Die Seele brennt (2)

Exponate aus dem Klubmuseum „Fohlenwelt“ zeigen die Strahlkraft der Borussia aus Mönchengladbach, die am 23. Mai um 18.00 Uhr zu einem Benefizspiel im Ellenfeld gastiert / Folge 2 (Fotos: -jf-/-je-)

Der glitzernde Trophäenschrank ist üppig gefüllt …

… fünfmal gewann die Borussia die Schale, …

… dreimal den DFB Pokal, nach 1960 und 1973 …

… letztmals 1995 mit einem 3:0 gegen den VfL Wolfsburg (mit Leitwolf Stefan Effenberg, oben 2. v. li.), …

… zweimal den UEFA-Cup, erstmals 1975 (in Hin- und Rückspiel, 0:0 und 5:1) gegen den FC Twente Enschede, 1979 mit einem 1:0 gegen Roter Stern Belgrad im Düsseldorfer Rheinstadion.

Unvergessen: Der Büchsenwurf vom Bökelberg! Im Hinspiel des Europapokalspiels der Landesmeister gegen Inter Mailand wird Roberto Boninsegna in der 28. Spielminute beim Stande von 2:1 von einer Cola-Dose, geworfen von einem Zuschauer getroffen, spielt den „toten Mann“ und lässt sich auswechseln. Die Italiener legen Protest ein gegen die Wertung der Partie, die Borussia an jenem rauschenden Fußballabend mit 7:1 gewinnt. Zum Legenden-Status dieses Spiels trägt auch bei, dass eine zu einem Preis von 60.000 DM fest zugesagte Live-Übertragung in der ARD wenige Stunden vor dem Anpfiff abgesagt wird, weil die elfprozentige Mehrwertsteuer der Borussia zur Last gelegt werden. Zu Spielbeginn um 20 Uhr sind die technischen Anlagen des Fernsehens bereits abgebaut, nur ein paar Kameras bleiben stehen, um zu später Stunde wenigstens ein paar Ausschnitte zu zeigen. Damit nicht genug: Inter gewinnt das Rückspiel in San Siro mit 4:2, das fällige Wiederholungshinspiel endet auf neutralem Boden in Berlin 0:0, Borussia scheidet aus!

Pfostenbruch mit Folgen: Am 3. April 1971 landete Stürmer Herbert Laumen bei einem Gladbacher Angriff mit viel Schwung im Netz, nachdem Werder Bremens Torwart Bernard den Ball abgefangen hatte. „Ich hörte, wie der Pfosten knarzte. Schließlich sah ich aus dem Augenwinkel, wie das morsche Holz in Zeitlupe neben mir abbrach. Ich musste in Deckung gehen, damit ich nicht von der Latte erschlagen wurde, war dann im Netz wie ein Fisch gefangen. In der Nordkurve gab es ein Riesengelächter, aber im ersten Moment war das gar nicht lustig“, erzählte Laumen später einmal im Interview. Nach vergeblichen Versuchen, das Tor wieder aufzurichten, pfiff Schiedsrichter Gert Meuser die Begegnung nach 88 Minuten ab, die das Sportgericht anschließend mit 0:2 für die Gäste aus Bremen wertete. Die Borussen ließen sich dadurch aber nicht von ihrem Weg zum zweiten Titelgewinn abbringen. „Wege mir gibt es bis heute Aluminium-Tore in den Stadien“, so Herbert Laumen. Denn nach diesem Vorfall schafften alle Bundesligavereine die (eckigen) Holztore ab und ersetzten sie durch solche aus rundem Aluminium.

„De Kull“: Der erste Borussia-Platz war 1914 aus einer Kiesgrube entstanden, die der Verein mittels Anteilsscheinen von Mitgliedern und Gönnern als Spielfeld hergerichtet hatte. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges wurde die Anlage sukzessive ausgebaut und am 20. September 1919 als „Westdeutsches Stadion“ feierlich eröffnet.

Stadion am Bökelberg: Erst nach dem sensationellen Pokalsieg von 1960, durch den Mönchengladbach über Nacht in aller Munde war, entschloss sich die seit 1954 als Eigentümerin fungierende Stadt sich, in die baufällige und an Regentagen rutschige und recht unkomfortable Anlage zu investieren. Zum offiziellen Wiedereröffnungsspiel waren am 28. Juli 1962 die Glasgow Rangers zu Gast. Nach dem Bundesliga-Aufstieg wurde in der Sommerpause 1966 auf der Westseite die überdachte Tribüne errichtet. Das Vorbild: Die ein Jahr zuvor neu gebaute Haupttribüne des Ellenfeld-Stadions in Neunkirchen. Die Verantwortlichen waren vom Niederrhein ins Saarland gereist, um sich das stützenfreie Dach in Neunkirchen anzusehen: Die hier verwendete Schrägseilkonstruktion, die aus dem Brückenbau stammt und eine freie Sicht auf das Spielfeld ohne Behinderung durch irgendwelche Stützen erlaubt, war damals eine absolute Novität. Das Stadion am Bökelberg mit seinen steilen Stufen lebte heute nur noch in der Erinnerung der Fans und als Modell im Borussia-Museum weiter, wo auch die alte Anzeigentafel platziert ist. Dort, wo früher Günter Netzer & Co dem runden Leder nachjagten, stehen heute Wohnhäuser, die Struktur des Stadions ist aber nach wie vor sichtbar, ein paar Stufen der Stehtribüne im Norden hat man erhalten. Von da aus schwelgt manch ein Borusse noch heute in wehmütigen Erinnerungen.

Untrennbar mit dem Bökelberg verbunden: Manolo! Der Trommler, ein türkischer Gastarbeiter namens Ethem Özenrenler, war bei seinen ersten Besuchen im Stadion Mitte der 70er-Jahre von der Stimmung nicht gerade begeistert. Deshalb brachte der Mann, der von Montag bis Freitag in einer Spinnerei arbeitete, an jedem zweiten Wochenende eine Trommel mit. Irgendwann bekam er am Zaun vor Block 16 seinen eigenen Sitz – der erste Fan, der legal auf dem Zaun stehen oder sitzen durfte. Manolo: Der Prototyp aller späteren Vorsänger in deutschen Stadien! Als Manolo schwer erkrankte und nicht mehr an seinen Stammplatz zurückkehrte, wurde sein Sitz abmontiert. Es gibt eben nur einen Manolo! Übrigens gab es am Bökelberg vor Manolos Zeiten auch einen Borussen-Leo: „Eher berüchtigt als berühmt und trotzdem so etwas wie das erste Gesicht der Nordkurve, von dem heute kaum noch jemand weiß, wie es eigentlich aussah“, weiß das Magazin „11FREUNDE“ zu berichten. Mit bürgerlichem Namen habe er Leo Schneider gehießen, einen Vollbart habe er gehabt und meistens einen blauen Trainingsanzug getragen. Im Gegensatz zum Borussen-Leo des Ellenfelds ist das Gladbacher Pendant, so „11FREUNDE“, längst ein Phantom geworden: „Die Erinnerung an ihn ist verblasst. Irgendwann war er weg. Wann genau, kann niemand sagen.“

Der Borussia-Park mit einem Fassungsvermögen von rund 54.000 Zuschauern war für Mönchengladbach vor allem wirtschaftlich ein Quantensprung, der aber auch unerlässlich war, um in der Bundesliga konkurrenzfähig zu bleiben.

Werte und Tugenden, die die Raute der Borussia verkörpert: Stets und überall aktuell, sie tun jedem Fußballclub gut!

Einmal die Schale hochhalten: Diese Gelegenheit bietet sich auch für die Anhänger der Borussia aus dem Ellenfeld bei einem Besuch an einer Fotowand (mit der Meistermannschaft von 1970) in der „Fohlen-Welt“. Es lohnt sich! (-jf-)