Die „Mutter aller Saar-Derbys“ – ein historischer Streifzug (2)

Am kommenden Samstag, dem 23. März (Anstoß: 14.00 Uhr) treffen im Achtelfinale des Saarlandpokals mit der Neunkircher Borussia und der 1. FC Saarbrücken zwei alte Rivalen aufeinander

Unser Bild: Der junge Felix Magath (Mitte) freut sich über ein Tor des 1. FC Saarbrücken, die Borussen Ertz und Hess haben das Nachsehen. Die Partie in der 2. Liga Süd an jenem 1. September 1974 gewannen die Landeshauptstädter durch Tore von Ludwig Den (10.), Niko Semlitsch (60.) und Felix Magath (64.) mit 3:0. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen)

Nach dem zweiten Bundesliga-Gastspiel (1967/68) kehrten auch die Borussen in die Regionalliga Südwest zurück. Hier lieferten sich die Rivalen aus Neunkirchen und Saarbrücken nun wieder erbitterte Duelle mit unterschiedlichen Ausgängen. Die Anziehungskraft auf das Publikum im Saarland war enorm: Die Kulissen waren für den Fußball in der damaligen zweiten Liga rekordverdächtig, fast immer fünfstellig. Am 27. Januar 1974 verfolgten gar 30.000 Fans den 3:1-Sieg der Borussia. Im selben Jahr hat auch Felix Magath im FCS-Trikot seinen ersten Auftritt im Ellenfeld. Ebenfalls unvergessen das Spiel in der 2. Liga Süd im Dezember 1978: Die Wogen der Emotionen auf den Rängen des Ellenfeld-Stadions gehen schon vor dem Anpfiff hoch: „Hauen ab, sonschd freß isch eisch ohne Senf“, mit diesen Worten soll nach Berichten der „Saarbrücker Zeitung“ ein Ordner der Borussia drei FCS-Fans energisch in die Flucht getrieben haben.  Auf dem Rasen bringt derweil Nationalstürmer Ferdi Keller die Borussen vor der Pause mit 2:1 in Führung. Doch dann müssen die Schützlinge von Trainer Dietmar Schwager und diejenigen unter den 15.00 Zuschauern, die es mit Borussia halten, bangen. Denn es folgt der Auftritt einer adligen Hunde-Dame, deren eigentliche Aufgabe es ist, bissige Fans in Schach zu halten: Ina vom Mossberg reißt sich los und schnappt sich den Oberschenkel von Saarbrückens Stürmer Erich Unger! Der kann daraufhin nicht mehr weiterspielen, die Gäste legen Protest gegen die Wertung des Spiels (2:1) ein, dem stattgegeben wird. Doch auch im Wiederholungsspiel siegt Borussia mit 1:0 – in den drei gemeinsamen Jahren in der Südstaffel der 2. Liga der einzige Sieg für die Borussen.

3:1 gewinnen die Borussen das Regionalliga-Derby in der Saison 1973/74 und wurden vor dem Rivalen aus Saarbrücken Südwestmeister – in dieser Szene setzt sich allerdings FCS-Kapitän und -legende Egon Schmitt (Mitte) gegen Gerd Schley und Norbert Hess durch (oben). „Hunger auf Unger“ lautet 1978 die Schlagzeile: Nach einem Hundebiss muss Saarbrückens Mittelfeldregisseur Erich Unger behandelt werden und kann nicht mehr weitermachen – Ergebnisannulierung und Spielwiederholung sind die Folgen (unten). (Fotos: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen)

Anschließend bleibt der 1. FC Saarbrücken in Ober- und Regionalliga dominant, den Borussen gelingt erst im Dezember 2007 durch das Kopfballtor von Michael Müller im Ludwigspark wieder ein Erfolg! Im Hinspiel hatten mehr als 10.000 Zuschauer im Ellenfeld an einem heißen Sommerabend Ende Juli in einem hart umkämpften Oberliga-Spiel ein 2:2 gesehen. Borussias Mittelfeldspieler Holger Klein glänzten die Augen, als er nach der Partie vor den SR-Kameras gestand: „Dafür spielt man Fußball, dafür nimmt man all die Strapazen auf sich!“ Im Rückspiel im Ludwigspark setzten die Borussen noch einen drauf und schnappten sich durch Michael Müller, den Neuzugang aus Limbach, alle drei Punkte: Der Innenverteidiger hatte einen Eckball per Kopf im Netz versenkt. Held des Tages: Borussias Keeper Enver Marina, der Saarbrückens Stürmer Nazif Hajdarovic, Manuel Rasp, Julien Humbert oder Mike Brückerhoff geradezu zur Verzweiflung trieb. „Wir waren hochkonzentriert und immer mit zwei, drei Mann am Ball, so dass der Gegner kaum Möglichkeiten hatte, sein Spiel durchzuziehen“, äußerte sich Borussen-Coach Günter Erhardt nach den 90 Minuten hochzufrieden. Sein Gegenüber, Michael Krüger, hatte die Ursache für die Niederlage im Offensivbereich festgemacht: „Da konnten wir uns eigentlich null durchsetzen!“ Eine klare Sache für den FCS dagegen war das Derby zu Beginn der Oberliga-Spielzeit 2008/09: Gregory Strohmann (25.), Nico Weißmann (45.), Nazif Hajdarovic (58.) und Marcel Schug per Foulelfmeter (62.) sorgten für ein deutliches 4:0.

Doch bald darauf trennten sich die Wege der alten Rivalen: Während der „Leuchtturm aus der Hauptstadt“ (eine Metapher, die der damalige FCS-Präsident Horst Hirschberger bei seinem Amtsantritt prägte) sukzessive nach oben bis in die 3. Liga kletterte, stürzten die Borussen ab, hatten mehrfach mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen und spielen seit nunmehr fast 7 Jahren in der Saarlandliga. Hier ist dank kontinuierlicher und bodenständiger Arbeit die Konsolidierung gelungen, auch wenn man im Ellenfeld immer noch jeden Cent zweimal rumdreht, bevor man ihn ausgibt. „Das Pokalspiel gegen den großen Nachbarn bietet uns eine große Chance: „Zum einen sportlich wieder mehr ins Rampenlicht zu geraten, zum anderen auch wirtschaftlich“, so Sportvorstand Gunther Persch, der zusammen mit seinen Vorstandskollegen die Hoffnung hegt, „dass uns der 1. FC Saarbrücken wirtschaftlich entgegenkommt und uns durch ein Überlassen der Einnahmen, wenn auch nur anteilig, ein bisschen hilft.“ Geholfen hat der FCS schon einmal: Im Juli 2015 gastierte die Mannschaft aus dem Ludwigspark zu einem Benefizspiel bei den finanziell angeschlagenen Borussen im Ellenfeld, knapp 1000 Zuschauer sahen einen ungefährdeten 5:0-Sieg des damaligen Regionalligisten.

Prächtige Kulisse im Oberliga-Derby 2007: 10.000 Fans verfolgen das 2:2 zwischen Borussia und FCS zum Saisonauftakt im Ellenfeld und sehen rassige Zweikämpfe mit den Borussen Holger Klein und Ralf Hürter. (Fotos: Thomas Burgardt – vielen Dank!)

Im Saarlandpokal gab es im Übrigen auch letztmals ein Pflichtspiel zwischen den beiden Rivalen im Oktober 2015 – und zwar unter ganz besonderen Bedingungen: Dank einer mobilen Anlage erlebte das altehrwürdige Ellenfeld-Stadion das erste (und bislang einzige) Flutlichtspiel seiner langen Historie und damit eine unvergleichliche Atmosphäre! 2120 Zuschauer waren dabei. Sportlich war die Partie am Ende eine ziemlich „knappe Kiste“. Durch einen Treffer von Matthew Taylor siegten die Landeshauptstädter mit 1:0. Fünfzehn Jahre zuvor (im April 2010) hatte die Borussia vor 3.000 Zuschauern im Ellenfeld-Stadion als Oberligist den damaligen Regionalligisten 1. FC Saarbrücken im Halbfinale des Saarlandpokals mit 2:1 besiegt. „Julian Weiersbach erzielte in der 59. Minute den Siegtreffer, vorher hatte Pascal Guillaume mit einem Tor-des-Monats-würdigen Seitfallzieher die frühe Saarbrücker Führung ausgeglichen. Das Finale verlor unsere Borussia dann leider in St. Wendel gegen die SV Elversberg mit 0:1. Das war das letzte Mal, dass die Borussen im Finale des Saarlandpokals standen“, erinnert sich Neunkirchens Oberbürgermeister Jörg Aumann.

Die Vorfreude bei den Anhängern beider Traditionsvereine auf das kommende Derby ist groß. Zumal es zwischen beiden Fanlagern mittlerweile freundschaftliche Beziehungen gibt. Symbol dafür: Eine große Schwenkfahne, auf der die Wappen beider Clubs ineinander verschlungen zu sehen sind (Foto oben / -jf-). Sowohl bei den Heimspielen des FCS im Ludwigspark als auch im Ellenfeld und auf den Sportplätzen der Saarlandliga wird sie eifrig geschwenkt. Aus Rivalen sind Freunde geworden, die sich mit Respekt begegnen. Das war bekanntlich einmal ganz anderes, und es gibt – vor allem unter den älteren Borussen – immer noch einige, die mit den gegenseitigen Sympathien von Schwarz-Weiß und Blau-Schwarz fremdeln. Aber sollte man in sich wandelnden Zeiten nicht alte Rivalitäten begraben und verkrustete Beziehungsschemata aufbrechen statt in alten Mustern zu verharren? Sollte man nicht als traditionsreiche Vereine gerade in Zeiten der immer weiter um sich greifenden Kommerzialisierung und Konzentration auf finanzstarke und konzerngeleitete Großclubs zusammenhalten und die regionalen Bande knüpfen? „Tempora mutantur et nos mutamur in illis“, wusste schon der römische Dichter Ovid zu konstatieren: Die Zeiten ändern sich und wir mit ihnen … In diesem Sinne dem 1. FC Saarbrücken und seinen Anhängern ein herzliches Willkommen im Ellenfeld – auf ein faires und spannendes Derby! (-jf-)

Der Youtube-Kanal bietet zahlreiche Reminiszenzen an frühere Derbys zwischen der Borussia und dem 1. FC Saarbrücken, u.a.:

Erinnerungen an das Pokalspiel 2015:

Erinnerungen an das 2:2 im Juli 2007:

Erinnerungen an das Rückspiel im Ludwigspark 2007:

Erinnerungen an das Spiel im Ludwigspark im August 2008:

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