Unterwegs mit Charly – Diesmal: Am Eispalast

Nicht zum ersten Mal hat es in diesen frostigen Tagen Raimund Eich, den gebürtigen Neunkircher, Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik, Volkshochschuldozent, Buchautor und langjährigen Kolumnisten des Stadionmagazins „Blick ins Ellenfeld“, bei seinen Spaziergängen mit Hund Charly ans altehrwürdige Stadion verschlagen. Heute vor 59 Jahren mussten die Borussen gegen den FC Bayern München eine bittere Heimniederlage hinnehmen. Grund genug für den alten Borussen-Fan, seinen Gedanken nachzuhängen, an denen er den interessierten Leser auf seiner facebook-Seite und auch hier auf der Borussen-Homepage gerne teilnehmen lässt – vielen Dank!

Wieder einmal hat mich Charly, mein Stadtführer auf vier Pfoten, zu unserem Lieblingsplatz geführt. Ich weiß nicht einmal, wie man sie heute korrekt bezeichnet, aber für mich ist es noch immer die Schlossbräuwiese am Hang hinter der Gegengeraden des Ellenfeldstadions. Es ist bitterkalt und eine dünne Raureifschicht hat die Landschaft und das Stadion wie mit Puderzucker überzogen. Ein einzigartiger Anblick, der mir spontan eine Gänsehaut beschert. Doch diesmal ist es nicht die Eiseskälte, sondern die Erinnerungen an eine wunderschöne und unbeschwerte Zeit, die mich und die über 110 Jahre alte Arena, die nunmehr unter Denkmalschutz steht, wie von Zauberhand auf den Tag genau um nahezu sechs Jahrzehnte zurückversetzen.

Das Heimspiel vor 20.000 Zuschauern gegen Bayern München wurde heute vor 59 Jahren am Samstag, dem 5. Februar 1966, um 14:30 Uhr angepfiffen. In der Aufstiegsrunde zur Bundesliga ein Jahr zuvor hatten die Bayern gegen unsere Borussen noch das Nachsehen, doch diesmal sollte es für Willi Ertz, Elmar May, Günter Kuntz & Co. im Borussentrikot mit 0:4 eine bittere Heimniederlage gegen eine mit Stars wie Maier, Beckenbauer und Müller bestückte Bayern-Elf werden, die vier Monate später auch den DFB-Pokal gewann.

Ich sehe mich, als wäre es erst gestern gewesen, als knapp 15jährigen in der Spieser Kurve mit meinen Freunden ebenso verzweifelt wie vergeblich die heimische Mannschaft anfeuern, die am Ende der Saison zum ersten Mal sogar den bitteren Abstieg aus dem deutschen Oberhaus verkraften musste.

Heute vor 59 Jahren: Die Bayern mit Torjäger Gerd Müller (hier gegen Gerd Peehs und Erich Leist) zu Gast im Ellenfeld, die Münchener siegen vor 20.000 Zuschauern nach Toren von Brenninger, Müller, Koulmann und Nafziger mit 4:0. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Was soll´s, Schnee von gestern, für den sich heutzutage kaum einer noch interessiert, kommt mir in den Sinn. Aber so traurig, wie ich damals war, so dankbar bin ich heute, dass ich die goldenen Jahre von Borussia Neunkirchen miterleben durfte. Und der Denkmalschutz fürs Ellenfeld wird es mir zum Glück auch in Zukunft immer wieder mal erlauben, so wie jetzt sehenden Auges in die Vergangenheit abzutauchen. Wunderschöne Erinnerungen daran haben sich für immer in mein Gehirn eingebrannt.

Seit Jahren schon schwebt mir eine skurrile Geschichte über den Geist vom Ellenfeld im Kopf herum, der sich in den Katakomben unter der Stadiontribüne eingenistet hat und den besagten Goldenen Zeiten nachtrauert. Und diesem Geist gelingt es auf abenteuerliche Weise tatsächlich, diese Zeiten neu aufleben zu lassen, jedenfalls in meiner Geschichte. Aber wen würde das schon interessieren? Wer weiß, vielleicht schreibe ich sie ja trotzdem auf und veröffentliche sie. Doch zuerst muss ich die Lesung für meine beiden neuesten Bücher mit Bezug zu meiner Heimatstadt Neunkirchen vorbereiten, denn bis 20. Februar ist es nicht mehr lange hin. Aber dann vielleicht …?

Plötzlich drängt es mich zurück an den heimischen Schreibtisch. Noch einen letzten Blick werfe ich aufs wunderschöne Ellenfeldstadion, das sich mir heute fast ein bisschen wie ein verzauberter Eispalast präsentiert, bevor ich mich mit Charly wieder in Richtung Realität davonmache. (-re-)

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