Pokal-Sternstunde im Weserstadion

Aus Borussias traditionsreicher Historie / DFB-Pokal Achtelfinale 1967: Borussia gewinnt im Wiederholungsspiel bei Werder Bremen mit 2:1 / Doppeltorschütze Hans Linsenmaier

Das „Sport-Magazin“ – nach dem zweiten Weltkrieg ab 1946 eine beliebte Standardlektüre für jeden Fußballinteressierten. Denn das runde Leder bildete den Schwerpunkt der Berichterstattung. 1968 fusionierte das „Sport-Magazin“ mit dem „Kicker“, der sich von nun an „Kicker-Sportmagazin“ nannte. Der Name hat bis heute Bestand. Dabei war das „Sport-Magazin“ bis in die sechziger Jahre hinein wesentlich populärer als der „Kicker“. Seit 1953 gab es neben einer Montagsausgabe, die aufgrund ihres Einbandes „die grüne“ genannt wurde und für 80 Pfennig käuflich erworben werden konnte, auch eine Donnerstagsnummer mit rotem Einband (50 Pfennig) wurde herausgegeben. Der „Kicker“ übernahm diese Doppelausgabe erst 1968 mit der Fusion. In einer solchen „roten Ausgabe“ berichtet das „Sport-Magazin“ am 16. Februar 1967 über eine echte Pokalüberraschung. Dafür verantwortlich: Die Borussia aus Neunkirchen!

 „Neunkirchen liefert Pokalsensation: Seit 25.9.66 ungeschlagen“ konnte der geneigte Leser schon dem Titel entnehmen. Darüber ein Foto, das die Borussen Jürgen Wingert, Gerd Regitz und Peter Czernotzki im Kampf mit Gerhard Zebrowski zeigt. Was war passiert?

Am Abend zuvor war die Borussia nach Bremen gereist. Im Weserstadion stand das Wiederholungsspiel im Achtelfinale des DFB-Pokals an. Das Spiel im Ellenfeld hatte trotz Verlängerung nach 120 Minuten beim 1:1 keinen Sieger hervorgebracht. Nach dem damaligen Modus hieß das: Wiederholung! Dem Tabellenführer der Regionalliga Südwest hatten allerdings die wenigsten beim Tabellenelften der Bundesliga eine Chance eingeräumt. Denn noch drei Tage vor dem Pokalfight in Bremen waren die Borussen über ein kümmerliches 1:1 im Ellenfeld gegen den FC Homburg nicht hinausgekommen. Auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt seit dem 25. September des Vorjahres ungeschlagen geblieben waren (da hatte es mit 1:2 beim Saarland-Rivalen Röchling Völklingen die letzte Niederlage gegeben) – das Pokal-Aus im hohen Norden war eigentlich einkalkuliert. Doch Borussia erlebte eine Sternstunde.

„Werder fühlte sich zu sicher“, so Berichterstatter Werner Oelke, der knallhart analysierte: „Der Knockout kam von den Flügeln“. Was er damit meinte: „Der Sieg auf Schalke hatte die Grün-Weißen vielleicht etwas überheblich gemacht. Sie fingen selbstbewusst an, gingen aber schnell unter, als der Gegner sie mit dem Tor getroffen hat. (…) Borussia hat mit dem Sieg in Bremen etwas Glück gehabt, aber es war nicht unverdient, weil die Südwestdeutschen nicht nur zu kämpfen, sondern auch zu spielen verstehen.“ „Gute Momente“ attestierte der Reporter des „Sport-Magazins“ den Borussen, „allein durch die resoluten Flügelstürmer Pontes und Linsenmaier und den patenten Hermesdorf.“ Letzterer setzte vor allem den Doppel-Torschützen Hans Linsenmaier gekonnt in Szene, der die 1:0-Pausenführung (15.) nach gut einer Stunde (66.) auf 2:0 ausbaute. Dass Werder, in dessen Reihen der Ex-Borusse Werner Görts recht farblos bleib, anschließend trotz Sturmlauf nur noch zum Anschluss durch Hänel kam (79.), hatten die Borussen auch ihrem Keeper Willi Ertz zu verdanken, „der in der Drangperiode der Grün-Weißen richtig stand.“

„Der Linsenmaier schießt in jedem Spiel ein Tor“, hatte Borussia-Rainer Zeljko Cajkovski vor dem Anpfiff prophezeit und hinterher feixte er: „Habe ich es nicht gesag? Und diesmal waren es sogar zwei!“ Doch dann setzte der Bruder des Bayern-Trainer „Tschik“, der im Übrigen den Pokal-Coup der Borussia vorausgesagt hatte, die Zuhörer in Erstaunen: „Ich weiß nicht, ob ich mich nach diesem großen Sieg freuen soll. Denn Meisterschaft und Bundesligaaufstieg sind für uns ungleich wichtiger als der Pokal. Vielleicht rächt sich der Kräfteverschleiß in einigen Wochen.“ Der Coach schien recht zu behalten: Die Borussen mussten sich im anschließenden Regionalliga-Alltag sowohl beim VfR Frankenthal als auch im Ellenfeld gegen Völklingen mit einem torlosen Remis zufrieden geben, der Vorsprung des Spitzenreiters schmolz dahin wie Butter in der Frühlingssonne. Doch mit einem 8:0 gegen Germania Metternich bogen die Borussen wieder auf die Siegerstraße ein und holten am Ende nach nahezu sieben Monaten ohne Niederlage (!) nicht nur den Südwesttitel, sondern kehrten nach einem Jahr Abstinenz wieder in die Bundesliga zurück. Da war es Zeljko Cajkovski schnurzpiepegal, dass im Viertelfinale des DFB-Pokals auf dem Aachener Tivoli mit dem 1:3 gegen die den späteren Mitaufsteiger Alemannia Schluss war!

Noch in dieser Ausgabe des „Sportmagazins“: Die DFB-Jugendnationalmannschaft verlor trotz eines Eckenverhältnisses von 16:4 mit 0:1 gegen England. Im deutschen Dress mit dabei zwei Borussen: Werner Martin (damals noch Hellas Bildstock, wechselte im Sommer 1967 ins Ellenfeld) und Jürgen Fuhrmann! (-jf-)

Die Statistik: Werder Bremen – Borussia Neunkirchen 1:2 (0:1)

Werder: Bernhard – Piontek, Höttges, Steinmann, Hänel, Schimeczek, Zebrowski, Ferner, Björnmose, Danielsen, Görts. – Trainer: Günter Brocker.

Borussia: Ertz – Regitz, Czernotzky, Wingert, Leist, Schock, Pontes, Gayer, Lang, Hermesdorf, Linsenmaier. – Trainer: Zeljko Cajkovski.

Tore: 0:1 (15.) Linsenmaier, 0:2 (65.) Linsenmaier, 1:2 Hänel (79.). – Zuschauer: 12.000. – Schiedsrichter: Weyland (Oberhausen).

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