„Erbarme, die Hesse kommen!“ (2)

Unser Bild: Eine der Großtaten von Horst Kirsch – selbst diesen Ball aus nächster Nähe konnte Borussias Torwart abwehren, der von allen Seiten große Komplimente für seine Klasse-Leistung an diesem Nachmittag bekam. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

21. November 1964: Eine `Pflaume´ für Horst Kirsch

Als die Borussen am 20. November 1964 als Bundesliga-Neuling ins Frankfurter Waldstadion fahren, rechnen sie sich durchaus etwas aus. Nicht nur deshalb, weil die Männer von Trainer Horst Buhtz nach schwierigem Start jetzt zwei drei Spielen (3:0 gegen 1860 München, 1:1 auf Schalke, 1:0 gegen den Karlsruher SC) ungeschlagen sind, sondern auch deshalb, weil die Gastgeber aus der Mainmetropole bis zu jenem 12. Spieltag noch ohne jeden Heimsieg sind und zuvor unter anderem auf eigenem Platz eine derbe 0:7-Schlappe einstecken mussten. Zusätzlicher Ansporn: Bei einem Sieg können die Borussen die Eintracht in der Tabelle überflügeln! Kleiner Wermutstropfen im Hoffnungskelch: Horst Buhtz muss auf Karl Ringel sowie seine beiden bis dahin besten Torschützen, den verletzten Paul Pidancet und Günter Kuntz (Kieferoperation) verzichten. Für beide kommen Horst Berg und Heinz Simmet zu ihrem Bundesliga-Debüt. Der Borussen-Coach setzt auf eine stabile Defensive, in der unter der Regie von Dieter Harig und Achim Melcher ein flexibles Bollwerk aufgebaut wird.

Meldungen zufolge soll die Partie „so trist wie der nasse Novembersamstag“ gewesen sein. „Das Angriffsspiel der Hausherren kommt langsam und durchsichtig daher. Der Esprit scheint der in dieser Saison nur auswärts spielstarken Elf vor eigenem Publikum wieder einmal völlig abzugehen“, kann man auf der Website „eintracht-archiv online“ nachlesen. Die Borussen stehen sogar kurz vor einer 1:0-Führung, doch Schiedsrichter Herbert Lutz aus Bremen will bei Elmar Mays Treffer nach 12 Minuten eine Abseitsstellung gesehen haben. Herausragend: Torhüter Horst Kirsch, an dem sich die Frankfurter regelrecht die Zähne ausbeißen. „Hier faustet, dort hechtet er und springt immer wieder mutig und katzengleich dazwischen, wenn es brenzlig wird. Solche Torwartleistungen sieht man in Frankfurt nicht alle Tage“, macht „eintracht-archiv online“ dem Neunkircher Keeper große Komplimente. Auch die Debütanten Horst Berg und Heinz Simmet spielen furchtlos mit, Berg weicht auf die Flügel aus, versucht Dribblings und wagt hin und wieder einen Schuss. Achim Melcher dirigiert nicht nur seine Abwehr umsichtig, sondern schaltet sich immer wieder in eine Angriffskombination ein.

Chance für Borussia in den ersten 45 Minuten: Elmar May zielt knapp vorbei (oben). Nach der Pause verlagerte sich das Geschehen in die Borussen-Hälfte, wo sich Horst Kirsch diesen Ball herunterpflückt (unten). (Fotos: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen)

Haben die Borussen in der torlosen ersten Halbzeit noch ein leichtes Plus an Eckbällen (5:3), bekommt die Eintracht nach dem Seitenwechsel die Partie mehr und mehr in den Griff. 10:0-Ecken sprechen jetzt eine klare Sprache, Peter Blusch und Dieter Stinka kurbeln die Offensive immer mehr an, Erwin Stein und der Österreicher Wilhelm Huberts decken den tüchtigen Horst Kirsch mit Schüssen regelrecht ein, der schließlich nach 68 Minuten doch überwunden werden kann: Nach einer Hereingabe von Helmut Kraus gelangt der noch leicht abgefälschte Ball zu Huberts, der seinen Schuss geschickt verzögert und dann aus 12 Metern ins Tor trifft. „Die harte Manndeckung behagte mir überhaupt nicht. Umso mehr freue ich mich, dass mir das Siegtor gelang, als mein Bewacher mich mal eine Sekunde lang aus den Augen verlor“, freute sich der Torschütze später.

Doch beinahe kurz danach doch noch die Ausgleichschance: Frankfurts Hermann Höfer bringt Elmar May im Strafraum zu Fall, doch die Pfeife des Unparteiischen Herbert Lutz bleibt stumm. Was den Gefoulten nach den 90 Minuten auf die Palme brachte: „Ich wollte an Höfer vorbei, trickste, da rutsche Höfer aus und hielt mich im Fallen mit beiden Händen fest“, schildert Borussias Stürmer die Szene und gibt darüber hinaus noch zu Protokoll: „Höfer hat selbst gesagt: Ich kann ja nicht selbst pfeifen!“ Horst Buhtz war generell mit der Leistung von Lutz nicht zufrieden: „Er machte große Fehler, benachteiligte uns besonders, als er Höfers grobes Foul an Elmar May völlig ignorierte.“ Der Borussen-Trainer erinnerte an das Fehlen von Pidancet und Kuntz („Mit den beiden wäre in der ersten Halbzeit gegen wenig überzeugende Frankfurter mehr drin gewesen!“), war aber auch ehrlich genug zuzugeben, „dass nach der Pause, als der Gegner mit Macht kam, für uns nichts mehr drin war.“ Untröstlich war der starke Horst Kirsch: „Im ganzen Spiel ist mir alles gelungen, und dann so eine `Pflaume´! Mir war die Sicht versperrt.“ Ein bisschen Trost konnte der Borussen-Keeper darin finden, dass er in der BILD-Zeitung für die „Nationalelf der Woche“ nominiert wurde.

Immer wieder Horst Kirsch: Der Borussen-Torwart brachte Frankfurts Stürmer nahezu zur Verzweiflung, auch wenn er diesen Ball nur abklatschen kann. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Die Borussen konnte diese Niederlage allerdings nicht umwerfen. Mit einem 2:1 gegen Hannover 96 und dem 2:2 gegen Hertha BSC sammelte man im Ellenfeld weiter wertvolle Punkte, ehe die Buhtz-Männer zum Ende der Vorrunde nach ordentlicher Vorstellung im Neckarstadion beim VfB Stuttgart knapp mit 2:3 unterlagen. Platz 14 (12:18 Punkte, 22:28 Tore), vor dem Karlsruher SC und Schalke 04 und nur knapp hinter dem Meidericher SV und dem 1. FC Kaiserslautern – eine Bilanz, die sich für den Aufsteiger aus dem Ellenfeld durchaus sehen lassen konnte und eine gute Basis für das angestrebte Ziel „Klassenerhalt“ darstellte! (-jf-)

Statistik: Eintracht Frankfurt – Borussia 1:0 (0:0)

Frankfurt: Egon Loy – Peter Blusch, Hermann Höfer, Friedel Lutz, Lothar Schämer, Richard Weber, Georg Lechner, Dieter Stinka, Wilhelm Huberts, Helmut Kraus, Erwin Stein. – Trainer: Ivica Horvat.

Borussia: Horst Kirsch – Erich Leist, Hennes Schreier, Günter Schröder, Erwin Glod, Dieter Harig, Achim Melcher, Dieter Schock, Horst Berg, Elmar May, Heinz Simmet. – Trainer: Horst Buhtz.

Tor: 1:0 (68.) Wilhelm Huberts. – Schiedsrichter: Herbert Lutz (Bremen). – Zuschauer: 12.000.

Untenstehend weitere Fotoimpressionen vom Spiel im alten Waldstadion. (Fotos: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)