Borussia tritt auf der Stelle

Kamil Czeremurzynski und Michael Müller revidierten schnellen 0:2-Rückstand noch vor der Pause / Rote Karte für Simon Schreibeisen / Thorsten Lahm: „Fußballerische Cleverness hat gefehlt!“

Unser Bild: Pech für Tim Klein (li.) – sein akrobatisch anmutender Fallrückzieher wäre das Siegtor wert gewesen, doch Rastpfuhls Keeper Marco Kaucher hatte etwas dagegen und schaufelte das Leder über die Latte. (Foto: -jf-)

Nicht Fisch, nicht Fleisch. Laut Wikipedia soll diese Redewendung in der Reformationszeit entstanden sein, um die Wankelmütigkeit der Menschen zu bezeichnen, die nicht so recht wussten, ob sie katholisch bleiben oder evangelisch werden wollten. Nicht Fisch, nicht Fleisch. So könnte man auch das umschreiben, was die etwa 300 Zuschauer am gestrigen Sonntag beim Spiel der Borussia gegen den FC Rastpfuhl zu sehen bekamen. Neu-Trainer Thorsten Lahm hatte es jedenfalls unmittelbar nach Spielschluss nicht leicht, die Partie einzuordnen. Fest steht: Mit dem 2:2, dem dritten Remis in Folge und dem vierten sieglosen Spiel hintereinander treten die Borussen auf der Stelle und hängen zunächst weiter im Mittelfeld der Tabelle fest.

Immerhin gelang es, den frühen 0:2-Rückstand noch vor dem Seitenwechsel aufzuholen. Doch dass es überhaupt dazu kam, ärgerte Thorsten Lahm: „Der Gegner kommt in der ersten Halbzeit gefühlt eineinhalb Mal vor unser Tor und es gibt zwei Treffer. Das war zu einfach, da haben wir uns regelrecht abkochen lassen.“ Beim 0:1 nach nur 11 Minuten nutzte Alex Schell einen Ausrutscher von Marco Dahler – Rastpfuhls Nummer 15 stand völlig blank vor Philippe Persch und hatte keine Mühe, das Leder an Borussias Torwart vorbei einzunetzen. Knapp zehn Minuten später hatte Sinan Tomzik bereits abgeschlossen und Philippe Persch den Ball sicher unter sich begraben, als Tobias Ewerhardy plötzlich auf den Elfmeterpunkt zeigte – der Unparteiische hatte ein regelwidriges Einsteigen am Schützen gesehen zunächst Vorteil laufen lassen, sich dann aber korrigiert. Giovanni Runco verwandelte den Strafstoß mit all seiner Routine sicher, Rastpfuhl – bis dato noch ohne einen einzigen Auswärtspunkt – führte auf einmal 2:0.

Rastpfuhls Treffer weckten die Borussia: Zuerst trifft Alex Schell (oben), dann verlädt Giovanni Runco beim Elfmeter Borussen-Keeper Philippe Persch (unten). (Fotos: -jf-)

Die Mannen um Kapitän Marco Dahler hatten bis dahin zwar auch schon zwei gute Einschusschancen durch Nico Christmann, der aus 11 Metern knapp am Tor vorbeizielte (7.), und Tim Klein, der eine Hereingabe von Simon Schreibeisen in Bedrängnis am kurzen Eck nicht im Tor unterbringen konnte. Doch insgesamt wirkten die Ellenfelder in der Anfangsphase etwas lethargisch und uninspiriert gegen Gäste, die zeigen konnten, das Thorsten Lahm mit seiner im Vorfeld der Partie geäußerten Einschätzung („Der FC Rastpfuhl hat gute Fußballer in seinen Reihen und ist stärker, als es der Tabellenplatz aussagt!“) absolut Recht hatte. Geschickte Raumaufteilung und aggressives Zweikampfverhalten erschwerten der Borussia einen konstruktiven Spielaufbau, immer wieder musste „hintenrum“ neu gestartet oder mit langen Bällen operiert werden. Doch das 0:2 sorgte offenbar für einen „Hallo wach“-Effekt.

Nachdem FCR-Keeper Marco Kaucher zweimal (gegen Marco Dahler und Tim Brauns Kopfball) aufmerksam pariert hatte, hieß es nach 24 Minuten nur noch 1:2. Kamil Czeremuzynski war bei einer Flanke von Simon Schreibeisen, die von Rastpfuhls Abwehr nicht geklärt werden konnte, am Fünf-Meter-Raum reaktionsschnell zur Stelle und jagte das Leder trocken rechts oben unter die Latte. Die Defensive der Gäste wirkte jetzt nicht mehr so sicher. Das zeigte sich auch beim Ausgleich, als es nach einer Ecke von Niklas Allenfort bei einem Durcheinander im Strafraum gleich mehrere Einschussmöglichkeiten für die Borussia gab – Michael Müller nutzte die letzte davon mit aller Entschlossenheit zum 2:2 (36.). Bei einer ganz ähnlichen Situation hätte Marco Dahler, dem der Ball nach Allenfort-Ecke und verunglückter Abwehr vor die Füße fiel, die Borussen unmittelbar vor dem Pausenpfiff, sogar noch in Führung gebracht, Borussias Kapitän zielte allerdings etwas zu hoch.

Borussia schafft noch vor der Pause den Ausgleich: Zunächst nutzt Kamil Czeremurzynski einen Abwehrfehler der Gäste (oben), dann behält Michael Müller im Strafraum-Durcheinander den Überblick, netzt zum 2:2 ein und lässt seine Teamkameraden und die Fans jubeln (unten). (Fotos: -jf-)

Die zweiten 45 Minuten begannen für Borussia denkbar ungünstig. Kaum vier Minuten waren gespielt, als Simon Schreibeisen bei einem Rastpfuhler Konter Giovanni Runco kurz vor dem Strafraum in die Parade fuhr. Schiedsrichter Tobias Ewerhardy wertete das Einsteigen als Notbremse und hielt Borussias Nummer 10 den roten Karton unter die Nase – der erste Platzverweis in Simon Schreibeisens Karriere. Thorsten Lahm wollte seinem jungen Stürmer, der reichlich geknickt den Platz verließ, aber keinen Vorwurf machen: „Diese Situation, in der wir nach eigenem Standard mangels Absicherung gekommen sind, darf erst gar nicht entstehen. Da haben wir uns selbst in die Bredouille gebracht“, so die Analyse des Borussen-Trainers, der mit ansehen musste, dass Rastpfuhls Konter nach wie vor gefährlich blieben. So klatschte ein Distanzschuss des eingewechselten Yannik Jungfleisch an den Innenpfosten (58.) und Spielertrainer Christian Puff visierte aus spitzem Winkel das Außennetz an (63.). Danach traf Kamil Czeremurzynski nach akrobatischem Einsatz von Nico Christmann zwar ins Rastpfuhler Netz, der Linienrichter hatte dabei aber eine Abseitsposition moniert.

Zehner-Duell mit bitteren Folgen: Simon Schreibeisen (re.) stoppt Giovanni Runco, „Notbremse“, sagt Schiri Tobias Ewerhardy, damit ist Borussia fast die komplette zweite Halbzeit personell dezimiert. (Foto: -jf-)

Trotz Unterzahl krempelten die Borussen in der Schlussphase nach den Einwechslungen von Florian Stopp und Danny Kleinbauer nochmal die Ärmel hoch und erhöhten den Druck. Tim Klein hätte nach Cullman-Freistoß und Kopfballverlängerung von Tiziano Pompa per Fallrückzieher beinahe ein Tor des Monats fabriziert, wenn nicht Marco Kaucher sich ganz lang gemacht und das Leder mit letzter Kraft über die Latte geschaufelt hätte. Auch bei Tim Cullmanns finalem Torschuss aus 16 Metern kurz vor Schluss wuchs Rastpfuhls Torwart über sich hinaus und lenkte den Ball über sein Tor. So blieb es am Ende nach torloser zweiter Halbzeit beim 2:2 – exakt das gleiche Resultat wie beim letzten Rastpfuhler Gastspiel im Ellenfeld vor vier Jahren. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Nur ein Zähler für Borussia – „zu wenig, zwei verschenkte Punkte“, befand Thorsten Lahm, der seinen Schützlingen den Willen nicht absprach, aber fehlende fußballerische Cleverness bemängelte: „Das müssen wir schnellstmöglich aufarbeiten und abstellen.“ (-jf-)

Statistik: Borussia – FC Rastpfuhl 2:2 (2:2)

Borussia: Philippe Persch – Niklas Allenfort (ab 46. Tiziano Pompa), Tim Braun, Tim Cullmann, Kamil Czeremurzynski (ab 73. Danny Kleinbauer), Marco Dahler, Nico Purket, Nico Christmann (ab 73. Florian Stopp), Michael Müller, Simon Schreibeisen, Tim Klein (ab 90. Silas Christmann). – Trainer: Thorsten Lahm.

Tore: 0:1 (11.) Alex Schell, 0:2 (20.) Giovanni Runco (Foulelfmeter), 1:2 (24.) Kamil Czeremurzynsi, 2:2 (36.) Michael Müller. – Schiedsrichter: Tobias Ewerhardy (SV Wahlen-Niederlosheim). – Zuschauer: 300. – Gelbe Karte Borussia: Nico Purket (90. +2). – Rote Karte Borussia: Simon Schreibeisen (48.).

Untenstehend ein paar Foto-Impressionen vom Spiel der Borussia gegen den FC Rastpfuhl gestern im Ellenfeld. (Fotos: -jf-)

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