Von der Whatsapp-Plauderei zur Rekordjagd

Selbst nach dem Spiel gab es noch Kartenbestellungen: 18.505 lautet die finale Zahl der virtuellen Ticket-Tour! / Interview mit Initiator und Borussen-Jugendleiter Jörg Eisenhuth

Unser Bild: Mit Borussia aufgewachsen, die Borussia tief im Herzen – Jörg Eisenhuth, der die Rekordjagd ins Leben gerufen und mit begleitet hat.

Gemeinsam mit Dirk Steingasser aus der Jugendabteilung der Borussia hat Jugendleiter Jörg Eisenhuth (JE) die virtuelle Ticket-Tour initiiert und umgesetzt. Im Gespräch zieht er Bilanz und erzählt, wie er auf die Idee gekommen ist, welchen Aufwand sie mit sich brachte und welche nachhaltige Wirkung er sich davon erhofft.

Jörg, was hat Euch auf die Idee mit der Rekordjagd gebracht?

JE: Die coronabedingten Spielausfälle haben wie alle Amateurvereine auch die Borussia getroffen. Die Spielausfälle reißen ein Loch in die Kasse. Im Internet habe ich recherchiert, was andere Vereine so machen, um die Lage wenigstens ein bisschen zu entschärfen, und bin auf die Ticket-Aktionen von Lok Leipzig und RW Essen gestoßen. Da habe ich mir gedacht, dass so etwas gerade in Verbindung mit unserem Ellenfeld-Stadion auch für uns passen könnte. Mit Dirk Steingasser habe ich mich dann über Whatsapp ausgetauscht, er war sofort Feuer und Flamme. Wir haben uns dann entschlossen, die Aktion mit ein paar Veränderungen zu übernehmen. Man muss ja schließlich das Rad nicht immer neu erfinden!

Aber mit einem solchen Erfolg habt Ihr sicher nicht gerechnet, oder?

JE: Überhaupt nicht! Aber wir hatten ja auch nichts zu verlieren. Wir haben uns gesagt: Selbst wenn es nicht funktioniert, ein Versuch ist es auf jeden Fall wert. Wir wären auch schon zufrieden gewesen, wenn wir mit 3.000 verkauften Karten auf virtuellem Weg den Rekord der Saarlandliga geknackt hätten. Dass die Aktion dann aber so durch die Decke geht, hätten wir uns nicht träumen lassen. Nach drei, vier Tagen hatte ich das erste Mal das Gefühl: Das könnte eine größere Sache werden! Es gab in den ganzen Wochen keinen einzigen Tag, an dem die Zahl der verkauften Tickets unter 200 lag. Diesen Schnitt muss man über eine so lange Zeit erst mal halten! Dazu haben wir fast 30 neue Schilder auf unsere Unterstützer-Tafel vor dem Stadion dazu erworben.

Die sozialen Medien haben als Multiplikator eine wichtige Rolle gespielt.

JE: Ja, auf jeden Fall, zumal wir ja in jedem Spiel viele Fußballinteressierte haben, die unser Stadion besuchen. Die haben das natürlich aufgegriffen und fleißig geteilt. So hat die Sache Kreise gezogen. So kritisch man die sozialen Medien auch oft betrachten muss – hier haben sie uns geholfen! Es haben Leute aus ganz Deutschland Karten gekauft. Auch die Resonanz auf unsere Gewinne waren positiv. Ein Fußballfan aus Hannover hat sich beispielsweise riesig gefreut über eine Stadionführung und fest zugesagt zu kommen – und zwar nicht alleine, sondern in Begleitung mehrerer Freunde!

Du hast die Aktion ja ganz eng begleitet – mit mehreren Posts am Tag. Wie groß war der zeitliche Aufwand?

JE: Das war schon riesig. Es galt ja nicht nur, die Aktion mit den Posts zu pushen, sondern auch e-mails und Karten zu verschicken, Nachrichten zu beantworten und anderes mehr. Deshalb bin ich meinen Mitstreitern Dirk Steingasser, Sven Hepp und Uli Horbach sehr dankbar. Ohne Teamarbeit wäre das nicht zu schaffen gewesen. Auch an Jo Frisch herzlichen Dank für die Begleitung in Text und Bild in den Vereinsmedien und seine gute Idee, den Liveticker als Relaunch einer früheren Bundesligapartie zu gestalten. Das ist gut angenommen worden, der Ticker wurde im Schnitt von 1.000 bis 1.500, in der Spitze gar von 3.000 Leuten verfolgt! Ein besonderes „Danke schön“ möchte ich auch an Jens Kniest richten, der mit seiner Dart-Auktion auch andere Kreise auf uns aufmerksam gemacht und uns dadurch sehr geholfen hat. Nicht zu vergessen unsere zahlreichen Sponsoren, die sich über ihr übliches Engagement beim Ticket-Kauf zusätzlich eingebracht haben – da kann man nur den Hut ziehen!

Dein verstorbener Vater Kurt Eisenhuth, ebenfalls ein Borusse mit Leidenschaft, wäre sicher stolz gewesen auf diese Aktion oder?

JE: Ganz sicher. Er hat mich auf meinem Weg durch die Jugendabteilung nicht nur als Vater, sondern als Ratgeber und Freund immer gefördert und begleitet und hat durch seine Tätigkeit in der Lakaienschäferei viel für die Borussia getan. In den 80er Jahren hat er – was viele nicht wissen – sogar Spieler zu den Auswärtsspielen in der 2. Liga gefahren, weil das Geld für einen Bus knapp war. Er hat stets den Wunsch gehabt, dass ich mich bei der Borussia mal in einer Funktion engagiere. Deshalb glaube ich auch, dass er mir bei allem, was ich tue, die nötige Kraft gibt. Die Aktion hätte ihm auf jeden Fall gefallen, keine Frage. Aber ich möchte nicht, dass um meine Person viel Aufhebens gemacht wird, das ist mir unangenehm. Denn letztlich geht es nicht um Personen, sondern um den Verein. Die Borussia ist das, was zählt, die übergeordnete Größe, der wir alle dienen, für die wir uns alle engagieren wollen, damit es wieder aufwärts geht. Das hat mein Vater immer ganz genau so gesehen!

Vor fünf Jahren hast Du ja schon einmal bei einer besonderen Aktion mitgewirkt, bist zusammen mit Nicky Kassner mit dem Borussen-Käfer durch die Republik getourt. Was unterscheidet die virtuelle Ticket-Tour von der Käfer-Tour?

JE: Die Käfer-Aktion, mit der wir dazu beitragen konnten, die Vereinsinsolvenz abzuwenden, war natürlich noch eine Nummer größer. Und zwar deshalb, weil wir dabei den persönlichen Kontakt bekamen zu den Vereinen und zu den Stars, die man sonst nur im Fernsehen oder von weitem sieht. Das war schon was ganz Anderes. Aber persönlicher Kontakt ist in Corona-Zeiten ja ohnehin nicht gestattet, deshalb kann man beide Aktionen auch nur ganz schwer miteinander vergleichen. 

Was erwartet Ihr Euch von der Aktion über das virtuelle Spiel hinaus?

JE: Wir wünschen uns sehr, dass die Wirkung darüber hinaus geht, dass den Leuten in der Krise bewusst wird, was der lokale Fußball für eine Bedeutung hat. Ich sage immer: Die Zeit jetzt ohne Fußball zeigt uns, wie es wäre, wenn es die Borussia und das Ellenfeld nicht mehr gäbe. Und alle, mit denen ich darüber spreche, sagen: Das wäre furchtbar! Deshalb wäre es schön, wenn die Menschen in und um Neunkirchen wieder mehr Begeisterung für die Borussia entwickeln und uns in unserer Arbeit auch durch einen Besuch in unserem schönen Ellenfeld-Stadion mit seiner einmaligen Atmosphäre unterstützen würden. Den Schwung und die Aufbruchstimmung aus der Rekordjagd mit in die nächste Saison nehmen – das ist unsere große Hoffnung, das würde der Aktion Nachhaltigkeit verleihen.

Vielen Dank, Jörg, für das offene Gespräch!

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