Aus der traditionsreichen Geschichte der Borussia: Teilnahme am Intertoto-Cup 1961
Fans und Freunde der Borussia, Hand auf´s Herz: Kennt Ihr Karl Rappan, Ernst Thommen oder Eric Persson? Nein? Nie gehört? Kein Problem, da seid Ihr beileibe kein Einzelfall. Lasst uns das doch einfach zum Anlass nehmen, anhand der Borussen-Historie ein bisschen Geschichtsunterricht rund um das runde Leder zu absolvieren. Denn die drei Herren, allesamt zu Beginn der 60er-Jahre schillernde Protagonisten unter den damaligen Fußball-Persönlichkeiten , waren 1961 die Urheber eines Wettbewerbs, der als „Cup der guten Hoffnung“ ins Leben gerufen wurde, aber nie besonders attraktiv war und trotzdem in letzter Konsequenz erst 1995 eingestampft wurde.
Der Intertoto-Cup – hört sich toll an. Eine tolle Sache – das fanden auch die oben genannten drei Herren. Karl Rappan, Trainer der Schweizer Nationalmannschaft, der als Vereinscoach von Servette Genf und den Grasshoppers aus Zürich das Defensivsystem des „Schweizer Riegels“ erfand, hatte immer schon von einem Turnier mit Mannschaften aus ganz Europa geträumt. Doch um das auf die Beine zu stellen, brauchte er Geld. Geld hatte damals schon die aufkommende Wett-Branche. Dort hatte Ernst Thommen, der Direktor der Schweizer Toto-Gesellschaft, brennendes Interesse daran, dass auch in der Sommerpause der Ball rollte – schließlich musste das Tipp-Geschäft weitergehen. Das fand auch Eric Persson, der als Vorsitzender seinen Club, Malmö FF, vom Zweitligisten zum schwedischen Serienmeister formte. So entstand eine ungewöhnliche Dreier-Partnerschaft. Auch wenn die UEFA sich aufgrund der Verbindung zur Wett-Industrie von den Plänen der drei Herren distanzierte, winkte man den Vorschlag der sogenannten „Intertoto-Runde“ durch, überließ jedoch Organisation und Finanzierung den Herren Rappan, Thommen und Persson.
Doch die ach so geniale Idee, nach dem Hauptinitiator auch als „Rappan-Cup“ bezeichnet, war weder bei Vereinen noch Zuschauern beliebt. Schließlich fand der Wettbewerb mitten in der Sommerpause statt und störte die Vorbereitung auf die neue Saison. Die Sommerpause für ein Turnier zu opfern, das ziemlich bedeutungslos war, sahen viele nicht ein. Deshalb wurde 1967 die Finalrunde abgeschafft, die Gruppenspiele aber weiter bis 1995 ausgetragen. Dann gab es eine „Aufwertung“: Im jetzt „UI-Cup“ genannten Wettbewerb hatten Clubs, die in der Meisterschaft die direkte Teilnahme am Europapokal verpasst hatten, die Chance, sich doch noch für den UEFA-Cup zu qualifizieren. Was die Beliebtheit trotzdem nicht unbedingt steigerte, wie Aufstellung und Ergebnisse zeigten. So verlor Werder Bremen beim österreichischen Tabellenletzten SV Pasching sang- und klanglos mit 0:4 – dasselbe Werder, das ein paar magische Monate später das Double (Meisterschaft und Pokal) gewinnen sollte. UI-Cup und UEFA-Cup wurden in der Spielzeit 2008/09 letztmals ausgetragen, das Nachfolge-Modell heißt jetzt: Die Europa-League. Ob dieses Konzept attraktiver ist? Das ist eine andere Geschichte.
Was hat das mit unserer Borussia zu tun? Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre hatte der Name des saarländischen Traditionsvereins auch international einen guten Klang. Der Grund: Herausragende nationale Erfolge. Immerhin holten die Ellenfelder, damals noch im traditionellen Dress mit schwarzer Hose, weißem Hemd mit schwarzem Brustring, zwischen 1958 und 1963 drei Vizemeisterschaften und einen Titel in der Oberliga Südwest, der höchsten Spielklasse, nahmen gleich zweimal an der Endrunde um die deutsche Meisterschaft teil, wurden 1964 Meister der Regionalliga und gaben beim Aufstieg in die Bundesliga sogar den großen Bayern aus München das Nachsehen. Und so folgte man im Sommer 1961 dem Ruf des „Intertoto-Cups“. In der Gruppe III hießen die Gegner: VV Venlo aus den Niederlanden, FC Grenchen aus der Schweiz und Örgryte IS, der Tabellendritte aus Schwedens erster Liga.
Örgryte ist ein Stadtteil von Göteborg, bekannt vor allem durch seinen Fußballverein IS (das IS steht für Idrottssällskap, was soviel heißt wie Sportclub), der 1887 gegründet wurde und bis in die 1940er-Jahre gleich 14mal schwedischer Meister war und später einmal den Pokal (2000) holte, ehe die Vorherrschaft der Stadt endgültig an den IFK Göteborg überging. Am 18. Juni 1961 war das Team vom Ullevi-Stadion Gastgeber der Borussia, um Punkt 18.00 Uhr pfiff der Unparteiische Leo Horn aus Amsterdam vor exakt 4766 zahlenden Fans die Partie an. Vom Anstoß weg gingen die Borussen durch Karl Ringel 1:0 in Führung. Erst unmittelbar vor der Pause glich Hans Erik Stähl aus – zu einem, wie man so schön sagt, psychologisch günstigen Zeitpunkt. Doch die Borussen hielten den Punkt fest – bis zur 74. Minute. Dann machten Mittelfeldmann Lars Olofsson und Stürmer Stig Andersson binnen sechs Minuten den 3:1-Sieg der Schweden perfekt, die mit dem gleichen Ergebnis auch im Ellenfeld obenauf blieben. Borussia konnte ihre Heimspiele gegen Venlo (5:3) und Grenchen (2:0) gewinnen, auf fremden Plätzen jedoch gab es weder in Holland (2:3) noch in der Schweiz (1:3) etwas zu erben. Am Ende der Runde stand (bei 12:15-Toren und 4:8-Punkten) immerhin Platz 3 zu Buche. Kaufen dafür konnte man sich nichts.
Aus dem Programmheft „Ullevi-bladet“: Borussias Weg in den Intertoto-Cup (oben) und die Aufstellungen beider Mannschaften am 18. Juni 1961 in Göteborg (unten). (Fotos: -jf-)
Im Programmheft, das sich auch im Borussia-Archiv befindet, stellt Redakteur Harry Lundahl die Gäste aus dem Saarland vor und verweist im Leitartikel (S. 3) auf die im Frühjahr knappe Titelentscheidung in der Oberliga Südwest hin – einer Liga, die etwas schwächer wahrgenommen werde als die übrigen Oberligen (S. 12). Dort seien die Borussen lediglich aufgrund des schlechteren Torverhältnisses hinter „dem großen 1. FC Saarbrücken“ auf Rang zwei gelandet. „Auch wenn sie sich aufgrund der 0:5-Niederlage in Ludwigshafen gegen Eintracht Frankfurt nicht für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft qualifizieren konnten, stellen sie doch für uns eine ziemlich harte Nuss dar und dürften in Stammbesetzung durchaus eine kleine Chance haben“, heißt es am Ende des Artikels. In besagtem Spiel wird vor allem Torhüter Horst Kirsch eine herausragende Leistung attestiert, der eine zweistellige Niederlage verhindert habe (S. 7). Die Borussia habe bislang keine internationalen Referenzen, der Vereinsname sei in Deutschland ebenso häufig wie in Schweden „IFK“. Beim Hinweis, dass „die Borussia aus Neunkirchen nicht mit der bekannten Borussia aus Dortmund verwechselt werden sollte“ (S.12), muss dann der geneigte Leser doch ein wenig schmunzeln. Nichtsdestotrotz: Das „Ullevi-bladet“ ist ein echtes Fundstück, eine Rarität – ein bemerkenswertes Zeitdokument aus der traditionsreichen Historie der Borussia! (-jf-)
Wieder ein vorzüglicher Bericht mit einer kleinen Bemerkung,
Borussia war Endrundenteilnehmer 1960, 1962 u. 1963.
Quali-Teilnahme 1959 (3:6 Werdet) u. 1961 (0:5 SGE)!
Waren das Zeiten!
Gruß aus Frankfurt am Main
Werner Bohr