Nur ein Punkt zum Einstand von Neu-Trainer Thorsten Lahm: „Fußball läuft nicht immer so, wie man sich das vorstellt!“
Mit verschränkten Armen steht er auf dem Rasen des Ellenfelds, genießt die wärmenden Strahlen der Oktobersonne, beäugt mit kritischem, aber wohlwollendem Blick die Aufwärmübungen seiner Schützlinge. Dann ein Blick auf die Tribüne: Da sitzt sicher der eine oder andere, der ihn noch als Spieler im Ellenfeld erlebt hat. Jetzt ist er zurück, in neuer Funktion an alter Wirkungsstätte: Thorsten Lahm feiert im Spiel gegen den FC Rastpfuhl seine Premiere als Borussen-Coach.
Wann genau er zuletzt auf dem Ellenfeld-Rasen gestanden hat, weiß er nicht mehr: „2001 muss es gewesen sein. Aber es ist schon emotional, das muss ich sagen“, bekennt Thorsten Lahm, dem just in diesem Moment eine Szene von vor mehr als 20 Jahren ins Gedächtnis schießt: „Ein Spiel gegen Hauenstein, es steht 1:1, die Schlussminute läuft, ich nehm´ eine Flanke an, dreh´ mich zwei, drei Mal und versenk´ den Ball unten im Toreck, das Stadion hat getobt.“ Gegen eine Wiederholung 90 Minuten später gegen Rastpfuhl hätte Thorsten Lahm sicher nichts einzuwenden. Dass es dazu nicht kommt, hat etwas mit Rastpfuhls Keeper Marco Kaucher zu tun. Der streckt nämlich in der allerletzten Spielaktion bei einem fulminanten Geschoss von Tim Cullmann blitzartig die Hand in den blauen Ellenfeld-Himmel, schaufelt das Leder gerade noch so über die Latte und verhindert damit beim Einstand des neuen Trainers einen Thorsten-Lahm-Gedächtnis-Moment. Schön wär´s gewesen!
„Wir hatten uns sicher mehr vorgenommen, aber Fußball läuft nun mal nicht immer so, wie man sich das vorstellt“, bilanziert Thorsten Lahm, der in seinen ersten 90 Minuten als Coach im Ellenfeld in der ihm eigenen Art ruhig, sachlich reflektiert, aber akribisch das Geschehen beobachtete. Nur einmal, kurz vor Schluss, wurde es emotional, als der Coach angesichts eines Fehlpasses eine Wasserflasche mit einem kräftigen Tritt Richtung Werbebande beförderte. Seinen Jungs habe es an fußballerischer Cleverness gefehlt, so der Coach: „In einigen Situationen haben wir uns angestellt wie Schulbuben, waren zu ungestüm. Da dürfen wir uns nicht so abkochen lassen.“ Dass Thorsten Lahm von „wir“ spricht, zeigt: Er identifiziert sich mit dem Team, er ist schnell angekommen im Ellenfeld. Lediglich das Borussen-Outfit fehlt: „Die Vereinsklamotten bekomme noch.“
An Fan-Unterstützung fehlte es Thorsten Lahm und der Borussia nicht, dass die Mannschaft alles gegeben hat, um ihrem neuen Coach den Premieren-Sieg zu schenken, konnte der schwarz-weiße Anhang sehen. (Foto: -jf-)
Dem Gegner bescheinigte Thorsten Lahm eine eminente Effektivität: „Sie sind ja in der ersten Halbzeit gefühlt eineinhalb Mal vor unserem Tor aufgetaucht und machen zwei Treffer.“ Dass Rastpfuhl stärker ist, als es der aktuelle Tabellenplatz aussagt, war ihm schon vorher klar: „Sie haben gute Fußballer in ihren Reihen, haben tief gestanden, ein paar Mal gut aufgezogen, und dann sind wir ins Leere gelaufen. Dennocj“, und davon ist Thorsten Lahm felsenfest überzeugt, „hätten wir mit elf Mann noch genügend Zeit gehabt, die Partie zu unseren Gunsten zu entscheiden.“ Aber der Platzverweis für den bis dahin wie immer enorm fleißigen Simon Schreibeisen habe die Statik des Spiels nochmal verändert: „Da hatten wir uns so viel vorgenommen für die zweite Halbzeit und kriegen dann so einen Konter!“ Nicht die rote Karte, sondern das Zustandekommen der Situation ärgert den Übungsleiter: „Nach einem eigenen Standard darf man nach hinten nicht so offen sein und den Gegner einladen, das war geradezu Harakiri!“ In Unterzahl sei die Situation einem Vabanque-Spiel gleichgekommen: „Da musst du natürlich überlegen: Was machst du? Gehst du voll ins Risiko und stehst am Ende ganz ohne Punkt da? So haben wir uns das Leben selbst schwer gemacht, zumal die Mannschaft derzeit nicht unbedingt vor Selbstvertrauen strotzt.“ Was Borussias Coach zufrieden feststellen konnte: „Die Jungs haben auf jeden Fall den Willen gezeigt haben, trotz der personellen Dezimierung in der Schlussphase auf Sieg zu gehen.“
„Was würde ich so gerne mitspielen!“ Dylan Sodji (oben mit Kevin Saks und Christoph Stemmler) fiel das Zuschauen sichtlich schwer, die Borussen-Bank fieberte voll Anspannung mit der Mannschaft (unten): Gelingt noch der Siegtreffer? (Fotos: -jf-)
Dabei mitgefiebert auf der Bank und kräftig die Daumen gedrückt haben die (zum Teil langfristig) verletzten Akteure. Dylan Sodji, dem man nach seinem Adduktoren-Abriss und der OP die Schmerzen noch deutlich ansah, hätte – trotz Gehstützen – am liebsten direkt ins Geschehen mit eingegriffen. Keine Frage, seine Mentalität hätte dem Borussen-Spiel ebenso gutgetan wie die Offensiv-Qualitäten eines Kevin Saks oder die Dynamik eines Christoph Stemmler auf der Außenbahn. Auch die Kreativität eines Sebastian Cullmann hätte dem Borussen-Spiel noch einmal neue Impulse geben können. „Ich hoffe, dass Sebastian bald wieder ins Geschehen eingreifen kann“, so Thorsten Lahm, der mit dem leider noch verletzten und ideenreichen Roman Torres eine weitere Trumpfkarte im Ärmel hat. Froh ist der Übungsleiter jedenfalls darüber, „dass es schon am Mittwoch im Pokal weitergeht. Da haben wir nicht so viel Zeit zum Grübeln, sondern bekommen gleich die Gelegenheit zu zeigen, dass wir es besser können.“ Aufgearbeitet wurden einige Szenen bei der Videoanalyse am gestrigen Montag, bei der der ehemalige Spieler Thorsten Lahm seinen Schützlingen zwei Aspekte demonstrierte: „Was ist falsch gelaufen? Was können bzw. müssen wir beim nächsten Mal besser machen?“ Damit ein Erfolgserlebnis möglichst schnell das Selbstbewusstsein aufbaut. Denn dass die Borussen es können, haben sie schließlich schon oft genug bewiesen! (-jf-)
Unsere Fotos zeigen ein paar Eindrücke von Thorsten Lahms Einstand beim 2:2 gegen den FC Rastpfuhl im Ellenfeld. (Fotos: -jf-)
Hervorragender Bericht