Gedanke etwa verlorener Zeit. VERLOREN aber wäre die Zeit, in der wir nicht als Menschen gelebt, Erfahrungen gemacht, gelernt, geschaffen, genossen und gelitten hätten“, hat der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer einmal gesagt. Er wusste, wovon der sprach, musste er doch als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus wahrlich viele schlimme Erfahrungen machen und unendlich leiden.

Gelitten hat, vor allem zum Schluss des nun zu Ende gehenden Jahres, auch Borussia und ihr Anhang. Wiewohl dieses „Leiden“ bei der schönsten Nebensache der Welt auch nicht im Entferntesten mit den Nöten eines Dietrich Bonhoeffer in einen Vergleich gebracht werden darf. Relativieren ist angesagt, bei allen Emotionen die Dinge in eine vernünftige Beziehung zueinander zu setzen, dabei auch die schönen Momente nicht zu vergessen, die es – wie unser Blick zurück in das Borussen-Jahr 2025 gezeigt hat – ja auch gab und für die man dankbar sein darf. Allerdings hat die drohende Insolvenz so einiges ver-rückt.

Judith Kemmann, kaufmännische Fachfrau und systemische Coachin, hat ihre Gedanken zum Jahresende 2024 überschrieben mit den Worten des deutschen Dichters Hermann Hesse: „Und allem Weh zum Trotz bleibt ich verliebt in eine verrückte Welt“, und dabei das Wort „verrückt“ in einen Kontext gesetzt, den man gar nicht so auf dem Schirm hat: „Wenn ich so zurückblicke, war dieses Jahr wieder voll von Turbulenzen, Krisen und Momenten, in denen man am liebsten alles abschalten würde – Nachrichten, Termine, einfach alles. Es gibt Tage, da fragt man sich: Ist es eine verrückte Welt oder leben wir in einer Welt voller Verrückter“, wird da gefragt. Dem „Ver-rückt-Sein“ wird aber – entgegen weitläufiger Meinung – auch eine positive Komponente zugeordnet, es bietet Herausforderungen und Chancen: „Es bedeutet nicht nur Chaos und Irrsinn. Ver-rückt sein kann auch heißen: Dinge zu verschieben, sie aus ihrem alten Platz zu lösen und einen neuen Raum zu finden. (…) Gerade in Momenten, in denen alles aus den Fugen gerät, liegt die Möglichkeit ne zu gestalten. Es sind diese ver-rückten Zeiten, die Innovation, Mut und Veränderung erst möglich machen, (…) uns Energie geben für Neues, für Veränderung und Entwicklung.“ Für mutige Schritte in eine neue Richtung. Und so bringt Judith Kemmann am Jahresende ihre Gewissheit zum Ausdruck, „dass es trotz allem weitergeht. Und dass die Welt, so verrückt sie auch ist, uns genau das schenkt: Möglichkeiten.“

Sind diese Gedanken nicht auch im Bezug auf die derzeitige Situation der Borussia überlegenswert? Denn es gibt auch im Ellenfeld trotz der Hiobsbotschaften und zahlreicher Spielerabgänge Menschen, die sich treffen und daran arbeiten, dass es weitergeht, die sich engagieren dafür, dass Borussia nicht untergeht. Wie und wo, das ist dabei noch unklar, denn die Lage ist ungewiss – und oft nagt eben genau diese Ungewissheit mehr an einem als die schlechteste Gewissheit. Das weiß jeder, der einmal auf einen medizinischen Befund gewartet hat. Die Borussia sollte also das positive Denken nicht aufgeben und nicht ohne jede Hoffnung auf das blicken, was das neue Jahr bringen wird. Zudem hat sich mancher Weg, der so bedrohlich, steinig und kaum zu bewältigen schien, beim Rückblick Jahre später sogar als nützlich und sinnvoll herausgestellt. Vaclav Havel, der frühere Staatspräsident der Teschechischen Republik und darüber hinaus auch Dramatiker, Essayist und während der Herrschaft der kommunistischen Partei der führende Regimekritiker, was ihn mit Dietrich Bonhoeffer verbindet, hat dies einmal wie folgt zum Ausdruck gebracht: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“ Stefan Kuntz, Deutscher Meister und Pokalsieger, Europameister und Fußballer des Jahres, bei der Borussia und im Ellenfeld groß geworden und stets ein positiver Denker, hat es mit Bezug auf seine Großmutter auf seine Weise zum Ausdruck gebracht: „Meine Oma hat immer gesagt: Wer weiß, wozu es gut ist!“

In diesem Sinne sei allen Fußballfreunden und vor allem denen, die es mit der Borussia halten und in diesen Tagen mit ihrem Verein zwischen Hoffen und Bangen schweben, ein gutes neues Jahr mit viel positiven Gedanken gewünscht. Lasst es uns gemeinsam anpacken und mit Hermann Hesse „trotz allem Weh verliebt bleiben in eine ver-rückte Welt“. Und in Borussia. (-jf-)