Ein Denkmal unverbrüchlicher Treue zur Borussia

Unser Bild: Zwischen Block 5 und Tribüne hat Borussen-Fan Helmut Ferrang zusammengerollte Eintrittskarten aus den vergangenen Jahrzehnten hinterlassen und sich damit im Ellenfeld verewigt. (Foto: -jf-) 

Im altehrwürdigen Ellenfeld-Stadion gibt es immer wieder Neues zu entdecken. Davon konnte sich vor wenigen Wochen auch Christoph Biermann, Chefreporter des Magazins 11FREUNDE, Mitglied der Deutschen Akademie für Fußballkultur und Autor zahlreicher Bücher, überzeugen. Der imposante Blick von der Spieser Kurve gehört ebenso zu den besonderen Eindrücken wie die Einblicke in das Innere der Haupttribüne, unter deren Stufen sich noch Spuren der alten Geschäftsstelle, der Umkleideräume und Duschen und auch der Toilette befinden, auf die sich in den 50er-Jahren Fritz Walter vor Spielbeginn zurückzog, um sich vor lauter Aufregung ein letztes Mal vor dem Anpfiff zu erleichtern.

Eine Skurrilität allerdings hatte Christoph Biermann, der tausende von Stadien in aller Welt besichtigt hat, so noch nicht gesehen: Am Trennzaun zwischen Block 5, wo die treuesten der treuen Fans der Borussia ihren Stammplatz haben, und der Tribüne finden sich Dutzende von zusammengerollten Eintrittskarten – ein leicht zu übersehendes Detail, das die einzigartige Fan-Liebe zur Borussia und zum Ellenfeld dokumentiert!

Mit ihnen hat Helmut Ferrang seine Besuche bei der Borussia dokumentiert und auf diese Weise sich selbst ein Denkmal hinterlassen. Wie ist er auf diese seltsame wie einmalige Idee gekommen? Wie ist es ihm gelungen, die Tickets so kompakt zusammenzurollen, dass sie in exakt in den Zwischenraum des Trennzaunes passen? Antworten auf diese Frage hat der langjährige leidenschaftliche Anhänger der Borussia 2019 bei seinem Ableben mit in die Ewigkeit genommen. Seit 1958 pilgerte der gebürtige Bexbacher zu den Spielen seiner geliebten Borussen ins Ellenfeld, hat das Pokalfinale 1959 und die glorreichen Zeiten der 60er-Jahre mit Südwestmeisterschaft und dem zweimaligen Aufstieg in die Bundesliga miterlebt. Dabei pflegte er an Spieltagen nicht nur der erste im Stadion zu sein, sondern auch bei Wind und Wetter seinen Stammplatz im Bock 5 einzunehmen. Einmal darauf angesprochen, erzählte Helmut Ferrang, dass er trotz früher Anreise noch in der Nähe des Neunkircher Zoos parken musste – den Rest des Weges legte er dann in den Menschenmassen zurück, die sich einem Zug von Ameisen gleich Richtung Ellenfeld-Stadion bewegte, und das schon am Mittag lange vor Spielbeginn!

Über 60 Jahre Treue zur Borussia: Seit 1958 hat Helmut Ferrang seine Borussia unterstützt – im Ellenfeld-Stadion ebenso wie auf fremden Plätzen. (Fotos: privat)

Überhaupt konnte Helmut Ferrang eine Menge Geschichten erzählen aus dieser heute so fern wirkenden Zeit – so zum Beispiel von einem beliebten Anlaufpunkt der Borussen-Fans, einer Kneipe zwischen Spiesen und St. Ingbert, wo eine ältere Dame immer die neuesten Serviermädels am Start hatte. Oder von den Fanbussen, die die Borussia regelmäßig zur Verfügung stellte, mit denen über 200 Anhänger die damals mangels Autobahn noch längere, aber dafür umso feucht-fröhlichere Fahrt nach Trier unternahmen. Auch Reisen in die Pfalz waren damals beschwerlich – eine ausgebaute Bundesstraße nach Speyer oder Landau gab es noch nicht. Ebenso wenig können sich heutige Zeitgenossen vorstellen, wie es wohl ist, zu zweit auf einer Vespa nach Ludwigshafen zu fahren oder mehr oder weniger ohne Landkarte oder Navigation zu einem DFB-Pokalspiel auf den Aachener Tivoli. Und wenn Helmut Ferrang über die früheren Cracks wie Erich Leist, Rudi Dörrenbächer, Paul Pidancet oder Elmar May sprach, geriet er regelmäßig geradezu ins Schwärmen: „Wenn wir den Dörrenbächer damals nicht verloren hätten, dann wären wir heute noch in der Bundesliga“, hat er einmal in einem Beitrag von Nicky Kassners Stahlwerk-Blog vermutet. Zur Erinnerung: Rudi Dörrenbächer, ein typischer Vollstrecker (136 Tore in 168 Spielen der damaligen 1. Liga!), war 1957 von Hellas Marpingen ins Ellenfeld gekommen und 1962 mit 37 Saisontreffern Rekordschütze aller deutschen Oberligen. Der Stürmer erlitt Ostern 1963 bei einem Liga-Spiel in Frankenthal eine schwere Kopfverletzung und musste seine Karriere vorzeitig beenden.

Helmut Ferrang ist gegangen und schaut jetzt, vereint mit dem Borussen-Leo, von oben der Borussia zu. Mag sein Platz im Block 5 seit sechs Jahren auch verwaist sein: Helmut Ferrang lebt in der Erinnerung weiter. Dank seiner skurrilen Idee, seine Eintrittskarten zusammengerollt in den Zaun zur Haupttribüne zu stecken. Helmut Ferrangs ganz eigener Beitrag zum Denkmal Ellenfeld, die auch an der Stelle verbleiben sollten, an der sie sich jetzt befinden – ein Akt des Respekts gegenüber einem großen Borussen-Fan und seinem Vermächtnis! Als wolle der aufrichtige und überzeugte Anhänger mit den Tickets aus vergangene Zeiten den Fans seiner Borussia zurufen: „Denkt mal an mich und bleibt der Borussia treu – in guten wie in schlechten Zeiten!“ (-jf-)