Memories bring you back

Wertvolle Stücke aus dem Nachlass von Torwart-Legende Willi Ertz in das Borussia-Archiv überführt

Unsere Bilder: Große Kulissen erlebte „Flieger“ Willi (li.) schon in jungen Jahren im Borussia Trikot (re.) – Beispielfotos aus dem Ertz-Nachlass.

Er war und ist bis heute einer der bekanntesten Fußballer des Saarlands – und das nicht nur wegen seiner „Weltklasse“ Leistung in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga 1964 in München. 750 Spiele bestritt er für seine Borussia, davon sind 44 Bundesligaspiele. 70mal stand er in der 2.Liga im Kasten, 153 mal in der Regionalliga, 11 mal im DFB Pokal. 1971/72 blieb er 950 Minuten ohne Gegentor, was dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ ein Bericht wert war. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Bundesliga wählten Fans den Torwart der Borussia 2013 in eine „Saarland-Jubiläums-Elf“. Zur Wahl standen alle Saarländer, die seit 1963 in der Bundesliga spielten: Willi Ertz.

Der Keeper verkörperte menschliche Qualitäten, die im modernen Fußball selten geworden sind. Zurückhaltend, bodenständig, zuverlässig und vereinstreu – all das war ihm bis zu seinem plötzlichen Tod im Juli 2018 zuletzt wichtig und machten den „Neinkeijer Bub“ zu einem ganz großen Sympathieträger Borussias, weit über die Grenzen des Saarlandes hinaus. Dass man ihn bis heute als „Ikone“ des Neunkircher Sports bezeichnen kann und darf (immerhin war Willi Ertz auch im Tischtennis und Feldhandball eine bekannte Größe!), würde ihm in der ihm stets eigenen Bescheidenheit sicher nicht gefallen – bezeichnet das aus dem Altgriechischen stammende Wort doch ursprünglich ein Bild, speziell ein Kult- oder Heiligenbild in der orthodoxen Kirche. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes wurde seit Ende der 1980er-Jahre nach und nach um die jüngere Verwendung für eine Kultfigur bzw. Person erweitert, die bestimmte Werte und Vorstellungen verkörpert. Kult, heilig? Begriffe, mit denen sich ein Willi Ertz sich niemals geschmückt hätte, sich niemals schmücken würde. Und gerade deshalb war er nicht nur der Lange, sondern auch der Große! Die zahlreichen Ehrungen hat er sich redlich verdient. So wurde posthum oberhalb des Ellenfelds eine Straße nach ihm benannt („Willi-Ertz-Weg“) und sein Platz, auf dem er bei Heimspielen seiner Borussia auf der Tribüne bis zuletzt Platz nahm, im Stadion mit einer kleinen Plakette markiert – ein Stammplatz für immer in seinem „Wohnzimmer“ Ellenfeld-Stadion!

Darüber hinaus zeichnete viel Humor den tüchtigen Torwart aus. Zahlreiche Anekdoten vermochte er im VIP-Raum, wo er nach den Heimspielen der Borussia mit Gattin Gisela oft anzutreffen war, zu erzählen. Raimund Eich, langjähriger Kolumnist des Stadionmagazins „Blick ins Ellenfeld“, ist eine davon in besonderer Erinnerung geblieben: „Nach dem Aufstiegsspiel bei Bayern München erhielt er eine Flasche Champagner für seine grandiose Torwartleistung. Damals noch etwas ganz Besonderes, hat er erwähnt, während sie sich heute nicht selten mit ganzen Magnumflaschen gegenseitig abduschen, wenn sie einen Pokal gewinnen. Die Mitspieler seien jedenfalls ganz wild darauf gewesen, ihm die Flasche abzuknöpfen, allen voran der Ringel Karl, mit dem er damals ein Zimmer geteilt habe. So sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als die Flasche irgendwo zu verstecken. Na warte, die find´ ich schon, habe der Karl angekündigt, worauf er im Leben nicht erwidert habe. `Und, hat er sie denn gefunden?´, habe ich den Willi gefragt. `Wo denkst du hin?´, hat er erwidert und grinsend den Kopf geschüttelt. `Und wo hattest du sie versteckt?´ Wieder ein schelmisches Grinsen von Willi. `Im Bettkasten im Hotelzimmer´. Ich muss zugeben, dass ich das Versteck nicht gerade sehr originell fand, und sagte: `Aber dort hätte er sie doch im Nu finden müssen, Willi.´ Willi schüttelte sich fast vor Lachen.`In meinem Bettkasten schon, aber nicht in seinem, denn ich habe sie in seinem Bettkasten versteckt. Der arme Karl hat das ganze Zimmer x-mal auf den Kopf gestellt, aber er wäre nie darauf gekommen, in seinem Bett danach zu suchen.´ So war er, der Willi“, erzählt Raimund Eich.

Sein vielleicht größter Triumph: Soeben ist die Borussia an einem heißen Sommertag 1964 im Saarbrücker Ludwigspark mit Torhüter Willi Ertz durch ein 1:0 gegen Tasmania Berlin in die Bundesliga aufgestiegen! (Fotos: Nachlass Willi Ertz)

Unvergängliche, unvergessene Spuren hat Willi Ertz bei seiner Borussia hinterlassen. Nicht nur in Form von Geschichten: Jutta Colle, die Betreuerin von Willi Ertz´ Gattin Gisela, hat jetzt dankenswerter Weise den Zugang zum Nachlass der Torwart-Legende ermöglicht. Auf diese Weise konnten zahlreiche Memorabilien in das Borussen-Archiv überführt werden. Darunter nicht wenige Raritäten: Fotos aus den Aufstiegsrunden zur Bundesliga, Bilder von Ehrungen anlässlich mancher Südwest-Meisterschaften, Spielszenen aus dem Hartung-Archiv mit Paraden, die Willi Ertz als Torwart von Klasse ausweisen, aber auch Erinnerungsfotos mit Trainern und (Mit)Spielern, die während seiner Zeit zu Freunden und Vertrauten geworden sind. Des Weiteren gehören historische Wimpel zum Nachlass – nicht nur die der Borussia, sondern auch solche von Bundesligaclubs wie Hertha BSC, mit der Willi Ertz in den Aufstiegsspielen zur Bundesliga die Klingen kreuzte, sowie internationalen Vereinen (u.a. Real Madrid, FC Barcelona, Rapid Wien), die die Sympathien des Torwarts dokumentieren. Auch Spielplakate fehlen nicht: Das Wertvollste sicherlich das von seinem Abschiedsspiel am 28. Juli 1981 gegen den alten Südwest-Rivalen Wormatia Worms. Textilien wie Trainingshosen oder jede Menge Trikots sowie Willi Ertz´ letzter Spielerpass, vom Saarländischen Fußballverband am 6. Juli 1979 ausgestellt, runden die Palette der Erinnerungsstücke ab.

„Tick-tick macht die Uhr, jeder Schritt hinterlässt eine Spur. Und das, was wirklich keiner weiß, ist, was am Ende von uns bleibt – außer Memories und Stories und den Bildern unserer Zeit“, heißt es in einem Lied des deutschen Sängers und Songwriters Mark Forster. Dafür, dass der Borussia durch den Nachlass ihres früheren erfolgreichen Torwarts zahlreiche „Memories und Stories und Bilder seiner Zeit“ überlassen wurde, ist die Borussia Willi Ertz´ Witwe Gisela sowie Jutta Colle sehr dankbar. Auf diese Weise wird die Erinnerung an Willi Ertz wachgehalten: Die Erinnerung an einen großen Sportler und Menschen, an eine Symbolfigur für erfolgreiche Zeiten in der Borussen-Historie. Oder um es mit der amerikanischen Pop-Rock Band Maroon 5 zu sagen: „Memories bring back, memories bring back YOU.“ (-jf-)

Unsere Bilder zeigen eine kleine Auswahl aus vielen Erinnerungsstücken des Ertz-Nachlasses. (Fotos: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen)

Bundesliga-Mannschaft mit Trainer Horst Buhtz (oben 5. v. li.) und Torwart-Konkurrent Horst Kirsch (oben re.)

Mit Willi Ertz (re.) besiegte Südwest-Meister Borussia am 26. Mai 1971 zum Auftakt der Aufstiegsrunde zur Bundesliga Südmeister 1. FC Nürnberg mit 1:0 – 31.000 Zuschauer füllten das Ellenfeld bis auf den letzten Platz.

Heimkehr von einem Regionalliga-Spiel (bei Saar 05?) am Ellenfeld-Stadion.
Ehrung des Südwestmeisters Borussia 1972 im Ellenfeld-Stadion (oben) – mit dem Siegerkranz für Willi Ertz (unten).

Ende der aktiven Karriere: Abschiedsspiel gegen Wormatia Worms.

Auch danach blieb Willi Ertz seiner Borussia treu: Mit Meistertrainer Stefan Kuntz im Jahr 2000 …

… an der Seite von Heinz Histing …

… und mit seinem Nachfolger als Torwart-Legende Sascha Purket und Sohn.

5 Kommentare

  1. Willi Ertz war in der Saison 1971/72 nicht 950 sondern 995 Minuten ohne Gegentor geblieben. Dieses Gegentor erhielt er im Spiel bei Phönix Bellheim durch Helmut Behr, der einen Abpraller nach abgewehrtem Freistoß verwandelte….

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