Aus der Borussen-Historie: Albrecht Menzel und Adolf Fischera federführende Personen / Überraschung für die Fans der Borussia in Planung
Unser Bild: Diese „schwarzen Teufel“ holten im Stuttgarter Degerloch mit einem 3:2 gegen den FV Nürnberg den süddeutschen Pokal nach Neunkirchen – der bis dahin größte Erfolg der Vereinsgeschichte! Regisseur des Teams: Der Österreicher Adolf Fischera (2. von links). (Foto: 100 Jahre Ellenfeld-Stadion)
In diesen Tagen stehen in der langjährigen traditionsreichen Historie der Borussia zwei ganz besondere Jubiläen an. Vor hundert Jahren, genau genommen am 13. Juli 1920, war im letzten Absatz eines Sportberichtes der „Neunkirchener Zeitung“ folgendes zu lesen: „Die Borussen erschienen heute Nachmittag in einem neuen Gewande: Schwarze Blusen und ebensolche kurze Hosen.“ An diesem Nachmittag wurden im Ellenfeld die „Schwarzen Teufel“ geboren, beim 9:0-Sieg gegen den 1.FC Idar zeigten sie in ersten Absätzen jenes Flachpass-Spiel, das sie wenig später europaweit bekanntmachen sollte. Fünfzehn Jahre zuvor, am 24. Juli 1905, hatte sich im Wirtshaus „Zu den drei Kaisern“ die Gründungsversammlung eingefunden, die die Borussia aus der Taufe hob. Borussia wird in diesem Jahr also stolze 115 Jahre alt!
Ur-Borusse Albrecht Menzel war in einer Zeit, in der Fußballclubs wie Pilze aus dem Boden schossen, für die Gründung der Borussia hauptverantwortlich. Als Absolvent des Real-Lehrinstituts in Frankenthal hatte er Wettspiele des dortigen bereits existierenden Clubs gesehen. Dies ließ ihn ihm den Gedanken reifen: „Wenn du nach Hause kommst, dann werden sich schon gleichgesinnte Seelen finden, mit denen du einen Fußballverein gründen kannst.“ Ein Mann, ein Wort: Am 5. Juli kam er nach Neunkirchen und vereinbarte noch am selben Nachmittag mit Reinhold Wilhelmy, der schon vorher in Kreuznach gespielt hatte, die Vereinsgründung, und am selben Abend gelang es, Gleichgesinnte für die Sache zu gewinnen. So stand dem Treffen aller Interessierten und der Umsetzung des Plans Tage später nichts mehr im Wege. Bei der Wahl des Namens wurde von dem Pfälzer Fritz Hilbert der Name Borussia vorgeschlagen und akzeptiert. Hilbert war mit 20 Jahren der älteste damalige Borusse, die anderen waren meist zwei, drei Jahre jünger. Die ersten Wettspiele auf dem als Trainingsgelände gewählten Schlackenplatz an der Königsstraße und an der Lindenallee „erregten mächtiges Gelächter und viel Spott“, schreibt Albrecht Menzel in seinen Erinnerungen, der aber auch konstatiert: „Trotz Anfeindungen aller Art vermehrte sich die Zahl der Mitglieder so stark, wie die Zahl der in Wettspielen verlorenen Tore, und das wollte viel heißen, muss man doch bedenken, dass gleich das erste Wettspiel gegen SC Saar 05 Saarbrücken mit 0:10 endete.“
Was folgte, konnten die Jungs vor 115 Jahren nicht ahnen und sich auch kaum vorstellen: 54 Jahre ununterbrochen erste Liga (ab 1912), drei Jahre Bundesliga (1964-66, 1967/68), drei Jahre 2. Liga Süd (1974/75, 1978/79, 1980/81), zehn Meisterschaften in Regionalliga und Oberliga Südwest, Teilnahmen an den Endrundenspielen um die Deutsche Meisterschaft, Finalist im DFB-Pokal 1959, insgesamt acht Pokalsiege im süddeutschen und im Saarland-Pokal.
1921, als die in tiefem Schwarz gekleideten Borussen das süddeutsche Pokalendspiel im kochend heißen Stuttgarter Degerloch mit 3:2 gegen den favorisierten FV Nürnberg gewonnen hatten, holten die „Schwarzen Teufel“ den ersten überregionalen Titel an die Blies. Dabei war der Begriff „Schwarze Teufel“ bereits ein Jahr zuvor kreiert worden. Es spricht einiges dafür, dass ein österreichischer „Wunderfussballer“ die neue schwarze Spielkleidung der bis dahin meist in blütenweißen Dress aufspielenden Borussen eingeführt hat: Adolf Fischera war im Mai 1920 nach Neunkirchen gekommen. „Glanzvollster Spieler Wiens, ein wunderbarer Techniker und Dribbler“, „ein Fußallgenie, wie es nur alle heiligen Zeiten einmal geboren wird“ – wahre Superlative der österreichischen Presse eilten dem damals 32jährigen österreichischen Meister und Nationalspieler voraus, der nach dem ersten Weltkrieg für den Zweitligisten Schwechat bei Wien spielte, als ihn der spätere Neunkirchener Sportjournalist Erich Menzel zum spektakulären Wechsel ins Saarland überredete. Dort bezog Fischera mit seiner Familie eine Wohnung in der Neunkirchener Bahnhofstraße. Der neue Ort war schmutzig, der Schriftsteller Joseph Roth, der für die Frankfurter Zeitung 1927 Reiseberichte verfasste, schrieb von „verrußter Traurigkeit“, alle Waren in den Geschäften sähen verstaubt aus, auf allen Kleidern, Mauern und Fenstern „liegt dieser schwarzgraue, feinkörnige, dennoch harte Sand, den man auf den Seiten eines aufgeschlagenen Buches im Eisenbahnkuppee bemerken kann, nachdem man einige Tunnels passiert hat. Es ist der Trauerflor der Zivilisation“, so der Literat über die Auswirkungen der Hüttenindustrie.
Adolf Fischera setzt die so festgehaltenen Eindrücke um: In schwarze Trikots und ebensolche Hosen. „Das neue Sportkostüm war alles andere als eine Verkleidung. Es war das Kleid der Stadt“, schreibt Borussen-Chronist Tobias Fuchs in einem Beitrag für das Jubiläumsmagazin „Mythos Ellenfeld“ zum Hundertjährigen der Borussia im Jahr 2005. Gegen den 1. FC Idar spielen die Borussen zum ersten Mal ganz in Schwarz, orchestriert von ihrem Dirigenten Adolf Fischera, der als Spielertrainer fungiert. „Fischeras ruhiges überlegtes Spiel fällt auf“, kommentiert die Presse. Nur wenige Tage später sorgt Borussia erneut für Aufsehen: Gegen den übermächtigen ungarischen Meister MTK Budapest, der bis dahin auf seiner Europatournee noch kein Gegentor hatte hinnehmen müssen, halten Fischera & Co. lange Zeit gut mit, schenken den als unbesiegbar geltenden Gästen gleich zwei Tore ein und werden von 10.000 Fans, die erstmals eine fünfstellige Kulisse im Ellenfeld darstellen, am Ende trotz der 2:3-Niederlage gefeiert. Wieder formuliert es Chronist Tobias Fuchs: „Die schwarze Farbe, die im Stadtbild so bedrückend wirkte, wurde auf dem Spielfeld zum Zeichen heller Freude.“ International machen sich die „Schwarzen Teufel“ dann um Weihnachten 1922 einen Namen, als sie im Rahmen einer Italienreise, wieder im schwarzen Dress, in einem regelrechten Siegeszug den FC Genua und Sampdoria mit 4:2 und 2:0 sowie den AC Turin mit 3:0 schlagen – für die Münchener Zeitung „Fußball“ Grund genug, die „Schwarzen Teufel“ aus Neunkirchen auf einer Sonderseite vorzustellen!
Und so muss es nicht verwundern, dass Jahrzehnte später ein Fanclub der Borussia sich an diese glorreiche Zeit erinnert und den Namen aufgreift: „Schwarze Teufel Borussia. Eine Interessengemeinschaft, der Borussia Neunkirchen besonders am Herzen liegt. Wir sprechen aus, was andere denken“, heißt es auf der Website des Fanclubs. Als Mitgründer federführend dabei: Alexander Kunz und Jörg Eisenhuth. Der heutige Präsident der Borussia und der derzeitige Jugendleiter scheuten sich nicht, Verantwortung zu übernehmen, als das nach dem Abstieg aus der Oberliga und Rücktritten in der Führungsetage in Turbulenzen geratene Borussen-Schiff in schwierige Gewässer geriet. Durch kontinuierliche seriöse Arbeit ist es gelungen, die 115 Jahre alte Dame Borussia wirtschaftlich zu stabilisieren. „Von nachhaltiger Konsolidierung wollen wir noch nicht sprechen. Wir sind immer noch auf dem Weg, doch ein guter Anfang ist gemacht“, so Alexander Kunz. Auf dem grünen Rasen wollen derweil Trainer Björn Klos und die neue Mannschaft in akribischer Trainingsarbeit alles tun, um sich den Erfolgen der „Schwarzen Teufel“ anzunähern, zumindest wieder für Begeisterung auf den steilen Rängen des Ellenfelds zu sorgen.
ACHTUNG, AUFGEPASST BORUSSEN: Anlässlich der beiden Jubiläen hat die Borussia für ihre treuen Anhänger eine Überraschung in petto. Worin sie besteht, darüber wird zeitnah näher informiert werden. Es lohnt sich also, in den kommenden Tagen auf der Homepage der Borussia nachzuschauen – Spannung ist garantiert! (-jf-)
Sehr guter Artikel, danke, viel Neues erfahren