Last-minute-Siege gegen Mettlach – fast schon eine Tradition?

Stimmungen und Stimmen nach dem spannenden Finale am Samstag im Ellenfeld

Unser Bild: „Heute habt ihr gezeigt, was Eier sind“ – Borussias Sportvorstand Gunther Persch mit emotionalen Worten im Mannschaftskreis nach dem Spiel. (Foto: -jf-)

In der Intensitäts-Skala des Fußball-Erlebens stehen spielentscheidende Last-Minute-Tore an oberster Stelle. Keiner der Augenblicke, die Menschen als die schönsten in ihrem Leben bezeichnen, schreibt Arsenal-Fan Nick Hornby in seinem fast schon legendären Buch „Fever pitch“ (Fußballfieber), „scheint vergleichbar zu sein mit einem in der letzten Minute erzielten entscheidenden Tores für deinen Verein.“ Der Orgasmus, meint Hornby, sei „vorhersehbar und wiederholbar“, die Geburt von Kindern „außerordentlich bewegend“, aber sie habe nicht wirklich „das entscheidende Element der Überraschung“ und dauere auch zu lange; auch die Erfüllung persönlicher Wünsche (Beförderungen, Ehrungen usw.) habe nicht „das In-letzter-Minute-Zeitmoment und auch nicht das Element der Machtlosigkeit, das du als Fans erlebst, wenn das Spiel so gut wie aus und das Tor noch immer nicht gefallen ist.“ Gut, manch einem mag die Fußballphilosophie des englischen Literaten vielleicht übertrieben erscheinen. Und doch: Einen solch intensiven Augenblick durften die Fans der Borussia gegen Mettlach schon öfter erleben!

Björn Klos ist es aufgefallen: „Haben wir gegen Mettlach zuhause nicht immer in der letzten Minute gewonnen?“ Stimmt, das Gedächtnis hat Borussias Trainer nicht im Stich gelassen. Rückblende: Vor mehr als vier Jahren war es Daniel Ruschmann, der die Borussia nach Flanke von Patrick Seidel in der 93. Minute zum Sieg köpft und damit das unermüdliche Ringen um die drei Punkte belohnt: 2:1! Und etwas mehr als ein Jahr später legt Kevin Saks im Glutofen Ellenfeld in der Nachspielzeit allen Frust aus vorangegangenen 90 Minuten in einen einzigen Freistoß, der wie ein Blitz durch die gegnerische Abwehrmauer rast, und unhaltbar für Torhüter Dennis Donner im rechten oberen Torwinkel einschlägt: 1:0! Im Oktober 2019 schließlich wird Borussias Powerplay nach 89 Minuten belohnt, als Marco Dahler eine weite Flanke per Kopf in den Fünfmeter-Raum legt, wo Josef Hindi inmitten der Mettlacher Abwehr-Phalanx blitzschnell reagiert und mit dem Rücken zum Tor die Lederkugel per Hacke flach ins rechte untere Tor bugsiert: Kein Sieg, aber immerhin 2:2, nachdem Felix Klemmer die Gäste zuvor mit zwei Elfmetern in Führung gebracht hatte.

Dennoch war der 3:2-Sieg am Samstag gegen einen spielstarken Gegner, der nicht umsonst in dieser Spielzeit an der Tabellenspitze mitmischt, für Björn Klos nochmal sowas wie Sahnehäubchen: „So was wie gestern habe ich in 30 Jahren Fußball noch nicht erlebt!“ Völlig losgelöst sprintet Borussias Coach gemeinsam mit allen Akteuren gleich zweimal von der Bank aufs Spielfeld: Nach dem „lucky punch“ von Tim Klein ebenso wie nach dem heiß herbei gesehnten Schlusspfiff von Schiedsrichter Maximilian Lauer. Dass Björn Klos manche Entscheidungen des Unparteiischen genauso wie sein Mettlacher Kollege Holger Klein kritisch sieht, interessiert ihn nach exakt 99 Minuten und 50 Sekunden Spielzeit nicht mehr: „Das ist mir egal. Ich genieße das jetzt einfach. So ein Erlebnis wie heute haben wir einfach mal gebraucht. Die Mannschaft hat bis zur letzten Minute alles versucht, hat an sich geglaubt, das war überragend! Ich gönne es den Jungs“, schnappt Borussias Übungsleiter immer noch leicht nach Luft. „Lasst Euch feiern“, ruft er seinen Schützlingen zu, deren gelbe Trikots gezeichnet sind vom aufopferungsvollen Kampf auf dem fast umgepflügten Rasen des Ellenfelds. Die Jungs genießen die lautstarken „Borussia, Borussia“-Rufe der in einen emotionalen Ausnahmezustand versetzten Fans in vollen Zügen. Glücklich, aber doch ziemlich erschöpft.

Die sonst übliche Ansprache im Mannschaftskreis nach der Partie hat diesmal Gunther Persch übernommen. Kurz und knapp, mit wenigen, aber prägnanten Worten – wie es seine Art ist. „Diesmal habt ihr gezeigt, was Eier sind“, brechen in der Runde der Borussen die Emotionen aus Borussias Sportvorstand heraus. Die mehr als 90 Minuten zuvor hatte er noch in nahezu unerschütterlicher Ruhe von der Gegengeraden aus verfolgt. Von der Tribüne aus hat Reiner Brinsa gespannt das sehr unterhaltsame Geschehen zwischen beiden Toren beobachtet. Der Ex-Borusse war nach sechs Jahren Ellenfeld mit zwei Regionalliga- (1972 und 1974) und einer Saarlandliga-Meisterschaft (1975/76) 1976 zur Trierer Eintracht gewechselt, für die er über 600 Spiele absolvierte, und wurde an der Mosel heimisch. Diesmal hat er ein gutes Näschen: „Du fährst heute mal ins Ellenfeld, hab´ ich mir heute morgen gesagt.“ Rainer Brinsa wird – bei seinem ersten Besuch an alter Wirkungsstätte seit langem – nicht enttäuscht: „Das Spiel hatte alles, was das Fußballherz begehrt. Dramatik, Tore, Emotionen.“ Ein klein wenig fühlt sich der mittlerweile 69jährige an eine nicht minder packende Partie erinnert, in die er selbst noch im Borussen-Trikot involviert war: „Im Sommer 1976 in der Aufstiegsrunde zur 2. Liga haben wir gegen Trier gespielt. Da war es umgekehrt wie heute: Wir haben 4:1 geführt und konnten am Ende froh sein, dass es nach der Trierer Aufholjagd noch beim 4:4 geblieben ist. Da war auch Dramatik pur!“

Sichtlich erleichtert ist Özal Acar. Borussias Co-Trainer hatte vor der Partie das Glück heraufbeschworen: „Die Jungs haben sich das heute wirklich hart erarbeitet und sich endlich mal für ihre Leistung belohnt“, freut sich Borussias Co-Trainer, dem ausführliches Feiern leider nicht vergönnt ist. Denn um 18.00 Uhr ruft die Schichtarbeit bei Ford in Saarlouis: Die Sporttasche geschultert macht sich Özal Acar um 17.15 Uhr auf den Weg. Richtig genossen hat das Erfolgserlebnis derweil Tim Klein. Der in der 77. Minute eingewechselte Schütze des alles entscheidenden Treffers holt sich auf dem Rückweg in die eigene Hälfte zunächst einen Kuss von Betreuer Rainer Hoffmann ab und formt dann mit den Händen ein großes Herz Richtung Tribüne – klares Signal, wem er dieses wichtige Tor widmet: Freundin Fabienne! Wie sein Trainer hat Borussias Nummer 9 bis zum Schluss fest an den Erfolg geglaubt („Ich hatte ein gutes Gefühl!“) und freut sich nach viel Pech in der laufenden Saison über sein Glück riesig: „Dass ich gleich bei meinem ersten Einsatz nach drei Wochen Verletzungspause der Mannschaft auf diese Weise helfen konnte, ist phänomenal.“ Tim Klein hofft, dass „so ein Sieg uns einen neuen Schub für die letzten beiden Partien gibt, so dass wir hoffentlich mit einer verlängerten Erfolgsserie in die Winterpause gehen!“

Ex-Präsident Alex Kunz bringt die fast 100 Minuten letztlich auf den Punkt: „Wegen solcher Spiele lieben wir doch alle den Fußball! Wer hat bitte das Drehbuch zu dieser Partie geschrieben? Das kann nur Alfred Hitchcock gewesen sein!“ In der Tat: Ein echter Krimi mit gutem Ausgang für die Borussia. Wie so oft gegen den SV Mettlach! (-jf-)

Unsere Bilder vermitteln einen kleinen Eindruck von den Emotionen im Ellenfeld nach dem 3:2-last-minute-Sieg der Borussia gegen die SG Mettlach-Merzig. (Fotos: -jf-)


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