Unser Bild: So energisch, wie Michael Müller in dieser Situation die Gefahr bereinigt, gingen die Borussen in der Defensive gegen Wiesbach zu selten zu Werke. (Foto: -jf-)
0:8, in Worten: null zu acht (!) gegen Hertha Wiesbach. Auch wenn es wehtut: Man kommt schlichtweg nicht umhin, die Niederlage gestern als Desaster zu bezeichnen. Desaster – ein Wort, das sich aus dem Italienischen ableitet („dis-astro“) und im eigentlichen Wortsinn so viel wie „Un-Stern, Unglücksstern“ bedeutet. Ja, die Sterne standen gestern wahrlich nicht gut für die Borussia. Und man muss in den Annalen der Borussia lange zurückblättern, um eine derart hohe und bittere Liga-Niederlage im Ellenfeld-Stadion zu finden – genauer gesagt: Bis zum 16. Mai 1966, noch in der Bundesliga! Mit 1:9 verloren die Borussen anno dazumal im Ellenfeld gegen den späteren Meister 1860 München. Insofern erlebten die, die gegen Wiesbach dabei waren, Historisches. Auf das man aber liebend gern verzichtet hätte, ein nahezu kompletter und unerklärlicher System-Ausfall, mit dem die Borussen gegen die Hertha den (Wies)Bach runtergingen.
Das Unerklärliche zu erklären – an dieser Aufgabe hat sich schon manch ein Experte die Zähne ausgebissen. „Manchmal kannst du Dinge im Fußball nicht erklären“ – keine neue Erkenntnis, die auch der Ex-Borusse und neue HSV-Sportvorstand Stefan Kuntz in der aktuellen Ausgabe des „Kicker“ äußert. Keine Worte fand Christian Schübelin, der genau so enttäuscht und frustriert war wie die Spieler und schon früh im Spiel lautstark mehr Aggressivität von seinen Schützlingen verlangt hatte. 0:8 und keine einzige gelbe Karte – das spricht Bände und kann doch vielleicht einiges erklären. „Wehrt Euch mal!“ – dieser Zwischenruf von den Stehplätzen auf der Gegengeraden hatte zweifellos seine Berechtigung. Auch die Akteure gingen selbstkritisch mit sich ins Gericht: „Wir haben zu keiner Zeit irgendeinen Zugriff auf das Spiel bekommen“, monierte Mittelfeldspieler Nico Christmann, und Sebastian Cullmann hatte von der Bank aus schon zur Pause treffend festgestellt: „Wiesbach zeigt uns, wie Fußball geht. Viele Tempowechsel, flinke Doppelpässe, Zuspiele in die Schnittstelle – alles viel zu schnell für uns.“ Genau so fielen einige der acht Gegentreffer und Borussia fand kein Mittel dagegen!
Überzahl: Louis Cupelli versucht gleich gegen drei Herthaner das Leder zu behaupten. (Foto: -jf-)
Dabei sah es in den Anfangsminuten gar nicht nach einem solchen Desaster aus. Tim Klein hatte bei einem Freistoß nach zwei Minuten die erste Torchance, setzte das Leder nur knapp am Kasten vorbei. Wenig später Pech für die Borussen, dass Sayfedine El Khadem mit Oberschenkelverletzung früh rausmusste, Nico Purket, muskulär noch leicht lädiert, übernahm. Wiesbachs Führung nach 19 Minuten hatte sich zuvor bei großen Chancen für Yannik Haupts (6.) und Pascal Piontek (15.) bereits angekündigt, jetzt spritzte Sören Maas in eine scharfe Hereingabe von Yannik Ernst von der rechten Seite und schoss aus kurzer Distanz ein, Tim Cullmann auf der Torlinie konnte nicht mehr eingreifen. Sören Maas hätte drei Minuten später auf 0:2 stellen müssen, doch allein vor Maximilian Strack traf er den Ball nicht richtig und zielte weit am Tor vorbei. Auf der Gegenseite schnupperte Dominik Cullmann am Ausgleich, als er sich an der Seitenauslinie gleich gegen mehrere Gegner durchgesetzt hatte und dann das Leder – war es per Schuss oder Flanke? – flach und scharf am langen Eck vorbeisetzte, ohne dass ein Mitspieler im Zentrum zum Einnetzen bereit gewesen wäre. Sinnbildlich für den unglücklichen Auftritt der Borussen dann das zweite Gegentor: Bei einem schnell ausgeführten Freistoß von Lucas Bidot herrschte in Borussias Defensive Schlafmützigkeit, Marco Dahler lenkte den von Maximilian Strack abgewehrten Ball mit dem langen Bein ins eigene Netz (32.). Und auch beim 0:3 vier Minuten später demonstrierten die Gäste ihre Gedanken- und Handlungsschnelligkeit, als Pascal Piontek einen ebenso blitzschnellen wie blitzgescheiten Pass von Sören Maas in die Schnittstelle hinter die Kette aufnahm und den Ball an Maximilian Strack vorbei rechts unten im Tor unterbrachte. Die letzte Aktion vor dem Seitenwechsel nach einer Kombination mit Tim Cullmann und Alexander Velikov brachte Tim Klein in eine gute Kopfballposition, doch Borussias Torjäger konnte den Ball nicht mehr drücken.
Nur selten in Bedrängnis: Wiesbachs Torwart Florian Barth faustet das Leder aus der Gefahrenzone, bevor Nico Christmann (re.) zum Zuge kommt. (Foto: -jf-)
Nach Wiederanpfiff hatten die Borussen dann auch die erste Aktion: Alexander Velikov, von Tim Cullmann auf der rechten Außenbahn in Szene gesetzt, flankte punktgenau auf den Kopf des in der Mitte eingelaufenen Dominik Cullmann, doch der bekam nicht mehr genug Druck hinter den Ball so dass Hertha-Keeper Florian Barth vor keine großen Probleme gestellt wurde. Vielleicht hätte hier ein Anschlusstreffer nochmal Auftrieb geben können. Doch so nahmen die Dinge jetzt ihren Lauf. Spätestens nach dem Doppelpack von Pascal Piontek binnen zwei Minuten (53./54.) war die Partie gelaufen, zu einfach hatten es die Borussen aber auch dem Gegner gemacht, zu Toren zu kommen und mussten jetzt aufpassen, gegen weiter beherzt nach vorne spielende Herthaner nicht völlig unter die Räder zu geraten. Doch selbst die Schadensbegrenzung misslang, denn die Gäste ließen weiter, wie es ihr Coach Michael Petry gefordert hatte, Ball und Gegner laufen und hatten nach Bekanntwerden der zwischenzeitlich deutlichen Führung von Tabellenführer FV Eppelborn (gegen Bliesmengen) offenbar Lust daran gefunden, sich für die Relegation warmzuschießen. Zwischen der 66. und 76. Minute gelangen gleich drei weitere – wieder viel zu leicht gemachte und nach ähnlichem Schema herausgespielte – Treffer durch Sören Maas und Dominik Kaiser (2), womit Wiesbachs in allen Belangen demonstrierte Überlegenheit auch in Zahlen ausgedrückt war. Offensiv fanden die Borussen jetzt kaum noch statt, so dass der Schlusspfiff für alle, die es mit der Borussia hielten, fast einer Erlösung gleichkam.
„Borussia arbeitet in der Defensive zu ungenau und erlaubt sich zu viele Fehler“ – so die treffende Analyse im FuPa.net-Liveticker, etwas, was schon in einigen Heimspielen zu beobachten war. Auch die Rückkehr ins Ellenfeld scheint da keine Kehrtwende eingeleitet zu haben: Seit dem 0:4 im Saarlandpokal gegen den 1. FC Saarbrücken gab es auf neuem Rasen in vier Ligaspielen nur vier Punkte (4:0 gegen Bliesmengen und 2:2 gegen die U23 der Elversberg) und zuletzt gegen Schwalbach und Wiesbach gleich 12 Gegentore! Platz 12 in der Heimtabelle mit lediglich 21 Zählern und gar einem Torverhältnis von 28:36 lassen für die kommende Saison schon jetzt ein erstes Ziel anvisieren: Das Ellenfeld, das in dieser Spielzeit geradezu zu einem Selbstbedienungsladen verkommen ist, wieder zu einer Festung machen und über der traditionsreichen Arena – wider das Desaster – die guten Sterne aufgehen zu lassen. (-jf-)
Auch wenn´s wehtut – so viel Statistik muss sein:
Borussia – FC Hertha Wiesbach 0:8 (0:3)
Borussia: Maximilian Strack – Tim Braun, Tim Cullmann, Marco Dahler (C), Nico Christmann (ab 69. Kamil Czeremurzynski), Dominik Cullmann (ab 69. Noureddine El Khadem), Sayfedine El Khadem (ab 7. Nico Purket), Michael Müller, Alexander Velikov, Louis Cupelli (ab 57. Dylan Sodji), Tim Klein. – Trainer: Christian Schübelin.
Tore: 0:1 (16.) Sören Maas, 0:2 (32.) Marco Dahler (Eigentor), 0:3 (36.) Pascal Piontek, 0:4 (53.) Pascal Piontek, 0:5 (54.) Pascal Piontek, 0:6 (66.) Sören Maas, 0:7 (72.) Dominik Kaiser, 0:8 (76.) Dominik Kaiser. – Schiedsrichter: Julian Marx (SV Merchweiler). – Zuschauer (laut fupa.net): 450. – Gelbe Karten Borussia: – .
Unsere Bilder zeigen Eindrücke vom Spiel der Borussia gegen den FC Hertha Wiesbach. (Fotos: -jf-)